G6 + 1 G 7-Gipfel im italienischen Taormina war US-Präsident Donald Trump von den anderen isoliert. Ergebnisse gibt es kaum.
Beim
TAORMINA (dpa) Es ist einer der Lieblingsbegriffe des US-Präsidenten: „Großartig!“Nun gilt der Wortschatz von Donald Trump gemeinhin als begrenzt, und insofern bleiben nicht viele Alternativen. Seine Rede vor Soldaten auf dem US-Militärstützpunkt Sigonella auf Sizilien war gleichwohl bemerkenswert. Trump befand, dass der G7-Gipfel ein „großartig produktives Treffen“mit „großartigen Leuten“und „großartigen Fortschritten“gewesen sei. Es wirkte wie Realsatire.
Das zweitägige Treffen im Ferienort Taormina hat die Verbündeten eher gespalten als zusammengeschweißt. Fortschritt: Fehlanzeige. Intern wird abfällig über den neuen Mann im Weißen Haus geredet, öffentlich wird er wegen seiner Distanz zum Klimaschutz isoliert. Dies tadelt Kanzlerin Angela Merkel als „sehr unzufriedenstellend“.
Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland macht Merkel deutlich, wie ernst sie die Lage einschätzt: „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei, das habe ich in den vergangenen Tagen erlebt“, sagt Merkel gestern in München. „Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen.“
„Obsolet“ist noch so ein Wort, das Trump gern benutzt. So hatte er die Nato unlängst genannt, hielt sie dann doch nicht mehr für überholt, trieb aber mit seinem kraftmeierischen Auftritt in Brüssel einen Keil zwischen sich und die Partner. Die über Jahrzehnte gewachsene, wahrlich nicht kritikfreie, aber solidarische Militärallianz erlebt so etwas wie einen Angriff aus dem Inneren. Der Nato-Gipfel erscheint zunächst einmal genau so: obsolet.
Zwei Gipfel, zwei Premieren mit Trump – und der westlichen Wertegemeinschaft droht die Spaltung. Nachdem aus der G8 die G7 ohne Russland wurden, droht jetzt G0. Denn wenn es „Sechs gegen einen“steht, wie Diplomaten am Rande des Gipfels über das Ringen des dürren, sechsseitigen Abschlussdokuments sagten, stellt sich die Sinnfrage. Vor allem, wenn der „Eine“die USA sind. Trump kümmere das nicht, heißt es später aus Teilnehmerkreisen. Er sei nicht wertegebunden wie sein Vorgänger Barack Obama, aber sehr viel egoistischer.
Trump orientiert sich beim zweitägigen G7-Treffen ohne Rücksicht auf Verluste an amerikanischen Interessen. Der Kampf gegen den Terror ist auch hier sein Hauptthema. Dazu gibt es die einzige separate Gipfel-Erklärung. Das Anliegen der italienischen Gastgeber, auch zur Flüchtlingskrise klar Stellung zu beziehen, torpediert der US-Präsident dagegen. Trump erklärt sich nur mit zwei Absätzen unter der stark verklärenden Überschrift „Menschliche Mobilität“in der Abschlusserklärung einverstanden.
Auch beim Klimaschutz können die G7 nur Dissens feststellen. Mög- licherweise steigen die USA aus dem mühsam verhandelten Abkommen von Paris aus. Trump verkündet nach dem Gipfel auf Twitter, er werde nächste Woche seine Entscheidung bekannt geben.
Wie frustrierend muss es sein, wenn man nach vielen Jahren endlich ein Abkommen hat, das alle Nationen unterschreiben. Und dann will der wichtigste Vertragspartner und zweitgrößte Klimasünder nicht mehr mitmachen, und man fängt mit den Erklärungen von vorne an. Immerhin, Trump habe den Argumenten der anderen sechs zugehört, berichten Teilnehmer. Ihre vergiftete Anerkennung: Trump ist durchaus auch interessiert. Steigt er aus dem Abkommen aus, wird Merkel zu einzelnen US-Staaten Drähte glühen lassen, die in dem Abkommen bleiben möchte. „Mit dem Dissens kann ich leben“, hat sie schon in anderen Fällen gesagt. Sie zieht das durch.
Trotz der Appelle von Hilfsorganisationen machen die sieben reichen Industrienationen auch keine konkreten neuen Finanzzusagen für den Kampf gegen den Hunger in Afrika. Sie zeigen sich nur „tief besorgt“über die Ernährungskrisen. Davon wird niemand satt. Marwin Meier von World Vision sagt es so: „Diese zwei Tage haben viele Kinder nicht überlebt.“
Wenn ein internationales Gremium so wenig Klärendes zustande bringt, erscheint der Aufwand zu groß. Zu gigantisch sind dann die nötigen Summen und Sicherheits- maßnahmen für die Staats- und Regierungschefs, die an malerischen Orten abgeriegelt tagen – damit wenigstens die Fotos schön sind.
Um mal miteinander zu reden, kann man es auch so eintüten wie Angela Merkel, als Trumps Vorgänger Barack Obama im vorigen Jahr zwei Mal nach Deutschland kam. Sie hat einfach ihre Kollegen in Großbritannien, Italien, Frankreich und Spanien angerufen und gefragt, ob sie dazukommen wollen. Die flogen ohne Delegationen ein, sprachen vertraulich und flogen wieder ab. Das geht auch.
Wie viel ist die westliche Wertegemeinschaft noch wert? Die nächste Bewährungsprobe folgt in sechs Wochen. Dann findet der G20-Gipfel in Hamburg statt. Da kommen sie dann alle zusammen: Trump, Putin, die EU, China, Brasilien und die anderen. Merkel könnte es darauf anlegen, die schönen Fotos vor Hafenkulisse oder Elbphilharmonie mit echten Ergebnissen zu unterfüttern. Kein Hü und Hott.
Möglicherweise hat Angela Merkel schon eine neue Allianz geschmiedet: mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Ihn traf sie zu einem vertraulichen Gespräch in Taormina. Er sei voller Tatendrang. Wenn er sein Land wieder voranbringt und den Populismus zurückdrängt, wird auch die deutsch-französische Achse gestärkt. Das würde zugleich die Europäische Union stabilisieren und zusammenhalten. Also doch keine Nullnummer. Vielleicht ein Neuanfang.