Alle Vögel sind nicht mehr da
Bei der Nabu-Aktion „Stunde der Gartenvögel“zeichnet sich ab, dass die Zahl der Tiere abnimmt. Einige Populationen haben sich aber erholt.
DÜSSELDORF In vielen Gärten zwitschert es nicht mehr wie gewohnt – Naturschützer beschwören das Bild vom stummen Frühling herauf. „Auf den Äckern ist es schon still geworden“, sagt Birgit Königs vom Naturschutzbund (Nabu) NRW. Nach Erhebungen der Bundesregierung ist die Zahl der Vögel in landwirtschaftlichen Gebieten von 1980 bis 2010 um 300 Millionen oder 57 Prozent zurückgegangen. Aber auch in den Städten verschwinden die gefiederten Freunde allmählich. Bei der diesjährigen Nabu-Zählung „Stunde der Gartenvögel“vom Wochenende (gezählt wird am Samstag und Sonntag) verzeichnen die meisten Arten ein Minus im Vergleich zum Vorjahr, bei der Schwanzmeise ist der Bestand bundesweit um mehr als 35 Prozent geschrumpft. Ein Ausreißer nach oben ist der Mauersegler, der sich nach schwierigen Jahren mit einem Plus von 25 Prozent zu erholen scheint.
Zwar können bis zum 22. Mai Ergebnisse gemeldet werden, Trends lassen sich aber bereits jetzt erkennen. So stehen neben den Meisen auch fast alle Finkenvögel deutlich im Minus. Dies könne laut Königs mit einem schlechten Bruterfolg im Vorjahr zu tun haben oder mit Krankheiten. So nehmen Finken durch verschmutztes Trinkwasser häufig Trichomonaden auf, Parasiten, an denen die Tiere verenden. „Dazu kommt, dass die Vögel im Frühjahr nicht mehr so viel Nahrung finden, weil die Zahl der Insekten stark zurückgegangen ist“, sagt Königs. So gebe es etwa deutlich weniger Frostspannerraupen. Vögel brauchen aber besonders eiweißreiche Nahrung, um ihre Brut zu füttern. Kommt dann nasskaltes Wetter hinzu, sinken die Überlebenschancen für die Jungtiere deutlich. Ganz einfach werde die Ursachenforschung jedoch nicht, sagt Königs. Denn bei den erst seit zehn Jahren erhobenen Zahlen, die auf Sichtungen von Privatleuten beruhen, müsse man auch normale Bestandsschwankungen unter den Arten berücksichtigen. Um diese auszuschließen, sei der Zeitraum zu kurz. Außerdem werde bei gutem Wetter mehr gezählt, auch das beeinflusse das Ergebnis.
Relativ unstrittig ist laut Königs jedoch der Einfluss der intensiven Landwirtschaft auf dort brütende und lebende Vögel. In einer Antwort auf eine kleine Anfrage der Grünen hat die Bundesregierung dazu vor kurzem beunruhigende Daten veröffentlicht. Demnach sind die Bestände der Kiebitze von 1990 bis 2015 um 80 Prozent, der Braunkehlchen um 63 Prozent, der Uferschnepfen um 61 Prozent, der Feldlerchen um 35 Prozent und der Rebhühner um 84 Prozent geschrumpft. „Nach allen Rückmeldungen auch aus den verschiedenen Landesteilen Nordrhein-Westfalens bahnt sich hier eine Katastrophe ungeahnten Ausmaßes an“, sagt Heinz Kowalski, stellvertretender Nabu-Landesvorsitzender. Ursächlich für den dramatischen Rückgang seien der Einsatz von Pestiziden und Insektiziden sowie die kontinuierliche Zerstörung des Lebensraums der Tiere. Laut Königs könnten viele der betroffenen Arten auch nicht in die Randbereiche der Städte ausweichen. „Geht das so weiter, droht ein Artensterben.“
Im Vergleich dazu geht es den Gartenvögeln noch gut. Zwar steht unterm Strich ein Minus von fünf bis sechs Prozent gegenüber dem Vorjahr, einige Problemkandidaten wie der Mauersegler oder die Rauchschwalbe wurden aber deutlich häufiger gesichtet als 2016. Möglicherweise, weil das Nahrungsangebot im Winterquartier gut war – genau lasse sich das nicht sagen. Denn eigentlich leiden etwa Mauersegler hierzulande unter dem Mangel an geeigneten Nistplätzen. Auch Krähen wurden mehr gezählt – laut Königs sei das aber ein lokales Phänomen, weil es örtlich große Kolonien der Vögel gebe. Bis gestern Nachmittag übermittelten bundesweit bereits 34.000 Vogelfreunde aus 23.000 Gärten mehr als 800.000 Sichtungen. In der Rangliste führt der Haussperling vor Amsel, Kohlmeise, Star und Blaumeise.
Wie können Gartenbesitzer dazu beitragen, den Vogelschwund aufzuhalten? „Indem sie den Tieren Rückzugsmöglichkeiten in Form von Hecken anbieten“, sagt Königs. Zudem sollte darauf verzichtet werden, Pestizide einzusetzen. Nistkästen helfen Mauerseglern, deren Nester häufig bei Haussanierungen verschwinden. Wer Vögel füttert, muss laut Königs auf Hygiene achten. Vogeltränken sollten mindestens einmal täglich, an heißen Tagen mehrfach geleert und gereinigt werden. Sonst sei die Gefahr groß, einen Verbreitungsherd für Vogelkrankheiten zu schaffen. Auch offene Futterhäuschen sind nicht ideal, weil der Boden feucht werden kann und die Tiere im Futter herumlaufen und damit Keime verbreiten können. Im Sommer sollte man sich laut Königs möglichst mit dem Füttern zurückhalten. „Man hilft damit ohnehin nicht der Art, sondern nur lokal dem einzelnen Vogel.“