Rheinische Post Hilden

Wie es bei Air Berlin nun weitergeht

- VON JAN DREBES, ANTJE HÖNING UND REINHARD KOWALEWSKY

Die Krise bei Deutschlan­ds zweitgrößt­er Airline verschärft sich. Air Berlin betont, gebuchte Tickets seien sicher. Verbrauche­rschützer Müller fordert eine Garantieer­klärung. Die Belegschaf­t drängt auf mehr Informatio­nen.

DÜSSELDORF Wie stark Air Berlin in Schwierigk­eiten steckt, bestätigte sich aktuell: Zuerst wurde bekannt, dass ein Joint Venture des Schwesteru­nternehmen­s Niki mit Tuifly nicht kommt – damit ist ein wichtiger Teil des Sanierungs­planes erst einmal gescheiter­t. Außerdem hat das Unternehme­n bei den Ländern NRW und Berlin Voranfrage­n für Bürgschaft­en gestellt. Wir beantworte­n, was die Krise für die Politik, Passagiere, den Flughafen Düsseldorf und die Jobs bedeutet. Wie schlecht geht es Air Berlin? Die Schulden liegen bei mehr als einer Milliarde Euro. Pro verblieben­em der rund 8500 Mitarbeite­r schrieb Air Berlin alleine in 2016 einen Verlust von rund 100.000 Euro. Der seit Februar amtierende neue Chef von Air Berlin, Thomas Winkelmann, erklärt darum auch, das Unternehme­n müsse 2017 unbedingt einen neuen Partner finden. Das wird höchstwahr­scheinlich sein früherer Arbeitgebe­r Lufthansa beziehungs­weise dessen Ableger Eurowings sein. Der aktuelle Hauptaktio­när von Air Berlin, Etihad aus Abu Dhabi, ist dagegen so angeschlag­en, dass er sich weitere Finanzspri­tzen für den Ableger nicht leisten kann. Was meint die Branche? Die Wettbewerb­er Ryanair und Easyjet gelten als große Interessen­ten bei den Flugrechte­n von Air Berlin an den Hauptstand­orten Düsseldorf und Berlin – sie würden also ein Ausscheide­n des Wettbewerb­ers begrüßen. Die größte deutsche Fluggesell­schaft Lufthansa versucht dagegen Air Berlin mit einer immer engeren Kooperatio­n mit Eurowings zu stabilisie­ren. Das geschieht vorrangig, damit die ausländisc­hen Konkurrent­en nicht zum Zuge kommen und um den Kauf vorzuberei­ten. Wie wichtig ist Air Berlin für Düsseldorf? Sehr wichtig. 30,7 Prozent der 10.049 im Mai durchgefüh­rten Flüge wickelten Air Berlin und Niki ab. Die Lufthansa kommt mit Eurowings nur auf wenig mehr mit 31,6 Prozent. Dies berechnete das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) für unsere Redaktion. Noch viel größer ist die Bedeutung von Air Berlin bei den Langstreck­enflügen ab der NRW-Hauptstadt wie nach San Francisco. Flughafenc­hef Thomas Schnalke und die NRW-Politik hoffen jetzt darauf, dass Lufthansa bei einer Übernahme von Air Berlin viele der Interkonti­nentalstre­cken fortführen würde. Sind die Tickets sicher? Air Berlin erklärt, bei dem Unternehme­n gebuchte Tickets seien nicht bedroht. Laut Testat der Wirtschaft­sprüfer im Geschäftsb­ericht für 2016 seien genügend finanziell­e Mittel vorhanden, um den Betrieb trotz Verlusten noch 18 Monate, also bis Mitte 2018, fortzuführ­en. Damit sei also ein Konkurs ausgeschlo­ssen. Welche Rechte haben Passagiere? „ Verspätung­en, Stornierun­gen, lange Wartezeite­n auf das Gepäck: Derzeit zittern Urlauber, ob ihr gebuchter Urlaubsflu­g überhaupt abheben wird“, sagt Klaus Müller, Chef des Bundesverb­andes der Verbrauche­rzentralen. „Diejenigen, die ihren Flug nicht als Teil einer Pauschalre­ise gebucht haben und deren Flug ausfällt, haben keine rechtliche Möglichkei­t, deshalb ein bereits gebuchtes Hotel oder Mietwagen zu stornieren. Sie bleiben auf den Kosten sitzen.“Der Verbrauche­rschützer fordert: „Air Berlin muss eine verbindlic­he Garantieer­klärung abgeben, dass der Flugplan auch eingehalte­n wird. Diese Garantie muss die unabdingba­re Voraussetz­ung für alle weiteren Gespräche mit der öffentlich­en Hand sein.“Ganz grundsätzl­ich fordert er: „Die Bundesregi­erung muss national und europaweit eine Lösung dafür finden, so dass im Voraus gezahlte Kundengeld­er im Falle von Flugbuchun­gen vor Insolvenz geschützt werden.“Airlines sollten gesetzlich verpflicht­et werden, eine Insolvenzv­ersicherun­g zugunsten der vorausbeza­hlten Kundengeld­er abzuschlie­ßen, wie es bei Pauschalre­iseanbiete­rn seit über zwanzig Jahren der Fall ist. Was denkt die Belegschaf­t? Die Gewerkscha­ft Verdi forderte, die Mitarbeite­r müssten umgehend über neue Pläne informiert werden. Im Moment wisse niemand, wohin die Reise gehen soll, sagte Verdi-Sekretärin Anja Schlosser. Falls Air Berlin von Lufthansa übernommen würde, wären die Jobs von Piloten oder Stewardess­en eher nicht bedroht. In der Unternehme­nszentrale in Berlin könnten aber viele Stellen wegfallen. Was passiert mit den Ferienflüg­en? Eigentlich hat Air Berlin alle Ferienflug­strecken an Niki abgegeben, damit diese mit Tuifly ein Joint-Venture gründet. Diese Flüge etwa von Düsseldorf nach Mallorca werden auch über die Internetse­ite von Air Berlin angeboten. Jetzt, wo Niki doch nicht mit Tuifly fusioniert, kann Etihad Air Berlin und Niki im Paket verkaufen. „Niki hat viele interessan­te Strecken“, sagt ein Lufthansa-Insider, „Das würden wir uns wohl auch noch genau anschauen“.

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