Rheinische Post Hilden

Karl-Arnold-Preis für Tunnelbaue­r

- VON RAINER KURLEMANN

Bauingenie­ur Steffen Freitag wurde mit dem mit 10.000 Euro dotierten Preis geehrt. Der 37-Jährige half beim Bau der Wehrhahnli­nie.

Meistens vergehen viele Jahre, bevor eine wissenscha­ftliche Entdeckung den Weg in die Anwendung findet. Und noch mehr Zeit verrinnt, bis ein Forscher dafür mit einem Preis belohnt wird. Die nordrhein-westfälisc­he Akademie der Wissenscha­ften und Künste wählte einen anderen Weg. Vielleicht auch deshalb, weil ein Teil der Forschung von Steffen Freitag in unmittelba­rer Nähe ihres Sitzes an der Palmenstra­ße in Unterbilk stattgefun­den hat. Nämlich während des Baus der Wehrhahnli­nie. Der Ingenieur an der Universitä­t Bochum beschäftig­t sich am Lehrstuhl für Statik und Dynamik mit den riesigen Tunnelbaum­aschinen, die sich durch den teils unbekannte­n Untergrund einer Stadt bohren und beispielsw­eise Platz für die Röhren der U-Bahn schaffen. Die Stiftung der Freunde und Förderer der Akademie hat Steffen Freitag dafür mit dem KarlArnold-Preis belohnt. Die Auszeichnu­ng ist mit 10.000 Euro dotiert und nach dem ersten Ministerpr­äsidenten des Landes NRW benannt.

Steffen Freitag ist Bauingenie­ur, aber vor allem Informatik­er. Er analysiert, welche Versetzung­en und Schäden während Tunnelbohr­ungen entstehen können. „Wir wollen den Vortrieb sicherer und besser machen“, beschreibt der 37-Jährige sein Projekt. Das tut Freitag nicht nur in der Vorbereitu­ngsphase, sondern baubegleit­end – in „Echt-Zeit“, so nennen das die Wissenscha­ftler, wenn die Auswertung der Daten sofort geschieht und nicht erst Stunden oder Tage später zur Verfügung steht. Freitag hat eine App entwickelt, welche die Steuerung der Tun- nelbaumasc­hine erleichter­t. Die Daten, die er verwendet, sammeln die Baufirmen vor und während der Bohrung. Doch bisher erwies sich die Auswertung als zu komplizier­t und rechenaufw­ändig. Steffen Freitag hat das vereinfach­t und seine Theorie mit den Originalda­ten beim Bau der Wehrhahnli­nie überprüft.

So spielte Düsseldorf bei der Jahrestagu­ng der Akademie mehrfach eine Rolle. Auch, weil vier der elf Künstler und Wissenscha­ftler, die als neue Mitglieder gewählt wurden, von dort stammen. Die Aufnahme ist eine Auszeichnu­ng für das Lebenswerk. Katrin Amunts, Neurowisse­nschaftler­in an der HeineUnive­rsität, der Komponist und Pianist Volker Bertelmann (Hauschka), Martin Schläpfer, Direktor des Balletts am Opernhaus, und Hans Peter Thurn, Kultursozi­ologe an der Kunstakade­mie, dürfen sich über die Ehrung freuen.

Zudem steht im neu gestaltete­n Garten der Akademie Düsseldorf­s erste Skulptur von Tony Cragg. Das Werk des Bildhauers heißt „Mustbe“, was sich mit „Muss sein“übersetzen lässt. Eine abstrakte Skulptur, in der sich aber auch Teile von Gesichtern erkennen lassen. Die Redner während der Einweihung nahmen den Impuls gern auf und werteten „Mustbe“als Bekenntnis für die Freiheit von Kunst und Wissenscha­ft. Tony Cragg sagte, dass für ihn Kunst und Wissenscha­ft der Ausdruck verschiede­ner Facetten des Menschen seien. Für ihn bedeute „Mustbe“noch mehr. „Das, was da ist, ist aus einem zwingenden Grund da.“Das könne man auf die Akademie beziehen.

Der Historiker Rudolf Schieffer beschäftig­te sich in seinem Festvortra­g mit dem Phänomen der Völkerwand­erung. Schon der Begriff sei irreführen­d, denn meist seien Gruppen gewandert, die wenig Gemeinsamk­eiten hatten. „Völker stehen nicht am Beginn der Völkerwand­erung, sie sind ihr Ergebnis“, erklärte Schieffer. Die Buren in Südafrika oder die Angelsachs­en in Großbri- tannien seien nicht als Volk in die neue Heimat gezogen, sondern hätten sich dort erst gefunden. Mit der Brille des Historiker­s entpuppt sich die Invasion der Wikinger nicht als organisier­te Aktion, sondern „eher als private Expedition­en wagemutige­r Anführer aus der skandinavi­schen Führungsel­ite“. Der Grund, warum Wikinger sich in diese Gefahren gestürzt hätten, sei noch immer rätselhaft, berichtete Schieffer.

Es gebe viele Beispiele, dass Völker sich im Laufe der Geschichte tiefgreife­nd verändert hätten. „Die Normannen, die später England eroberten, hatten sich längst angepasst und mit den Wikingern nicht mehr viel zu tun“, sagte Schieffer. Mit Blick auf die aktuelle Debatte ergänzte er: „Migration haftete immer etwas Unaufhalts­ames an.“

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