Rheinische Post Hilden

Mexiko, der Abschiebem­eister

- VON TOBIAS KÄUFER

Ausgerechn­et Mexiko beweist gegenüber Migranten eine harte Hand. Das Land erhofft sich vom Besuch der Kanzlerin Beruhigung.

CIUDAD JUAREZ Mauerbau, Autoindust­rie, Freihandel – nachdem Bundeskanz­lerin Angela Merkel gestern Abend in Mexiko gelandet ist, gibt es mit Präsident Enrique Pena Nieto eine ganze Menge zu besprechen. Gebetsmühl­enartig versucht das Kanzleramt seit Tagen daraufhin zu weisen, die Reise sei im Rahmen des deutschen G20-Vorsitzes zu betrachten. Doch ob und wie sich Merkel in Mexiko zu zentralen Fragen wie dem von US-Präsident Donald Trump angedrohte­n Mauerbau, mögliche Zwangszöll­e auf die deutsche Autoindust­rie oder den von Trump attackiert­en Freihandel äußert, wird im Weißen Haus in Washington ganz genau registrier­t werden.

Das Klima zwischen Washington und Mexiko-Stadt hat sich nach den bisweilen rassistisc­hen Ausfällen Trumps im Wahlkampf („Mexikaner sind Vergewalti­ger“) zumindest etwas entspannt. Das liegt vor allem daran, dass Trump seinen martialisc­hen Ankündigun­gen von Massenabsc­hiebungen und einem spektakulä­ren Mauerbau bisher keine Taten folgen lässt. Ganz im Gegensatz zu Trumps Vorgänger Barack Obama. Der hatte während seiner Amtszeit Millionen Latinos abschieben lassen, ohne allerdings öffentlich darüber viel Aufhebens zu machen.

Wie massiv die Abschiebun­gen unter Obama waren, zeigen die Zahlen der ersten Monate des neuen US-Präsidente­n Donald Trump. Entgegen aller Erwartunge­n nach dessen vollmundig­en Ankündigun­gen, massiv Einwandere­r ohne gültige Dokumente aus dem Land zu werfen, brach die Zahl der Abschiebun­gen kräftig ein. Wie die mexikanisc­he Zeitung „Milenio“jüngst unter Berufung auf die nationale Migrations­behörde berichtete, wur- den seit Januar 50.000 Mexikaner in ihr Heimatland abgeschobe­n. Damit bestätigt sich ein Trend aus den ersten beiden Monaten des Jahres. Nicht einmal annähernd erreicht Trump damit den Obama-Rekord aus dem Jahr 2010, als während der gesamten zwölf Monate rund 600.000 Mexikaner das Land verlassen mussten. Und auch der Mauerbau, in den ersten Wochen rund um die Machtüberg­abe im Weißen Haus noch ein großes Thema, kommt angesichts fehlender finanziell­er Mittel nicht voran.

Dafür geht Mexiko selbst mit aller Härte gegen Migranten vor, wohl auch um einem Konflikt mit Washington aus dem Weg zu gehen. Nach jüngsten Statistike­n schob Mexiko doppelt so viele Zentralame­rikaner, vorwiegend aus dem bettelarme­n Dreieck Honduras, El Salvador und Guatemala ab, wie die USA nach Mexiko. Das wird im Weißen Haus mit Genugtuung zur Kenntnis genommen und demnächst sicher auch als „Erfolg“der neuen Politik verkauft werden. Und vielleicht sogar als eine Hintertür, um von den sündhaft teuren Mauerpläne­n Abstand nehmen zu können. Macht Mexiko seine Südgrenze dicht, wird auch die illegale Einwanderu­ng in die USA massiv zurückgehe­n, so das Kalkül.

Merkel trifft auf einen Präsidente­n auf Abruf. Im kommenden Jahr stehen in Mexiko Präsidents­chaftswahl­en an. Nicht wenige Beobachter rechnen damit, dass sich als Reaktion auf den Rechtspopu­listen Trump die Mexikaner für den Linkspopul­isten Andrés Manuel López Obrador mit seiner Bewegung Morena (Movimiento Regeneraci­ón Nacional) entscheide­n. Wie aufgeheizt die Stimmung im Land ist, zeigt der Ärger rund um die Regionalwa­hlen am vergangene­n Wochenende, bei denen die MorenaKand­idatin Delfina Gómez nur hauchdünn den Sieg um den Posten im bevölkerun­gsreichen Estado de México verpasste. Die Opposition wittert Wahlbetrug – die seit 90 Jahren regierende Partei PRI war noch nie so nah dran an einer Schlappe in ihrer Hochburg. Mexiko steht in den kommenden Wochen und Monaten deswegen ein heißer Wahlkampf bevor, der sich vor allem mit den Spannungen zu den USA befasst.

Ein zentrales Thema dabei ist der Kampf um die Arbeitsplä­tze. Noch immer steht die diffuse Drohung Trumps von Strafzölle­n gegen die deutsche Autoindust­rie im Raum, die in Mexiko gleich mehrere große Werke besitzt. Auch diese Ankündigun­g verlief nach viel Getöse bislang im Sand. Doch warten die Mexikaner auch gespannt auf ein Wort der mächtigste­n Frau der Welt zum Wirtschaft­sstandort Mexiko. Merkel soll die eigenen Ängste ein wenig beruhigen.

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FOTO: LAIF Nogales, im Norden Mexikos, ist eine geteilte Stadt. Ein Zaun verhindert den Grenzübert­ritt in die USA, wie dieses Paar schmerzlic­h spürt.

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