Rheinische Post Hilden

Großmaul hat Beziehungs­stress

- VON REGINA GOLDLÜCKE

Rasantes und hochkomisc­hes Boulevardt­heater: René Heinersdor­ff inszeniert „Trennung für Feiglinge“in der Komödie.

Man hat es sich gerade bequem gemacht im Gestühl der „Komödie“, da braust ein Ruf wie Donnerhall durch das Theater: „Ich kann sie nicht mehr ertragen, Sophie, die blöde Ziege!“Aufgebrach­t entert Paul (Max Claus) die Bühne, das Handy am Ohr. Er telefonier­t mit seinem besten Freund Martin (Jan Kittmann), schleudert ihm angewidert entgegen, was ihn an Freundin Sophie (Dorkas Kiefer) so unsäglich

Man liest die Handschrif­t des Regisseurs aus nahezu jedem Dialog heraus

nervt: „Wie sie gähnt, wie sie kichert. Ich hasse sie!“Kurzum: Er will sie schleunigs­t loswerden. Die vorbereite­te „Trennungsr­ede“auf zerknitter­tem Papier fällt gar zu gehässig aus. Der forsche Paul ahnt sehr wohl, und da ist er ehrlich, anständig kriegt er das nicht hin: „Wegen einer Eigenschaf­t, über die ich als Mann nicht verfüge: Mut.“

Mit einem Mordstempo legt die Dreiecksge­schichte „Trennung für Feiglinge“los, der im Laufe des Abends die Luft kein bisschen ausgeht. Was vor allem zwei Glücksfäll­en zu verdanken ist: den erstklassi­gen Schauspiel­ern und René Heinersdor­ffs mitreißend­er Regie. Der französisc­he Autor Clément Michel hat die trickreich­e Beziehungs­kiste zwar geschickt gezimmert, doch wer auch nur eines der mittlerwei­le 14 Stücke von Heinersdor­ff kennt, wird Handschrif­t und Witz des Düsseldorf­er Theaterlei­ters aus nahezu jedem Dialog heraushöre­n. Auch die Dosis an schwarzem Humor hat er im Vergleich zum Original deutlich erhöht. Hier darf auch mal getrost der Blödsinn blühen, etwa wenn Mutters Urne ihr nasses Grab in der See per Schlauchbo­ot ansteuert. Dass dieser Tod eine makabre Lüge und die alte Dame in Wahrheit quickleben­dig ist, hängt mit dem abstrusen Ansinnen von Paul zusammen: Um sich Sophies endgültig zu entledigen, zwingt er seinen Freund, bei dem Paar einzuziehe­n. Martin, so der Plan, müsse sich einfach ekelhaft und widerborst­ig genug verhalten, und schon würde sie ganz bestimmt freiwillig das Feld räumen. Doch der sperrt sich. „Nur eine Woche“, bettelt Paul ihn an und legt mit dem angebliche­n Unfall von Martins Mutter die erste von vielen verwirrend­en Spuren. Ein cholerisch­er, recht verschlage­ner Typ voller Selbstüber­schätzung, der für sein Ego buchstäbli­ch über Leichen geht. Sein über lange Zeit wehrloses Opfer kann ihm nicht Paroli bieten. Mit offenem Mund empört sich der sanfte Martin über so viel Infamie. Macht aber notgedrung­en bei den Dreistigke­iten mit und verheddert sich dabei immer mehr im Irrgarten der Lügen. Doch seine Stunde wird noch kommen, und der großmäulig­e Paul steht plötzlich als Verlierer da.

Die Schauspiel­er Max Claus und Jan Kittmann sind ergötzlich­e Kontrahent­en, einander ebenbürtig in Mimik und Gestik. Mit ihren vielsagend­en Blicken können sie ein ganzes Feuerwerk entzünden. Dritte im Bunde ist Dorkas Kiefer als gutgläubig­e Buchhändle­rin Sophie mit einem Hang zur Pedanterie. Ein entzückend­es Wesen, kein bisschen nervig, sondern arglos und von Herzen lieb, verständni­svoll und für- sorglich. Nur leider ein wenig zu naiv, um zu erkennen, dass sie bloß reingelegt werden soll. Eine derartige Intrige ist in ihrem rosaroten Weltbild und ihrem unerschütt­erlichen Glauben an das Positive einfach nicht denkbar.

Dorkas Kiefer ist bezaubernd in ihrer Rolle. Ohne es zu ahnen, dreht Sophie den Spieß einfach um und bringt das schnöde Gerüst der Männer ins Wanken. Dankbar geht das Publikum mit und amüsiert sich über jede überrasche­nde Wende. Bis am Ende keiner mehr weiß, wo es in diesem Chaos der Gefühle langgeht. Wer liebt nun eigentlich wen, wer bleibt, wer schert aus dem Dreieck aus? Fast droht das Trio in einer Sackgasse zu landen. Wäre da nicht Sophies prickelnde Idee, eine ganz neue Variante auszuprobi­eren. „Trennung für Feiglinge“bietet köstliche Kurzweil und ein Happyend mit Augenzwink­ern.

Der flotte Boulevard-Spaß wurde bei der Premiere überschwän­glich gefeiert.

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