Rheinische Post Hilden

Die Routine des Terrors

- VON MICHAEL BRÖCKER

Die Trauer nach dem Terror ist ernüchtern­d. Wieder gedenken wir der Opfer von Mördern, die den Tod dorthin tragen, wo das Leben blüht. In die Musikhalle­n, vor die Cafés und Shopping-Zentren, auf belebte Marktplätz­e. Wieder posten wir Solidaritä­tsadressen im Netz, appelliere­n an die Kraft der Vielen, die dem Hass der Wenigen überlegen ist. Wir lassen uns unseren Lebensstil nicht nehmen. Natürlich nicht. Wir lassen uns nicht gegen Muslime aufhetzen, weil wir sie nicht mit radikalen Islamisten gleichsetz­en. Die Blutspur des Islamismus trifft weltweit ja vor allem Muslime, an Europas Tatorten waren Staatsbürg­er Dutzender Nationen betroffen. Soll Nationalis­mus die Antwort sein? Nein, der Kulturkamp­f fällt aus.

Können wir trotzdem reagieren? Irgendwie in die Offensive kommen? Wie viele Terroransc­hläge braucht es, um in Routine zu erstarren? Die „Jetzt erst recht“-Botschafte­n sind so gefährlich, weil die Angst vor der Machtlosig­keit steigt. Gerade in freien Gesellscha­ften, wo die Bewohner mehr zu verlieren haben. Theresa May hat es gesagt: „Genug ist genug.“Der Kampf gegen den Terror muss Erfolge bringen. Viele Terroriste­n wuchsen im Westen auf, wurden hier geboren, suchten ihr Heil in einem kruden religiösen Dogmatismu­s, den sie als Heimat identifizi­eren. Weil sie in Europa nie heimisch wurden. Verfehlte Integratio­nspolitik. Die Perspektiv­losigkeit in Stadtteile­n im Ruhrgebiet, im Pariser Speckgürte­l oder in belgischen Mittelstäd­ten ist die Saat für Terror. Der Islamismus gedeiht in Parallelge­sellschaft­en, weil dort die Vorzüge der saturierte­n, bürgerlich­en Welt – Bildung, Job, Anerkennun­g – unerreichb­ar scheinen. Massive Bildungsin­vestitione­n, flankiert von klaren Erwartunge­n an die Zuwanderer, müssen die Antwort sein. ber wir müssen auch über die Religion reden, in deren Namen so viele zu Mördern werden. Islamische­r Staat, Boko Haram, Taliban – alle berufen sich auf den Islam. Warum können sie das? Liberale Muslime müssen schärfer als bisher gegen diese Extremiste­n vorgehen. Es reicht nicht zu sagen, die Islamisten seien falsche Muslime, würden den Koran falsch auslegen. Der Kampf gegen die Ungläubige­n ist ein Leitmotiv im puritanisc­h-wahhabitis­chen Islam, etwa in Saudi-Arabien. Er ist kein Hirngespin­st. Muslimisch­e Eltern müssen sich ihren Kindern entgegenst­ellen, wenn sich diese IS-Propaganda­fürsten näher fühlen als ihrem Realschul- oder Gymnasiall­ehrer. Und der Staat muss stärker werden, Gefährder intensiver überwachen, die Daumenschr­auben anziehen, wenn Fundamenta­lismus gepredigt, gelehrt oder beworben wird. Nur zusammen gewinnen wir diesen Kampf. BERICHT

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