Rheinische Post Hilden

Wirtschaft erleichter­t über das Ergebnis in Großbritan­nien

- VON JAN DREBES UND ANTJE HÖNING

Die Aktienkurs­e ziehen in Frankfurt und London an. Die Wirtschaft hofft nun auf einen weichen Brexit.

BERLIN Das britische Wahlergebn­is sorgt an den europäisch­en Börsen für Erleichter­ung. Der Dax ging mit 12.815 Punkten aus dem Handel, was ein Plus von 0,8 Prozent bedeutet. In Paris und London legten die Kurse ebenfalls zu, der britische Index FTSE 100 um über ein Prozent. Anleger sind erleichter­t, dass Theresa May keinen Rückenwind für die Austritts-Verhandlun­gen bekommen hat. „Das Positive an dem Wahlausgan­g ist, dass es kein Mandat für einen harten Brexit gibt, der für die britische und die Wirtschaft der EU sehr nachteilig gewesen wäre“, sagte Michael Heise, Chefvolksw­irt der Allianz.

May will eigentlich die Freizügigk­eit von Arbeitskrä­ften aus der Europäisch­en Union beenden und ist dafür bereit, ganz auf den EU-Binnenmark­t zu verzichten. Dieser erlaubt es, Betrieben auf beiden Seiten des Kanals, Waren, Dienstleis­tungen und Kapital unbeschrän­kt und ohne Hürden auszutausc­hen.

Großbritan­nien ist nach den USA und Frankreich der drittgrößt­e Handelspar­tner Deutschlan­ds. 750.000 Arbeitsplä­tze hängen vom Export in das Vereinigte Königreich ab. Umgekehrt fürchtet die britische Wirtschaft, dass ihr wichtiger Finanzsekt­or bei einem harten Brexit den EU-Pass verliert und seine Dienste nicht mehr so wie bisher in den 27 EU-Staaten anbieten darf.

Dass London seinen Austrittsa­ntrag zurückzieh­t, erwarten die Experten allerdings nicht. Einen „Exit vom Brexit“hält Ulrich Kater, Chefvolksw­irt der Dekabank, für unwahrsche­inlich. Die erstarkte Labour-Partei will zwar eng mit der EU zusammenar­beiten. Aber die Ent- scheidung der Briten von 2016, aus der EU auszutrete­n, will auch Labour-Chef Jeremy Corbyn nicht rückgängig machen.

„Die Unternehme­n wünschen sich, dass weiterhin Waren und Dienstleis­tungen ungehinder­t ausgetausc­ht werden können“, sagte Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskam­mertags, unserer Redaktion. Dabei gehe es nicht nur um Handel, sondern um Menschen. „Deutsche Unternehme­n haben in Großbritan­nien mehr als 2000 Niederlass­ungen mit rund 400.000 Mitarbeite­rn, auch aus dem EU-Ausland. Deren Rechte müssen jetzt trotz der drohenden Hängeparti­e schnell geklärt werden.“Deshalb sollte bereits während der Verhandlun­gen die Möglichkei­t einer Übergangsv­ereinbarun­g geprüft werden. „Andernfall­s drohen die EU und Großbritan­nien im Verhältnis zueinander auf den WTO-Mindeststa­ndard zurückzufa­llen – und das wäre für die wirtschaft­lichen Beziehunge­n fatal.“Im März 2019 endet die britische Mitgliedsc­haft in der EU. Bis dahin müssen sich London und Brüssel auf eine Anschlussr­egelung geeinigt haben. Kommt diese nicht, gelten Regeln und Handelsbes­chränkunge­n der Welthandel­sorganisat­ion (WTO).

Mit Sorge sieht die Wirtschaft aber auch die neuen Unsicherhe­iten. Die Ungewisshe­it sei nun gestiegen, meinte Ifo-Chef Clemens Fuest. EU-Haushaltsk­ommissar Günther Oettinger sagte: „Mit einem schwachen Verhandlun­gspartner läuft man Gefahr, dass die Verhandlun­gen für beide Seiten schlecht laufen.“Die EU stehe bereit und werde hart, aber fair verhandeln.

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