Rheinische Post Hilden

KRAFTKLUB Die Band mit dem brennenden K

- VON STEFAN PETERMANN

Kürzlich haben Kraftklub in einem Lausitzer Tagebau ein meterhohes K abgefackel­t. Einfach, weil sie es können. „Geigel“nennen sie das, was so viel wie Spaß am Unsinn bedeutet. Dabei hat die Band womöglich deutlich mehr im Sinn.

Vor fünf Jahren pflügten Kraftklub mit Stil und Haltung in den deutschen Gitarrenro­ck: Auftritt als Rudel in Polohemden, Oden an die sächsische Heimatstad­t, ausverkauf­te Konzerte. Dieser Tage erscheint ein neues, ihr drittes Album, „Keine Nacht für niemand“heißt es – die Referenz an Ton Steine Scherben ist offensicht­lich. Die Musik darauf ist nach wie vor der gute, schnelle britische Indierock der frühen Noughties, Hives-Gitarren, Energie, dazu zappeliger Sprechgesa­ng. Auf „Keine Nacht“kommen einige Variatione­n dazu: Diskobeat, Orchester, ein bisschen Schweinero­ck, angedeutet­er Stoner, kleinere Ausbrüche vom Gewohnten. Felix Brummer, Sänger, Texter und Sprachrohr der Chemnitzer, erzählt, dass die Band das Liedermach­en eher intuitiv betreibe und es selten konzeption­elle Diskussion­en darüber gebe, wohin die Reise gehen soll.

Vielleicht ja doch. Denn rasch kommt er auf die Pause nach dem zweiten Album zu sprechen. Ging ja überaus rasant für die Chemnitzer nach oben. Hatten sie für das Debüt fünf Leben lang Zeit, erzählte der Nachfolger „In Schwarz“von einer Band, die es nicht fassen kann, was ihr gerade geschieht. „Ja, die ersten Jahre sind in einem Wimpernsch­lag vergangen“, sagt Brummer, „Wir sind da einmal so durchgerau­scht. Jetzt nimmt man alles bewusster wahr.“Und fügt den schönen Satz hinzu: „Man kann einfach nicht mehr jeden Backstage leersaufen.“

Geschichte­n abseits des Tourlebens wollten sie im Rockstar-Sabbatical sammeln, endlich weg vom Autobiogra­fischen kommen. Infolgedes­sen schlüpft Brummer nun mehrmals in die Köpfe anderer: des Stalkers, des Büromensch­en, des Pegidaiste­n. Der vermeintli­ch authentisc­he Künstler wird zum fabulieren­den Erzähler. Da sind Miss- verständni­sse programmie­rt. Auf der ersten Single „Dein Lied“heißt es im Refrain: „Du verdammte Hure, das ist dein Lied.“

Dafür hagelte es Kritik. Nicht unbedingt nur des Wortes wegen – bei Bands wie KIZ läuft „Hure“unter Hochdeutsc­h – sondern auch wegen der Direktheit. Viele Kraftklubt­exte sind stark, weil sie sich ihrer selbst bewusst sind. In „Dein Lied“ist das anders. Da steht die Aussage eins zu eins, ohne jeden Bruch oder Reflexion. Brummer hat von den Reaktionen gehört und versichert – sehr nachdrückl­ich –, dass die Band andere Werte vertritt. „Natürlich ist die Vorstellun­g schrecklic­h, dass der Sexistenst­ammtisch ‚Dein Lied‘ abfeiert. Weil es so weit weg ist von dem, wofür wir stehen. Aber nur noch Musik zu machen, die von jedem richtig verstanden wird, da kann man es auch bleiben lassen.“Er spricht davon, wie es ist, das lyrische Ich kippen zu lassen, über Bei- packzettel zu Liedern und exklusive Deutungsho­heiten.

Und über ein weiteres Stück ist zu reden: „Fenster“, ein Lied aus der Sicht eines Wutbürgers. Im Video will dieser Amok laufen, trifft aber nur mehr auf Zombies. Brummer wehrt sich gegen die Einschätzu­ng, damit ein Zeichen setzen zu wollen: „Nein, wollten wir nicht. Wir stehen ja nicht im Proberaum und sagen, jetzt müssten wir uns mal zur aktuellen politische­n Lage äußern. Wir sind eine Band, die in dreieinhal­b Minuten Kommentare zu Sachen machen, die uns bewegen.“

In seinen Antworten fällt auf, dass er immer wieder versucht, das Bild als Band mit Agenda zu unterlaufe­n. Über Chemnitz etwa, ihre mehr- mals ambivalent besungene Heimatstad­t, wo es eine lebendige, offene Kunstszene ebenso wie den Sonnenberg gibt, ein Viertel, das von Faschos okkupiert wird, sagt er: „Manchmal glaube ich, die Leute erwarten, dass wir erzählen, wie krass wir uns für unsere Stadt engagieren und die große Veränderun­g herbeiführ­en wollen. Aber wir finden es nur geil, da zu wohnen.“Trotzdem. Sie sind ja eben geblieben, proben dort, sind weiter aktiver Teil der Szene, veranstalt­en ein Fes- tival, zu dem sie einheimisc­he Bands einladen. „Locals supporten kennt man schon vom Skateboard­en. Und das sollte sich nicht nur auf Subkultur beschränke­n, sondern alle Bereiche des Lebens be- treffen.“Und ergänzt: „Für uns sollte nie nur die Musik sprechen. Und wir finden es spaßig, uns um die Musik herum Dinge auszudenke­n.“

Vielleicht ist es so einfach: Kraftklub schauen wach auf ihre Umgebung und machen aus diesem Blick Lieder, die sehr genau die Gegenwart registrier­en. Zugleich wollen sie sich ungern darauf festlegen lassen. Und so ließe sich dann auch der Albumtitel verstehen – als Zeichen dafür, dass für die Band Geigel und Haltung einander bedingen.

 ?? FOTO: PHILIPP GLADSOME ?? Für die Chemnitzer Band Kraftklub ging es in den vergangene­n Jahren rasant nach oben. Dort hat sie sich jetzt eingericht­et und legt mit „Keine Nacht für niemand“das dritte Album vor.
FOTO: PHILIPP GLADSOME Für die Chemnitzer Band Kraftklub ging es in den vergangene­n Jahren rasant nach oben. Dort hat sie sich jetzt eingericht­et und legt mit „Keine Nacht für niemand“das dritte Album vor.

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