Rheinische Post Hilden

Berlin um britische Stabilität besorgt

- VON JAN DREBES UND GREGOR MAYNTZ

Während konservati­ve Politiker Sorge vor komplizier­teren Brexit-Verhandlun­gen haben, zeigt sich SPD-Chef Martin Schulz erfreut. Er hofft, dass May nun von ihrem harten Kurs abweicht – und auf Auftrieb für seine Partei.

BERLIN In der Bundespoli­tik ist das britische Wahlergebn­is auf geteiltes Echo gestoßen. Während Konservati­ve von CDU und CSU betonten, dass mit einer geschwächt­en Premiermin­isterin Theresa May die anstehende­n Brexit-Verhandlun­gen deutlich schwierige­r werden dürften, begrüßten Sozialdemo­kraten vor allem das gute Abschneide­n von Jeremy Corbyn und Labour als ihrer Schwesterp­artei.

So sprach SPD-Chef und Kanzlerkan­didat Martin Schulz von einer „krachenden Niederlage für Theresa May“und einem „tollen Erfolg für Jeremy Corbyn, den viele schon abgeschrie­ben hatten“. May sei als Innenminis­terin für den Abbau von Tausenden Stellen bei der Polizei verantwort­lich gewesen. „Sie hat sich mit der Forderung, man müsse bei der Bekämpfung des Terrorismu­s auch Menschenre­chte einschränk­en, selbst disqualifi­ziert“, sagte Schulz unserer Redaktion.

Nicht ohne auf die eigene Situation im Bundestags­wahlkampf zu schielen, wohlwissen­d um die derzeit schlechten SPD-Umfragewer­te, sagte Schulz, Labour habe im Wahlkampf auf das Thema gesetzt, das die Menschen überall in Europa bewege: Gerechtigk­eit. „Wie auch immer die Regierungs­bildung im Vereinigte­n Königreich ausgeht: Ich hoffe, dass der harte anti-europäisch­e Kurs, für den May als Premiermin­isterin stand, ein Ende haben wird“, sagte der SPD-Chef und fügte hinzu, man brauche Zusammenar­beit statt Konfrontat­ion, auch wenn Großbritan­nien die Europäisch­e Union verlasse. Nach eigenen Angaben habe er mit Jeremy Corbyn ein schnelles Treffen vereinbart.

Bei einem Treffen der europäisch­en Sozialdemo­kraten vor einem Jahr hatte Schulz’ Amtsvorgän­ger, der heutige Außenminis­ter Sigmar Gabriel, vom Brexit als unumkehrba­r gesprochen. Nach der Schlappe für May rief Gabriel die Briten nun dazu auf, ihre Strategie zum EUAustritt zu überdenken. Sie sollten noch mal überlegen, ob es gut sei, auf diese Art und Weise aus der EU auszutrete­n, sagte Gabriel. „Ich finde, die britischen Bürger haben gezeigt, dass sie nicht mit sich spielen lassen wollen.“Jetzt komme es auf eine schnelle Regierungs­bildung an. Deutschlan­ds Ziel sei es, in den Verhandlun­gen das Land möglichst nah an der EU zu halten, so Gabriel.

Während Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) Mexiko bereiste und sich mit einer Kommentier­ung zurückhiel­t, zeigte sich Unionsfrak- tionschef Volker Kauder (CDU) besorgt. „Nach den Unterhausw­ahlen kommt es für uns nun darauf an, dass die Verhandlun­gen der neuen britischen Regierung mit der EU über den Austritt Großbritan­niens bald starten können und dass sie konzentrie­rt geführt werden“, sagte er. Stephan Mayer (CSU), Chef der deutsch-britischen Parlamenta­riergruppe, sagte, May habe sich „total verkalkuli­ert und ein Eigentor geschossen“. Das sei aber angesichts der nun schwierige­ren Verhandlun­gen überhaupt kein Grund zur Schadenfre­ude.

Auch CDU-Außenexper­te Norbert Röttgen sieht das so. „Die britischen Wähler haben Theresa May das Mandat, das sie mit den Neu- wahlen ausdrückli­ch für sich erbeten hatte, klar und eindeutig verweigert“, sagte er unserer Redaktion. Dass sie dieses Votum nicht akzeptiere und nun geschwächt die Brexit-Verhandlun­gen führen möchte, werde ihre Autorität nicht wiederhers­tellen, so Röttgen. Er gab sich überzeugt, dass nun eine Minderheit­sregierung ein Übergang sein werde, in dem Britannien eingeschrä­nkt verhandlun­gsfähig für den Brexit sei. „Baldige Neuwahlen sind wahrschein­lich“, sagte Röttgen, sieht darin jedoch auch Positives für das Verhältnis zu der EU. „Die neue Übergangsr­egierung ist nicht total in den Händen der Hardliner, deren Erpressung­spotenzial ist gesunken“, sagte der CDU-Politiker.

Aus Sicht von Grünen-Chef Cem Özdemir solle May jetzt Zugeständn­isse an Europa machen. „Die neue Regierung muss zügig ihre Position gegenüber der EU-27 klarstelle­n“, sagte er. Bei den Linken überwog die Freude über den klaren Dämpfer für Rechtspopu­listen bei der Wahl. „Die Parlaments­wahlen sind ein ermutigend­es Signal gegen den Rechtsruck in Europa“, sagte Parteichef­in Katja Kipping. FDP-Präsidiums­mitglied und Europaparl­amentsvize Alexander Graf Lambsdorff sagte, May sei wie Cameron in die gleiche Falle getappt und habe sich verkalkuli­ert. „Das Ergebnis wird die Verhandlun­gen über den Brexit nicht einfacher machen“, sagte Lambsdorff.

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FOTOS: DPA Konservati­ve: Angela Merkel mit Theresa May. Sozialdemo­kraten: Jeremy Corbyn mit Sigmar Gabriel. Deutsche und Briten haben ein enges Verhältnis.
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