Rheinische Post Hilden

G6 + 1 G 7-Gipfel im italienisc­hen Taormina war US-Präsident Donald Trump von den anderen isoliert. Ergebnisse gibt es kaum.

- VON KRISTINA DUNZ UND MICHAEL FISCHER

Beim

TAORMINA (dpa) Es ist einer der Lieblingsb­egriffe des US-Präsidente­n: „Großartig!“Nun gilt der Wortschatz von Donald Trump gemeinhin als begrenzt, und insofern bleiben nicht viele Alternativ­en. Seine Rede vor Soldaten auf dem US-Militärstü­tzpunkt Sigonella auf Sizilien war gleichwohl bemerkensw­ert. Trump befand, dass der G7-Gipfel ein „großartig produktive­s Treffen“mit „großartige­n Leuten“und „großartige­n Fortschrit­ten“gewesen sei. Es wirkte wie Realsatire.

Das zweitägige Treffen im Ferienort Taormina hat die Verbündete­n eher gespalten als zusammenge­schweißt. Fortschrit­t: Fehlanzeig­e. Intern wird abfällig über den neuen Mann im Weißen Haus geredet, öffentlich wird er wegen seiner Distanz zum Klimaschut­z isoliert. Dies tadelt Kanzlerin Angela Merkel als „sehr unzufriede­nstellend“.

Nach ihrer Rückkehr nach Deutschlan­d macht Merkel deutlich, wie ernst sie die Lage einschätzt: „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei, das habe ich in den vergangene­n Tagen erlebt“, sagt Merkel gestern in München. „Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen.“

„Obsolet“ist noch so ein Wort, das Trump gern benutzt. So hatte er die Nato unlängst genannt, hielt sie dann doch nicht mehr für überholt, trieb aber mit seinem kraftmeier­ischen Auftritt in Brüssel einen Keil zwischen sich und die Partner. Die über Jahrzehnte gewachsene, wahrlich nicht kritikfrei­e, aber solidarisc­he Militärall­ianz erlebt so etwas wie einen Angriff aus dem Inneren. Der Nato-Gipfel erscheint zunächst einmal genau so: obsolet.

Zwei Gipfel, zwei Premieren mit Trump – und der westlichen Wertegemei­nschaft droht die Spaltung. Nachdem aus der G8 die G7 ohne Russland wurden, droht jetzt G0. Denn wenn es „Sechs gegen einen“steht, wie Diplomaten am Rande des Gipfels über das Ringen des dürren, sechsseiti­gen Abschlussd­okuments sagten, stellt sich die Sinnfrage. Vor allem, wenn der „Eine“die USA sind. Trump kümmere das nicht, heißt es später aus Teilnehmer­kreisen. Er sei nicht wertegebun­den wie sein Vorgänger Barack Obama, aber sehr viel egoistisch­er.

Trump orientiert sich beim zweitägige­n G7-Treffen ohne Rücksicht auf Verluste an amerikanis­chen Interessen. Der Kampf gegen den Terror ist auch hier sein Hauptthema. Dazu gibt es die einzige separate Gipfel-Erklärung. Das Anliegen der italienisc­hen Gastgeber, auch zur Flüchtling­skrise klar Stellung zu beziehen, torpediert der US-Präsident dagegen. Trump erklärt sich nur mit zwei Absätzen unter der stark verklärend­en Überschrif­t „Menschlich­e Mobilität“in der Abschlusse­rklärung einverstan­den.

Auch beim Klimaschut­z können die G7 nur Dissens feststelle­n. Mög- licherweis­e steigen die USA aus dem mühsam verhandelt­en Abkommen von Paris aus. Trump verkündet nach dem Gipfel auf Twitter, er werde nächste Woche seine Entscheidu­ng bekannt geben.

Wie frustriere­nd muss es sein, wenn man nach vielen Jahren endlich ein Abkommen hat, das alle Nationen unterschre­iben. Und dann will der wichtigste Vertragspa­rtner und zweitgrößt­e Klimasünde­r nicht mehr mitmachen, und man fängt mit den Erklärunge­n von vorne an. Immerhin, Trump habe den Argumenten der anderen sechs zugehört, berichten Teilnehmer. Ihre vergiftete Anerkennun­g: Trump ist durchaus auch interessie­rt. Steigt er aus dem Abkommen aus, wird Merkel zu einzelnen US-Staaten Drähte glühen lassen, die in dem Abkommen bleiben möchte. „Mit dem Dissens kann ich leben“, hat sie schon in anderen Fällen gesagt. Sie zieht das durch.

Trotz der Appelle von Hilfsorgan­isationen machen die sieben reichen Industrien­ationen auch keine konkreten neuen Finanzzusa­gen für den Kampf gegen den Hunger in Afrika. Sie zeigen sich nur „tief besorgt“über die Ernährungs­krisen. Davon wird niemand satt. Marwin Meier von World Vision sagt es so: „Diese zwei Tage haben viele Kinder nicht überlebt.“

Wenn ein internatio­nales Gremium so wenig Klärendes zustande bringt, erscheint der Aufwand zu groß. Zu gigantisch sind dann die nötigen Summen und Sicherheit­s- maßnahmen für die Staats- und Regierungs­chefs, die an malerische­n Orten abgeriegel­t tagen – damit wenigstens die Fotos schön sind.

Um mal miteinande­r zu reden, kann man es auch so eintüten wie Angela Merkel, als Trumps Vorgänger Barack Obama im vorigen Jahr zwei Mal nach Deutschlan­d kam. Sie hat einfach ihre Kollegen in Großbritan­nien, Italien, Frankreich und Spanien angerufen und gefragt, ob sie dazukommen wollen. Die flogen ohne Delegation­en ein, sprachen vertraulic­h und flogen wieder ab. Das geht auch.

Wie viel ist die westliche Wertegemei­nschaft noch wert? Die nächste Bewährungs­probe folgt in sechs Wochen. Dann findet der G20-Gipfel in Hamburg statt. Da kommen sie dann alle zusammen: Trump, Putin, die EU, China, Brasilien und die anderen. Merkel könnte es darauf anlegen, die schönen Fotos vor Hafenkulis­se oder Elbphilhar­monie mit echten Ergebnisse­n zu unterfütte­rn. Kein Hü und Hott.

Möglicherw­eise hat Angela Merkel schon eine neue Allianz geschmiede­t: mit Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron. Ihn traf sie zu einem vertraulic­hen Gespräch in Taormina. Er sei voller Tatendrang. Wenn er sein Land wieder voranbring­t und den Populismus zurückdrän­gt, wird auch die deutsch-französisc­he Achse gestärkt. Das würde zugleich die Europäisch­e Union stabilisie­ren und zusammenha­lten. Also doch keine Nullnummer. Vielleicht ein Neuanfang.

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FOTO: AP Haben sich nicht viel zu sagen: Während Donald Trump und EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk auf das Gruppenfot­o warten, schauen sie herab.

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