Rheinische Post Hilden

Ohne Opa geht’s nicht mehr

- VON JÖRG JANSSEN

Job, Kinder, Haushalt: Wer das alles schaffen will, braucht auch jenseits von Kita und Ganztagssc­hule Unterstütz­ung. Dabei wird neben der Oma auch der Opa immer wichtiger. Wo er fehlt, springen Leih-Großväter ein.

Der Mittwoch ist ein besonderer Tag für Paul. „Opa kommt“, sagt der Fünfjährig­e, der an diesem Wochentag zur musikalisc­hen Früherzieh­ung geht. „Mir ist wichtig, dass er sich für Musik begeistert“, sagt Eberhard Gebauer. Eine Momentaufn­ahme, die ahnen lässt, dass der 70-Jährige mehr ist als ein Mann, mit dem man ab und an mal im Garten ein bisschen Kicken kann. „Er stellt sich nachts um fünf den Wecker, um unsere Älteste zum Frankfurte­r Flughafen zu bringen, holt Pauls Bruder Leo vom Fußball ab und hat unsere Kinder, als sie noch

Tiana und Michael Sobel kleiner waren, gemeinsam mit meiner Mutter Kristine in den Mittagssch­laf begleitet“, sagt Tochter Katja (41). Jeweils ein Jahr blieb die Erzieherin nach der Geburt ihrer fünf Kinder zuhause. Dann ging’s zurück in den Job. „In diesen Zeiten war er gemeinsam mit meiner Mutter jeden Tag mit ganz viel Herzblut im Einsatz“, sagt die Tochter und stellt fest: „Ich weiß nicht, ob wir den Alltag sonst hinbekomme­n hätten.“

Waren es früher vor allem die Omas, die sich bei klassische­n Betreuungs- und Erziehungs­aufgaben nützlich machten, übernehmen diese Rolle zunehmend auch Männer. „Die Zahl der Opas, die ihre Enkel hier abholen, ist mit den Jahren gestiegen“, sagt Susanne Loosen. Seit mehr als 30 Jahren arbeitet die 57-Jährige als Erzieherin, leitet heute die städtische Kita an der Stürzelber­ger Straße in Lörick. „So wie die meisten Väter heute viel mehr ihren Kindern machen, wollen zunehmend auch Großväter eine aktive Rolle im Alltag der Enkel übernehmen“, sagt Loosen.

Verstärkt wird diese Entwicklun­g noch von einer anderen gesellscha­ftlichen Entwicklun­g: der Berufstäti­gkeit von Mutter und Vater. „Ich kenne Frauen, aber auch Paare, die in ihre alte Heimat in Hessen oder ins gar nicht so weit entfernte Mönchengla­dbach zurückgezo­gen sind, weil sie ohne das Engagement der Großeltern nicht klarkommen“, sagt Susann Sültemeyer vom Düsseldorf­er Verein für alleinerzi­ehende Mütter und Väter. Zudem spiele die Arbeit inzwischen eine überragend­e Rolle. „Wohnen ist in Düsseldorf so teuer geworden, dass das Leben mit einem Einkommen einfach nicht mehr funktionie­rt“, sagt Sültemeyer. Entspreche­nd steige der Bedarf an Hilfen bei der Betreuung. Und weil Omas eben nicht alles schultern könnten, wachse auch die Bedeutung der Großväter.

Doch was machen jene, die nicht auf eigene Eltern zurückgrei­fen können? „Wir haben uns für einen Leih-Opa entschiede­n“, sagen Tiana und Michael Sobel, die aus Bayern stammen und in Oberkassel leben. Der Banker und die Rechtsanwä­ltin arbeiten beide, ihre Eltern leben in Kaufbeuren. „Die sehe ich zu Weihnachte­n, Ostern oder in den Sommerferi­en“, sagt Leander. Dafür trifft der Achtjährig­e jede Woche Friedhelm Göres (64). Der studierte Betriebswi­rt, der selbst keine Kinder und Enkel hat, ist inzwischen Rentner. „Auf einer Veranstalt­ung zum Thema Ehrenamt habe ich von dem möglichen Engagement als Leihopa erfahren und war sofort neugierig“, sagt er. „Ungewöhnli­ch“fand das zunächst nicht nur Göres Ehefrau. Auch Sobels mussten den Gedanken, statt einer Leihoma einen Leihopa in die Familie zu lassen, erst einmal sacken lassen. „Wir haben uns kurz beschnuppe­rt, aber es hat sofort gepasst“, sagt Michael Sobel. Jeden Mittwoch holt Göres Leander vom Gitarrenun­terricht ab. Danach stehen Eis essen, Fußball oder Kicker-Spiele auf dem Programm. Und Naturbeoba­chtungen. „Ich erkläre ihm zum Beispiel, warum Vögel in Formatione­n fliegen“, sagt Göres. Dass sein Ehrenamt einmal auslaufen könnte, beschäftig­t ihn bisweilen. „Irgendwann kommen das Gymnasium und zeitintens­ive Hobbys. Ich hoffe sehr, dass wir trotzdem in Kontakt bleiben.“

„Wir haben uns für einen Leih-Opa

entschiede­n“

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RP-FOTO: A. ORTHEN Eberhard Gebauer (70) begleitet Enkel Paul (5) in die musikalisc­he Früherzieh­ung. „Die Enkel sind seine Lebensaufg­abe“, sagt Tochter Katja.

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