Leser lieben das Verbrechen. Der Krimimarkt boomt. In einer neuen Serie beschäftigen wir uns mit der Mordlust – und geben Lesetipps.
Schon verrückt, dass Menschen sich das freiwillig antun: ziehen sich zurück in Ohrensessel, Leseecke, Strandkorb, klappen ihr Buch auf, zeigen der Welt, dass sie jetzt abtauchen, nicht mehr zu sprechen sind – und schon sickert Blut in ihre Fantasien, hallen Schreie durch ihre Köpfe, wird gewürgt, vergiftet, geschossen. Und die Jagd ist eröffnet.
Längst ist der Krimi nicht mehr das Schmuddelkind des Literaturbetriebs. Krimi kann heute alles sein: politische Analyse, Sozialreportage, Reiseliteratur, Gastroführer, Psychostudie, Actionabenteuer, Milieuerkundung, historischer Roman, Exkursion in die Wissenschaft. In welches Gewand auch immer Autoren dieses Genre kleiden, eines ist den meisten Geschichten gemein: Sie führen den Leser irgendwann an den intimen Moment des Todes. Nie sind uns Figuren so nahe, wie wenn sie Gewalt ausgesetzt sind. Und egal, ob es dann um das „Who done it“geht – um die Jagd nach dem Mörder, um ein spannendes Milieu, Urlaubskulissen in Schweden, Italien, der Provence oder die seelische Erforschung eines Täters –, der Leser ist gepackt, emotional verstrickt. Wen lässt der Tod eines Mitmenschen schon kalt?
Es gibt Experten, die in der Krimilust der Deutschen ein Zeichen des Wohlstands sehen. Nur wer sich in wohlige Sicherheit zurückziehen kann, hat Spaß am fiktiven Verbrechen. Dagegen spricht, dass die Mordlust der deutschen Leser trotz der Zunahme an realer Gewalt etwa durch die Terroranschläge in Europa fast ungebrochen ist.
4009 neue Krimis kamen im vergangenen Jahr auf den Markt, 322 mehr als im Vorjahr. Auch der Umsatz stieg leicht um 2,1 Prozent, was allerdings daran liegt, dass Krimis teurer werden. Die Zahl der Menschen, die sich im Buchladen für einen Krimi entscheiden, ging etwas zurück von 12,4 Millionen auf 11,7. So hat es der Bösenverein des deutschen Buchhandels ermittelt. Die Krimikäufer gaben aber mehr für ihre Bücher aus, kauften pro Kopf mehr Titel und das nicht spontan am Büchertisch, sondern geplant aufgrund von Empfehlungen in den Medien oder aus dem Freundeskreis. Krimis sind also keine triviale Mitnehmware mehr, die man schnell für die Zugfahrt kauft und daheim lieber nicht ins Regal stellt. Die Ansprüche steigen.
Außerdem erzählt der Krimi von Urmotiven des menschlichen Daseins, von destruktiven Trieben wie Neid, Hass, Eifersucht, und beobachtet, wie schnell der zivilisierte Zeitgenosse rohen Impulsen folgt. Darum hat schon Friedrich Schiller das Verbrechen gereizt. „In der gan-