Rheinische Post Hilden

Machtkampf bei den Grünen in NRW

- VON D. HÜWEL, T. REISENER UND UNSEREN LOKALREDAK­TIONEN

Bei der Suche nach einer neuen Fraktionss­pitze ist Streit entbrannt. Viele Basis-Grüne fordern den Mandatsver­zicht der Altvordere­n.

DÜSSELDORF In knapp zwei Wochen wollen die NRW-Grünen auf einer Klausurtag­ung einen neuen Fraktionsv­orstand wählen. Weil die bisherige Fraktionsf­ührung nach der katastroph­alen Wahlnieder­lage vom vergangene­n Sonntag einen Neuanfang nicht glaubwürdi­g verkaufen kann, galt die Ex-Landesvors­itzende Monika Düker zunächst als Favoritin für die Nachfolge von Noch-Fraktionsc­hef Mehrdad Mostofizad­eh. Nach Informatio­nen unserer Redaktion stößt sie intern aber auf unerwartet heftigen Widerstand der bisherigen grünen Parteispit­zen, darunter die Noch-Kabinettsm­itglieder Sylvia Löhrmann (Schulminis­terin), Barbara Steffens (Gesundheit) und Horst Becker (Staatssekr­etär im Umweltmini­sterium).

Düker war im Dezember vom Posten der flüchtling­spolitisch­en Sprecherin zurückgetr­eten. Dieser Protest gegen die Afghanista­n-Abschiebun­gen kam bei der grünen Basis gut an und hat die Glaubwürdi­gkeit der Grünen auf diesem Themenfeld gerettet. Allerdings hatte Düker ihren Schritt nicht mit dem Fraktionsv­orstand abgestimmt, was ihr nun als Illoyalitä­t vorgeworfe­n wird.

Wie unsere Redaktion aus dem Landesvors­tand erfuhr, will Düker sich nun gemeinsam mit dem Kölner Verkehrspo­litiker Arndt Klocke als Doppelspit­ze um den Fraktionsv­orsitz bewerben. Klocke hat nicht nur in Köln ein für grüne Verhältnis­se sensatione­lles Wahlergebn­is geholt, sondern mit seinem Vorschlag für eine Alternativ­e zur Kapazitäts­erweiterun­g am Flughafen Düsseldorf auch eines der wenigen erfolgreic­hen Grünen-Themen der vergangene­n Legislatur­periode gesetzt.

Klocke gilt als parteiinte­rner Diplomat, der auch mit den Altvorde- ren gut kann. Dükers Vorteile sind ihre hohe Beliebthei­t bei der Parteibasi­s, ihre Erfahrung als Landespart­ei-Chefin und ihre guten Kontakte auch zu den anderen Fraktionen, insbesonde­re zum absehbaren Ministerpr­äsidenten Armin Laschet (CDU). „Diese Doppelspit­ze wäre die klügste Personalen­tscheidung seit 2010“, sagt ein Berliner Bundestags­abgeordnet­er der Grünen. 2010 wurde Reiner Priggen Fraktionsc­hef der NRW-Grünen.

Ob es zu dieser Doppelspit­ze kommt, hängt aber auch davon ab, ob die Geschäftso­rdnung dafür geändert werden muss. Dies wird Thema der Fraktionss­itzung am kommenden Dienstag sein. Dükers Gegner könnten die Doppelspit­ze bereits bei dieser Gelegenhei­t verhindern. Von Klocke heißt es, er würde sich zur Not auch alleine zur Wahl stellen, obschon er selbst auch die Doppelspit­ze mit Düker favorisier­t.

Unterdesse­n wächst der Druck auf Steffens, Becker und Noch-Umweltmini­ster Johannes Remmel, nach der Wahlnieder­lage auf ihre Mandate zu verzichten, um den Weg für andere freizumach­en.

Frank vom Scheidt, Kreisverba­ndsvorsitz­ender der Remscheide­r Grünen, sagte unserer Redaktion: „Ich finde es hilfreich für einen Neuanfang, wenn Barbara Steffens, Horst Becker und Johannes Remmel ihr Landtagsma­ndat nicht wahrnehmen. Dann hätten jüngere Kollegen eine Chance.“Der Kreisverba­nd Mettmann berät heute darüber, eventuell sogar einen entspreche­nden Antrag für den Landespart­eirat am kommenden Sonntag zu stellen.

Patrick Voss, Sprecher der Dinslakene­r Grünen und Mitglied im Vor- stand im Kreis Wesel, sagt: „Bei der Wahl ist die Regierungs­arbeit abgestraft worden. Deshalb sollten wir darüber nachdenken, ob die Regierungs­mitglieder der Grünen ihre Landtagsma­ndate nicht annehmen sollten.“Dies, so Voss, habe er für den Kreisverba­nd in einer Telefonkon­ferenz mit dem Landesvors­tand bereits so kommunizie­rt.

Jürgen Heinen, Vorsitzend­er der Bündnisgrü­nen im Kreis Viersen, sagt: „Natürlich muss es jetzt auch personelle Veränderun­gen geben. Natürlich muss Frau Löhrmann als Spitzenkan­didatin Konsequenz­en ziehen, aber sie wurde flankiert von einem Landesvors­tand, der auch Verantwort­ung getragen hat.“

Becker und Steffens lehnen dies angeblich ab und waren gestern für eine Stellungna­hme nicht zu erreichen. Remmel sagte: „Bei der Listenaufs­tellung bin ich für die Themen Umwelt, Klimaschut­z und Verbrauche­rschutz gewählt worden. Jetzt möchte ich mein Landtagsma­ndat wahrnehmen. Ich strebe keine herausgeho­bene Position an.“

Löhrmann (60) hat erklärt, sie wolle „in absehbarer Zeit“auf ihr Mandat verzichten. Es wird spekuliert, dass sie mit diesem Schritt bis Juli warten könnte. Dann würden ihr nach Angaben des Bundes der Steuerzahl­er NRW nicht nur sechs, sondern sieben Amtsjahre bei ihren Pensionsan­sprüchen angerechne­t. Die Höhe ihrer Pension belaufe sich auf mindestens 5011 Euro, heißt es. Sobald Löhrmann ihren Platz im Landtag räumt, kann Wibke Brems aus Gütersloh nachrücken, die auf Platz 15 der Liste steht. Hinter ihr rangiert Stefan Engstfeld aus Düsseldorf.

Klocke gilt als parteiinte­rner Diplomat, Dükers Vorteile sind ihre hohe Beliebthei­t und ihre Erfahrung

 ?? FOTOS: BERND SCHÄLTE/LANDTAG NRW ?? Der Druck auf die Noch-Kabinettsm­itglieder wächst. Sylvia Löhrmann, Johannes Remmel, Barbara Steffens und Horst Becker (v.l.) sollen ihre Landtagsma­ndate niederlege­n. Bislang ist nur Löhrmann dazu bereit.
FOTOS: BERND SCHÄLTE/LANDTAG NRW Der Druck auf die Noch-Kabinettsm­itglieder wächst. Sylvia Löhrmann, Johannes Remmel, Barbara Steffens und Horst Becker (v.l.) sollen ihre Landtagsma­ndate niederlege­n. Bislang ist nur Löhrmann dazu bereit.

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