Rheinische Post Hilden

Gott ist ein Gott, der uns sieht

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Du bist ein Gott, der mich sieht“(1.Mose 16,13) Dieses kurze Gebet spricht Hagar, die Magd Sarahs und Abrahams, nachdem Gott durch seinen Engel zu ihr geredet hatte. Sie war schwanger, erwartete ein Kind von Abraham. Dieser war verzweifel­t. Gott hatte ihm Nachkommen­schaft versproche­n, aber seine Frau Sarah wurde einfach nicht schwanger. Sozusagen um Gott auf die Sprünge zu helfen, schlief er mit der Magd seiner Frau, mit Hagar. Beide Frauen waren einverstan­den damit. Der Erfolg stellte sich ein, Hagar wurde schwanger, was wiederum den Neid der „Chefin“Sarah nach sich zog. Sie schickte Hagar in die Wüste, doch Gott sah ihre Not, holte sie ein und schickte sie zurück. Später brachte sie Ismael zur Welt, der auch Stammvater eines großen Wüstenvolk­es werden sollte.

Verstoßen, hinausgewo­rfen, abgesonder­t, in die Wüste geschickt, zum Spielball der Eifersucht geworden – das war nicht nur das Schicksal Hagars. Dieses teilt sie mit vielen Menschen. Wir kennen das alle, wie es ist, wenn wir uns hinausgedr­ängt fühlen aus den sozialen Bindungen in Familie, Beruf oder Gemeinde. Allein auf uns geworfen, so empfinden wir uns. Die äußere Leere, die wir dann spüren, wird schnell zur inneren Leere. Wir sind gleichsam unsichtbar: Mich nimmt keiner mehr wahr, keiner liebt mich. Wer oder was bin ich denn noch? Die wunderbare Botschaft der Erzählung aus dem ersten Buch Mose, Kapitel 16, Vers 13, ist, dass Gott Hagar darin nicht allein lässt.

Die Kirchentag­slosung 2017 reduziert diese Botschaft auf drei Worte: „Du siehst mich.“Gerade dort, wo wir uns am weitesten von Gott entfernt wähnen, da ist er mit seinem fürsorgend­en Blick ganz nah bei uns. Gott ist ein Gott, der uns sieht.

Hagar und Ismael bekommen eine neue Perspektiv­e von Gott zugesagt. Sein Blick eröffnet ihnen einen neuen Blick auf ihr Leben. Gott meint es gut mit seinen Menschen. Manchmal spüren wir das erst, wenn es uns gar nicht gut geht. So war es auch bei Hagar.

„Du siehst mich!“Das ist auch eine gute Losung für das Jahr, in dem wir das 500jährige Jubiläum der Reformatio­n feiern.

Damals hat ein an sich selbst und Gott verzweifel­nder Mönch entdeckt, wie befreiend es ist, Wertschätz­ung bei Gott zu genießen.

Und das hat nicht nur das Leben von Martin Luther radikal verändert, sondern die Welt auch. Seine Bibelübers­etzung und sein Katechismu­s haben den Menschen geholfen, ihren Glauben eigenveran­twortlich zu leben und sich von klerikaler Bevormundu­ng zu befreien. Seine Ermutigung, das eigene Gewissen durch selbststän­dige Bibellektü­re zu schärfen, hat den Wert der Gewissensf­reiheit und so den Weg in die Neuzeit mit bereitet. Seine theologisc­hen Erkenntnis­se haben die Kirche reformiert und laden auch heute dazu ein, die Fragen, Erfahrunge­n und das Lebensgefü­hl heutiger Menschen für eine zeitgemäße Glaubensge­stalt des Christentu­ms ernst zu nehmen.

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