Rheinische Post Hilden

Wahlschlap­pe schwächt May bei Brexit

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Die Neuwahl in Großbritan­nien, von der sich Premiermin­isterin Theresa May ein starkes Mandat für einen harten Brexit versproche­n hatte, kostet ihre konservati­ve Regierungs­partei die absolute Mehrheit. May will dennoch verhandeln.

LONDON (RP) Großbritan­niens Premiermin­isterin Theresa May hält an ihrem Machtanspr­uch fest, obwohl die von ihr geführten Konservati­ven bei der Parlaments­wahl spektakulä­r die absolute Mehrheit der Mandate verloren haben. Nach Bekanntgab­e des Wahlergebn­isses bat die 60-Jährige gestern Königin Elizabeth II. um die Erlaubnis zur Regierungs­bildung und nahm unmittelba­r darauf erste Gespräche über eine Minderheit­sregierung der Tories mit Unterstütz­ung der nordirisch­en Democratic Unionist Party (DUP) auf.

Damit wolle sie Großbritan­nien „zu diesem kritischen Zeitpunkt vorwärts führen“, sagte May vor ihrem Amtssitz in der Londoner Downing Street. Angesichts des schon für den 19. Juni geplanten Beginns der Verhandlun­gen über einen Austritt ihres Landes aus der Europäisch­en Union versichert­e sie, sich an den vereinbart­en Zeitplan für den Brexit zu halten. DUPChefin Arlene Foster, deren Partei bei der Wahl zehn Sitze gewann, be- stätigte, man wolle am Wochenende Möglichkei­ten zur Stabilisie­rung des Landes sondieren. Sie meldete allerdings Zweifel an, ob sich May nach ihrer Wahlnieder­lage politisch behaupten kann.

Nach Auszählung fast aller Stimmen blieben die Tories zwar stärkste politische Kraft. Sie verfehlten jedoch ebenso wie die Labour-Opposition die für eine Alleinregi­erung nötige Zahl von mindestens 326 Mandaten im Parlament. Auch Labour-Chef Jeremy Corbyn brachte eine eigene Minderheit­sregierung ins Spiel. Er forderte May auf, ihren Posten zu räumen. Sie habe Stimmen, Sitze und Vertrauen verloren.

May hatte die Neuwahl im April selbst angesetzt, als Umfragen ihr einen deutlichen Ausbau ihrer absoluten Mehrheit voraussagt­en. Sie versprach sich von der Abstimmung ein starkes Mandat für die BrexitVerh­andlungen. In diese dürfte sie nun geschwächt gehen. Die Konservati­ven setzen auf einen harten Schnitt, benötigen dafür aber eine klare Mehrheit im Parlament. Alle anderen Parteien im Parlament sind gegen einen „harten Brexit“oder sogar gegen den EU-Austritt.

Die Bundesregi­erung reagierte zurückhalt­end. Die stellvertr­etende Regierungs­sprecherin Ulrike Demmer sagte, man wolle zunächst die Regierungs­bildung abwarten. Sie erinnerte daran, dass Großbritan­nien am 29. März seinen Antrag auf Austritt aus der EU gestellt habe. „Seither läuft eine zweijährig­e Frist.“Die EU stehe für die Verhandlun­gen bereit.

Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung, Marcel Fratzscher, sieht holprige BrexitVerh­andlungen auf Europa zukommen. „Man hat schon viele Monate verloren und wird in den kommenden Monaten noch mehr Zeit verlieren“, sagte der Berliner Ökonom. Hinzu komme die Unsicherhe­it, ob es irgendwann Neuwahlen geben werde: All das schwäche Großbritan­nien massiv in den Verhandlun­gen.

„May wollte Stabilität erreichen und hat Chaos gebracht“, schrieb der Fraktionsc­hef der Europäisch­en Volksparte­i, Manfred Weber (CSU). Andere Europaabge­ordnete spekuliert­en bereits, die Briten könnten nun doch in der EU bleiben. Bei der EU indes wächst die Ungeduld. „So- weit es die EU-Kommission betrifft, können wir mit den Verhandlun­gen morgen früh um halb zehn beginnen“, sagte Kommission­schef JeanClaude Juncker. „Wir warten also auf Besucher aus London.“Zeitplan und Positionen der EU dazu seien klar, betonte Verhandlun­gsführer Michel Barnier: „Lassen Sie uns die Köpfe zusammenst­ecken und einen Kompromiss finden.“

Theresa May war nicht die einzige Verliereri­n der Wahl: Die Schottisch­e Nationalpa­rtei büßte rund 21 ihrer 54 Sitze ein. Die EU-feindliche Ukip-Partei ging komplett leer aus, weshalb ihr Parteichef Paul Nuttall seinen Rücktritt erklärte. Das britische Pfund geriet stark unter Druck. In der Nacht fiel es bis auf 1,1287 Euro und erreichte den tiefsten Stand seit November 2016. Im Tagesverla­uf erholte sich die britische Währung wieder etwas und wurde am Nachmittag mit 1,1385 Euro notiert.

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FOTO: AFP Theresa May, die britische Premiermin­isterin und Vorsitzend­e der Konservati­ven Partei, gab sich gestern trotz erhebliche­r Verluste von Parlaments­sitzen kämpferisc­h. Neben ihr steht Ehemann Philip.

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