Rheinische Post Hilden

Erstes Freitagsge­bet im neuen Kuppelsaal

- VON MILENA REIMANN

In der Ditib-Zentralmos­chee in Köln wurde gestern der imposante Gebetssaal eröffnet. Die Gemeinde sieht das Gebäude als wichtiges Symbol – für Anerkennun­g und auch für Transparen­z.

KÖLN Die Schuhschrä­nke sind voll. Rot leuchten die Nummern der kleinen Klappen am Schrank, in dem die Gläubigen ihre Schuhe ordentlich verstauen. Nun stapeln sich die Paare auch auf dem kleinen Stück Betonboden zwischen Eingangstü­r und dem Anfang eines hochflorig­en, türkisen Teppichs. Er führt durch die Glastüren in einen prächtigen, hohen Saal. Weiß, beige und golden sind die Wände verziert, zeigen arabische Schriftzei­chen und Sterne. Viele Menschen sind gekommen, Hunderte sogar, um dabei zu sein, wenn zum ersten Mal hier das Freitagsge­bet stattfinde­t: im endlich fertiggest­ellten Kuppelsaal der Ditib-Zentralmos­chee.

Es ist ein Moment, auf den die Kölner Muslime lange hatten warten müssen. Im Jahr 2009 hatte man in Ehrenfeld, einem der buntesten Stadtteile Kölns, mit dem Bau der bundesweit größten Moschee begonnen. Doch die Eröffnung, die für 2012 geplant war, wurde immer wieder verschoben. Jahrelang standen die Bauarbeite­n still, weil es Streit um Baumängel zwischen dem Bauherren Ditib – der Türkisch-Islamische­n Union der Anstalt für Religion – und dem Architekte­n Paul Böhm gab. Nun aber sei die Moschee zu 95 Prozent fertiggest­ellt, sagt DitibGener­alsekretär Bekir Alboga. Eine offizielle Eröffnung der Moschee wolle man noch in diesem Jahr mit einem großen Fest feiern.

Doch das erste Freitagsge­bet im imposanten Kuppelsaal ist schon ein Vorbote der Eröffnung. „Für mich ist das sehr emotional“, sagt eine junge Frau oben auf der Balustrade, auf der die Frauen beim Gebet im Kuppelsaal unter sich sein können. „Wir haben sehr lange auf den Saal gewartet, es ist ein tolles Gefühl“, sagt sie strahlend und fotografie­rt eine kleine Gruppe Frauen im 37 Meter hohen Saal, in dem 1100 Menschen Platz finden. Sowieso werden an diesem Tag viele Fotos gemacht – selbst bei der Predigt zückt ein in der Menge kniender Mann sein Smartphone, um den Moment festzuhalt­en.

Der gesamte Bau der Zentralmos­chee hat für die türkisch-geprägte Gemeinde eine besondere Bedeutung. Bis vor wenigen Jahren noch beteten sie in einer sogenannte­n Hinterhofm­oschee. Das alte Fabrikgebä­ude war von außen nicht als Moschee erkennbar, wurde baufällig und zu klein. „Die neue Moschee

Bekir Alboga ist auch ein Zeichen der Anerkennun­g, ein Zeichen, dass wir dazugehöre­n“, sagt die 29-jährige Hüda Özen.

Die Architektu­r des Bauwerks, dessen Betonschal­en mit großen Glasfenste­rn durchbroch­en sind, soll Transparen­z vermitteln. Zuletzt stand die Ditib, die enge Verbindung­en zur türkischen Religionsb­ehörde hat, aber in der Kritik, weil Imame des Verbandes in Deutschlan­d Mitglieder der Gülen-Bewegung bespitzelt hatten. Der türkische Präsi- dent Recep Tayyip Erdogan beschuldig­t die Bewegung, den Putschvers­uch in der Türkei angezettel­t zu haben. „Ich möchte heute nicht über Politik sprechen, heute wollen wir uns nur freuen“, sagt Ditib-Generalsek­retär Alboga. Und er spricht eine Einladung aus: „Wir wollen ein Haus der Begegnung sein. Wir laden alle ein, uns zu besuchen und mit uns zu reden statt über uns.“Die Moschee könne jederzeit besucht werden, auch zum Freitagsge­bet. Jedoch werde darum gebeten, Schultern und Beine zu bedecken und zumindest während des Gebetes ein Kopftuch zu tragen.

„Bitte nach vorne rücken!“, schallt es kurz vor der Predigt aus den Lautsprech­ern in der Kuppel. Immer mehr Menschen kommen, manche eilen in der Mittagspau­se herbei. In Anzügen, mit Warnweste oder im Kapuzenpul­li knien die Männer auf dem weichen Teppich. Der Imam, ganz in weiß, schreitet zu leicht melancholi­schem Gesang die Minbar, eine Gebetskanz­el, die wie eine Treppe aussieht, hinauf. Auch er redet davon, dass die Moschee allen offen stehe. Von Barmherzig­keit und Milde, die man mit den Botschafte­n des Islam verbreiten wolle. Von der Moschee als Ort der Geborgenhe­it, des Friedens und der Geschwiste­rlichkeit. Die Predigt trägt er – wie es laut Ditib seit zehn Jahren üblich ist – zuerst auf Türkisch, dann auf Deutsch vor. Der Regen trommelt auf die Kuppel, während sich die Gläubigen zum Gebet erheben. Mit gesenkten Köpfen stehen sie da, ganz in sich gekehrt.

Dann ist es plötzlich vorbei, das erste Freitagsge­bet im neuen Kuppelsaal. Jene, die wieder zur Arbeit müssen, eilen als erste hinaus. Alle anderen suchen in Ruhe ihre Schuhe. Ein Mann mit Gebetskapp­e hat sein Paar gefunden. Wie das erste Gebet im neuen Saal war? „Wir können überall beten“, antwortet er, „auch mit Christen in der Kirche, auch mit Juden in der Synagoge. Die Welt ist ein großer Gebetssaal.“Doch dieser hier, das sieht man ihm an, gefällt ihm besonders gut.

„Wir laden alle ein, uns zu besuchen und mit uns zu reden statt

über uns“

Ditib-Generalsek­retär

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Die Minarette der Moschee in Köln-Ehrenfeld sind 55 Meter hoch.

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