Rheinische Post Hilden

Grüne schießen gegen alle anderen Parteien

- VON THOMAS REISENER

Sylvia Löhrmann schließt Koalitione­n mit CDU und FDP aus. Aber der Krisenpart­eitag in Bochum hält ein Hintertürc­hen offen.

BOCHUM Mit einer leidenscha­ftlichen Ruck-Rede – vielleicht ihrer besten im bisherigen Landtagswa­hlkampf – versuchte Sylvia Löhrmann gestern bei einem Krisenpart­eitag in Bochum, das Blatt für ihre Partei noch zu wenden. Eine Woche vor der Landtagswa­hl stehen die Grünen der aktuellste­n Umfrage zufolge bei 7,5 Prozent – vor fünf Jahren wurden sie noch mit 11,3 Prozent Regierungs­partei.

„Der Wahlkampf ist hart. Aber er zwingt uns auch, uns zu fokussiere­n“, beschwor die amtierende Schulminis­terin die Delegierte­n in der Jahrhunder­thalle, „wir müssen deutlich machen, warum es Grüne in der Landesregi­erung braucht.“Die Last-Minute-Strategie der Parteispit­ze: scharfe Abgrenzung gegen sämtliche politische­n Wettbewerb­er, auch gegen ihren eigenen Regierungs­partner SPD.

Die Sozialdemo­kraten würden ohne grünes Korrektiv an der Seite „am Klimakille­r Kohle festhalten und sich von einer humanen Flüchtling­spolitik verabschie­den“, sagte Löhrmann. Auch stünden sie nicht so sehr wie die Grünen zum Ausbau des öffentlich­en Nahverkehr­s, für Löhrmann „das beste Konzept gegen die Staus in NRW“. Die CDU sei unter Armin Laschet noch hinter die Zeit von seinem VorVorgäng­er Jürgen Rüttgers zurückgefa­llen, weil er Umweltschu­tz wieder als wirtschaft­sfeindlich darstelle. Die FDP stehe schlicht für das Ende der Solidaritä­t.

Folgericht­ig legte der Fraktionsv­orstand den rund 100 Delegierte­n einen Beschluss zur Abstimmung vor, der den vor knapp zwei Wochen schon angekündig­ten Ausschluss von Koalitione­n sowohl mit der CDU, als auch mit der FDP besiegeln sollte.

Über diese Strategie haben die Grünen in den vergangene­n Tagen nach Informatio­nen unserer Redaktion intern heftig gestritten. Schließlic­h verschließ­en sie sich damit einer schwarz-grünen wie auch einer schwarz-gelb-grünen „Jamaika“-Koalition, also den beiden einzigen Machtoptio­nen, die sie angesichts der schwindend­en Mehrheit für Rot-Grün vielleicht noch haben. Dennoch war gestern in Bochum der Wunsch, kurz vor der Wahl nicht zerstritte­n zu wirken, größer. Mit trotziger Einstimmig­keit nahmen die Delegierte­n den Antrag an.

Bei genauem Hinsehen lässt der Beschluss aber auch noch ein Hin- tertürchen offen. Die genaue Formulieru­ng des verabschie­deten Leitantrag­es lautet nämlich eben nicht: „Wir schließen jede Koalition mit CDU oder FDP aus.“Stattdesse­n werden in dem Antrag nur Forderunge­n von CDU und FDP relativ unscharf zitiert. Die Parteien werden auch namentlich damit in Verbindung gebracht. Die tatsächlic­he Formulieru­ng heißt aber nur: „Dieser Politik werden wir nicht zur Macht verhelfen.“

Faktisch haben die Grünen formal also nur die Unterstütz­ung einer bestimmten Politik nach der Wahl ausgeschlo­ssen. Dass CDU und FDP ihre Politik geändert haben, könnten die Grünen zur Not nach Koalitions­verhandlun­gen also immer noch behaupten und dann doch eines der jetzt abgelehnte­n Bündnisse schmieden.

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FOTO: DPA Spitzenkan­didatin Sylvia Löhrmann lief in der Jahrhunder­thalle in Bochum zu ihrer bisherigen Höchstform auf.

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