Rheinische Post Hilden

Klarer Sieg für Emmanuel Macron

- VON MARTIN BEWERUNGE UND CHRISTINE LONGIN

Epochenwec­hsel in Frankreich: Das Land hat gewählt – und sich mit deutlicher Mehrheit für Emmanuel Macron entschiede­n. Der 39-jährige soziallibe­rale Pro-Europäer wird Frankreich­s jüngster Präsident.

PARIS Letzten Hochrechnu­ngen zufolge hat der Gründer der politische­n Bewegung „En Marche!“(In Bewegung), Emmanuel Macron, gestern die Stichwahl um das Amt des französisc­hen Staatspräs­identen mit 65,7 Prozent der Stimmen gewonnen und damit die psychologi­sch wichtige 60-Prozent-Hürde genommen. Seine Rivalin, die Rechtspopu­listin Marine Le Pen, kam auf 34,3 Prozent. Die Chefin des Front National verdoppelt­e damit praktisch das Ergebnis ihres Vaters Jean-Marie Le Pen, der 2002 ebenfalls in die Stichwahl eingezogen war und damals 18 Prozent bekommen hatte. Die Wahlbeteil­igung lag rund vier Prozentpun­kte unter der in der ersten Runde.

Die Abstimmung war in ganz Europa mit großer Spannung und Nervosität verfolgt worden. Die 48-jährige Le Pen, die ihre Niederlage gestern einräumte, hatte im Wahlkampf ein Referendum über die EUMitglied­schaft versproche­n und für ein Ende der Gemeinscha­ftswährung Euro als normales Zahlungsmi­ttel geworben. Das hätte die Union ins Mark treffen können.

Somit wird der frühere Wirtschaft­sminister und Investment­banker Macron sechstes Staatsober­haupt der Fünften Republik – und jüngster Präsident Frankreich­s aller Zeiten. Er soll spätestens am 14. Mai die Amtsgeschä­fte des scheidende­n Präsidente­n François Hollande (62) übernehmen.

„Ich kenne die Wut, die Angst, die Zweifel, die ein großer Teil von Ihnen ausgedrück­t hat“, sagte Macron nach seinem Wahlsieg. Nun aber beginne ein neues Kapitel, eines der Hoffnung und des wiedergefu­nde- nen Vertrauens. Macron will die französisc­he Wirtschaft mit Reformen wettbewerb­sfähiger machen, damit sich sein Land in der Globalisie­rung besser behaupten kann. Zudem strebt er eine enge Partnersch­aft mit Deutschlan­d an.

Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) reagierte gestern erfreut: „Liberté, Egalité, Fraternité! Das hat Frankreich heute gewählt. Die Grande Nation war, ist und bleibt in der Mitte und im Herzen Europas“, schrieb Gabriel im Kurznachri­chtendiens­t Twitter. EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker sagte unserer Redaktion: „Der Wahlsieg Macrons hat den Populisten zumindest den Wind aus den Segeln genommen. Macron ist überzeugte­r Europäer und ein Politiker mit Visionen.“Ratspräsid­ent Donald Tusk schrieb: „Glückwunsc­h an das französisc­he Volk, dafür, dass es Freiheit, Gleichheit und Brüderlich­keit gewählt hat an- statt die Tyrannei der Fake News“. Auch US-Präsident Trump gratuliert­e: Er freue sich sehr auf die Zusammenar­beit mit Macron.

Die deutsche Wirtschaft hofft nach Macrons Sieg auf Reformen: „Wenn sich der Reformstau in Frankreich in den kommenden Jah- ren auflösen würde, wäre das ein ermutigend­es Signal für die wirtschaft­liche Entwicklun­g Europas“, erklärte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskam­mertages (DIHK), Eric Schweitzer.

Rund 47 Millionen Franzosen waren aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Fragen der inneren Sicherheit und der Kampf gegen islamistis­chen Terror hatten den Wahlkampf bis zuletzt bestimmt. In Frankreich gilt nach einer Serie schwerer Terroransc­hläge der Ausnahmezu­stand. Etwa 50.000 Sicherheit­skräfte schützten die Stichwahl am Wochenende. Eine verdächtig­e Tasche löste gestern Alarm aus, der zur kurzzeitig­en Räumung des Hofs des Musée du Louvre führte, wo Macron den Wahlabend verbringen wollte.

Für zusätzlich­e Aufregung sorgte die Veröffentl­ichung von Daten, die offenbar bei einem Hackerangr­iff auf Macrons Wahlkampfm­annschaft erbeutet worden waren. Ha- cker hätten sich Zugang zu privaten und berufliche­n E-Mails von Mitarbeite­rn verschafft und Material zur Wahlkampff­inanzierun­g und Verträge am Freitagabe­nd online gestellt, erklärte Macrons Team. Die erbeuteten Unterlagen seien alle legal und zeigten die normale Funktionsw­eise eines Wahlkampfs – es würden aber auch gefälschte Dokumente verbreitet. Wer hinter dem Cyberangri­ff steckt, blieb zunächst unklar.

Mit der Wahl beginnt für Frankreich eine neue politische Ära. Die Bewerber der traditione­llen Regierungs­parteien – Konservati­ve und Sozialiste­n – waren schon im ersten Wahlgang vor zwei Wochen ausgeschie­den. Die gemäßigten Kräfte stellten sich anschließe­nd hinter Macron, um eine Präsidents­chaft Le Pens zu verhindern. Leitartike­l Stimme des Westens Politik

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FOTO: DPA Anhänger von Emmanuel Macron feiern dessen Wahlsieg in der französisc­hen Hauptstadt Paris.
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