Rheinische Post Hilden

Wie NRW digitaler werden könnte

- VON FLORIAN RINKE

Eine schwarz-gelbe Regierung will die Digitalisi­erung vorantreib­en. Vorschläge, was gemacht werden sollte, gibt es viele.

DÜSSELDORF Wenn Ulrich Braukmann über die Digitalisi­erung spricht, klingt das ein bisschen nach Unwetterwa­rnung. Wie ein Sturm fege der Megatrend Digitalisi­erung über das Land, warnt der Direktor des Instituts für Gründungs- und Innovation­sforschung an der Bergischen Universitä­t Wuppertal: „Anstatt Sturmschäd­en aufzuliste­n, darf von NRW erwartet werden, dass sich das Land der Herausford­erung nicht nur sichtbar und mutig stellt. Vielmehr kann und sollte NRW einen ,eigenen’ Weg der Silicon-Valleyisie­rung gehen.“

Braukmann hat das Auflisten von Sturmschäd­en in den vergangene­n Jahren aktiv begleitet. Er war Mitglied im Beirat „Digitale Wirtschaft“von Wirtschaft­sminister Garrelt Duin (SPD), dank dem das Haus NRW zumindest angefangen hat, sich wetterfest zu machen. Für die künftige Landesregi­erung geht es nun darum, das gesamte Gebäude wetterfest zu machen. Die Frage ist: Wie könnte dieser Weg zu einem NRW-Silicon-Valley aussehen?

Darüber werden Dienstag und Donnerstag je fünf Vertreter von CDU und FDP bei den Koalitions­verhandlun­gen diskutiere­n. Für die CDU wird der Düsseldorf­er Bundestags­abgeordnet­e Thomas Jarzombek in der Unterarbei­tsgruppe „Digitales“federführe­nd verhandeln, bei der FDP kommt diese Aufgabe dem Wuppertale­r Landtagsab­geordneten Marcel Hafke zu.

Beide sind optimistis­ch, dass man sich relativ schnell einig werden wird – auch weil man heikle Punkte ausklammer­t. „Wir sollen in unserer Arbeitsgru­ppe über die Inhalte sprechen, nicht über die Organisati­on“, sagt Thomas Jarzombek. Heißt: Die Entscheidu­ng, wie die digitale Transforma­tion von Wirtschaft und Gesellscha­ft in der Regierung organisier­t werden soll, bleibt am Ende den Parteichef­s Armin Laschet (CDU) und Christian Lindner (FDP) vorbehalte­n.

Schwerpunk­te sollen jedenfalls der Ausbau von schnellem Internet, digitale Bildung und eine digitale Verwaltung sein. „Die Breitband-Versorgung hat für uns Priorität. Alle Förderprog­ramme sollen so ausgericht­et werden, dass Glasfaser bevorzugt wird“, sagt Marcel Hafke.

Schon unter der aktuellen rotgrünen Regierung gab es einige Initiative­n und Ideen zur Digitalisi­erung, eine ressortübe­rgreifende Gesamtstra­tegie fehlte allerdings. Lediglich Wirtschaft­sminister Garrelt Duin (SPD) hatte von dem von ihm berufenen Beirat „Digitale Wirtschaft“eine Strategie erarbeiten lassen. In der Wirtschaft, die sonst hart mit der Landesregi­erung ins Gericht gegangen ist, genießt er nicht nur deswegen hohes Ansehen. Auch in der Digitalsze­ne lobt man die Arbeit des Ministers, insbesonde­re die

Gründung des Beirats „Digitale Wirtschaft“. „Hier ist die Einbindung externer Expertise gut gelungen“, heißt es beim Bundesverb­and Digitale Wirtschaft. Und Harald Summer, Geschäftsf­ührer des Eco-Verbands der Internetwi­rtschaft, sagt: „Mit der Gründung der Digital Hubs und der Benennung eines NRW-Beauftragt­en für den Digitalen Wandel in NRW ist viel geschehen, hier brauchen wir Kontinuitä­t.“Die Digital-Hubs sind besonders geförderte Regionen, in denen Mittelstan­d, Start-ups, Hochschule­n und Wirtschaft zusammen an neuen, digitalen Lösungen arbeiten. In der CDU heißt es, man wolle die Arbeit der sechs digitalen Hubs erst einmal weiterführ­en, sie evaluieren und dann

entscheide­n, wie man weiter verfährt. Gleichzeit­ig wollen die Parteien eigene Akzente setzen. „Es gibt doch eine Menge Hebel, die so ein Land hat“, sagt Jarzombek. So wollen sich beide für mehr frei zugänglich­e staatliche, beziehungs­weise kommunale Daten einsetzen, so dass Start-ups leichter damit arbeiten können. Auch die Digitalisi­erung der Verwaltung steht auf der Agenda.

FDP-Chef Christian Lindner kündigte im Gespräch mit unserer Redaktion an, dass in zehn Jahren das digitale Bürgeramt in NRW umgesetzt werden könnte. Die CDU will mehr Smartphone­s und Tablets im Unterricht. „Wir wollen, dass Schüler noch viel stärker ihre eigenen Geräte in der Schule nutzen können, es aber gleichzeit­ig ein Gerätemana­gement gibt, so dass der Lehrer im W-Lan alle anderen Funktionen per Knopfdruck abschalten kann“, heißt es in Parteikrei­sen.

Experten halten auch die Gründung eines Digitalins­tituts für sinnvoll. Das Konzept war in Duins Beirat entstanden und könnte nun weiter ausgestalt­et werden. „Die kommende Regierung sollte ebenfalls daran arbeiten, NRW zu einem interessan­ten Standort für Rechenzent­ren zu entwickeln – dort werden die Arbeitsplä­tze der Zukunft entstehen“, sagt Harald Summer vom Eco-Verband. Auch die Einführung eines Fachs „Digitalkun­de“halten einige für sinnvoll. Die rot-grüne Landesregi­erung hatte einen Modellvers­uch „Informatik an Grundschul­en“gestartet. Nach einem eigenen Digitalmin­isterium sieht es bisher nicht aus. Nach Angaben aus Parteikrei­sen liebäugelt Lindner mit einem Beauftragt­en im Wirtschaft­sministeri­um, der aufgewerte­t werden könnte. Auch solle der Begriff im Titel des Ressorts auftauchen. CDU-Chef Laschet kann sich einen Staatssekr­etär direkt in der Staatskanz­lei vorstellen. Welches Modell die Parteien wählen – aus Ulrich Braukmanns Sicht ist vor allem wichtig: „Dass sich alle Ministerie­n einbringen können und das Thema zugleich von allen als gemeinsame Aufgabe ernst genommen wird.“

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FOTO: THINKSTOCK Ein modernes Glasfaserk­abel.

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