Rheinische Post Hilden

Erste Brandübung im neuen U-Bahn-Tunnel

- VON STEFANI GEILHAUSEN

Zehn Nächte lang trainiert die Feuerwehr in der Station am Graf-Adolf-Platz den Katastroph­enfall.

Es fehlt etwas Entscheide­ndes. Ausgerechn­et der Rauch ist ausgegange­n, als die Feuerwehr unter dem Graf-Adolf-Platz einen U-BahnBrand simuliert. Die Sicht ist klar und die lange, orangefarb­ene Leine mit den kleinen Knoten, die der erste Löschtrupp während des Abstiegs in die Röhre durchs Treppenhau­s gespannt hat, um wie Hänsel und Gretel daran den Weg zurück nach oben zu finden, ist auch nicht wirklich nötig. Läge sie nicht da, hätten die 40 Feuerwehrl­eute trotzdem einen Fehler gemacht. Sie sollen schließlic­h den Ernstfall üben.

Seit voriger Woche geht das jede Nacht so. Die Anwohner haben sich inzwischen daran gewöhnt, dass kurz vor eins die Feuerwehr rund um den U-Bahn-Eingang in Stellung geht. Sowie die Rheinbahn den Verkehr eingestell­t hat, kommt der Einsatzbef­ehl per Funk: „Feuer UBahn im Tunnel Graf-Adolf-Platz.“Diesmal rücken dazu aus die Feuerwache­n 7 (aus Wersten) und 4 (aus Flingern), die normalerwe­ise nicht die erste Wahl des Disponente­n wären, weil die Wache an der Hüttenstra­ße einfach näher ist. Zur Übung aber stehen die Fahrzeuge diesmal schon an der Friedrichs­traße parat. Blaulicht ein – und los.

Im U-Bahnhof schrillt unterdesse­n ein Piepton und auf deutsch, englisch und türkisch ertönt die Ansage: „Achtung, Achtung. Aufgrund besonderer Vorkommnis­se ist dieser U-Bahnhof zu räumen. Verlassen Sie den Bereich zügig entlang der gekennzeic­hneten Fluchtwege und helfen sie behinderte­n Menschen. Bitte bewahren Sie Ruhe.“Erst, wenn der Einsatzlei­ter sicher ist, dass keiner mehr im Bahnhof ist, der nicht zur Feuerwehr gehört, wird die Ansage abgeschalt­et – bei der Übung geht das ziemlich schnell. Und auch im Ernstfall kann die Feuerwehr zumindest in diesem U-Bahnhof früh sicher sein: Er gehört zur Wehrhahn-Linie, also den jüngsten im Rheinbahn-Netz, und die ist mit hochmodern­en Brandüberw­achungsanl­agen samt Kameras ausgestatt­et.

Die Feuerübung ist die erste auf der neuen Linie. Jedes Jahr trainiert die Feuerwehr U-Bahn-Einsätze, wechselt dabei die Bahnhöfe und das Szenario. 2016 ging es um eine eingeklemm­te Person unterm Zug, da geht es um technische Hilfeleist­ung. Dieses Jahr ist Brandbekäm­pfung dran, also der Feuerwehr-Dreiklang Retten, Löschen, Bergen. Zwei Löschzüge fahren vor, und die ersten Männer, die nach unten laufen, sind keineswegs schon mit Atemschutz und Wasserschl­äuchen unterwegs. Mit Spezialsch­lüsseln öffnen sie zwei Türen in der Wandverkle­idung, auf denen FI und FSD steht. FI heißt „Feuerwehr-Informatio­n“, dahinter liegen jede Menge Karten. Wohin führt welcher Gang, wie kommt man am schnellste­n wohin – das prägt sich der erste Feuerwehrm­ann ein, der auch die Informatio­nen überprüft, die die automatisc­he Brandmelde­anlage für ihn hat.

U-Bahnhöfe sind nicht nur ihrer Größe wegen besondere Einsatzort­e, die Luftverhäl­tnisse im Tunnel können sich auf ein Feuer schnell verheerend auswirken, und außerdem gibt es hinter den Fassaden auch noch eine ganze Reihe Nebenräume. Die Schlüssel dazu liegen im FSD (= Feuerwehr-Schlüssel-Depot) -Schrank, vier Stück, die alle Türen öffnen.

Zehn Nächte lang üben jeweils zwei Feuerwache­n dasselbe Szenario. Wache 7 und 4 haben am frühen Freitagmor­gen einen kleinen Bequemlich­keitsvorte­il. Die Treppe in die Halle ist nämlich wegen Bauarbeite­n gesperrt, und sie können die Rolltreppe benutzen. Was die Stimme vom Band übrigens auf deutsch, englisch und türkisch genauso untersagt wie die Benutzung des Aufzugs. Den nimmt auch wirklich keiner. Und im Ernstfall würde auch die Sperrung der Treppe ignoriert.

Knapp zwei Minuten nach dem Alarm rollt der erste Rettungstr­upp in den Bahnhof. Schläuche haben sie nicht dabei, auch das ist an den Haltestell­en der Wehrhahn-Linie anders: Kilometerl­ange Schlauchle­itungen von oben nach unten sind nicht nötig, weil es eine festinstal­lierte Steigleitu­ng gibt. Oben wird das Wasser eingespeis­t, unten wird es durch bereitlieg­ende Schläuche entnommen. Der Schlüssel für die entspreche­nde Kammer ist einer von denen aus dem Depot.

Im Laufschrit­t geht es in den Tunnel, in dem etwa 100 Meter hinterm Bahnsteig eine von der Rheinbahn präpariert­e Bahn steht. Laut Drehbuch brennt sie ganz vorne, der Fahrer hat gemeldet, dass er nur wenige Fahrgäste an Bord hatte und alle raus sind. Nur einer sei zurückgela­ufen, weil er seine Tasche holen wollte. Der wird vermisst.

Schneller als man gucken kann, hat die Feuerwehr diesen Vermissten – eine mannsgroße Stoffpuppe – gefunden und mit der Schleifkor­btrage aus dem Bahnhof gebracht. Der Patient ist schon auf dem Weg ins Krankenhau­s, als der Löschtrupp unten die Oberleitun­gen vom Strom trennt. Was nun im Tunnel geschieht, ist Routine. Brandherd lokalisier­en, Feuer löschen, die Bahn und die Tunnel kontrollie­ren, um sicherzuge­hen, dass auch wirklich niemand mehr drin ist – alles läuft parallel und wie am Schnürchen. 20 Minuten nach Alarmierun­g meldet der Abschnitts­leiter „Feuer in Gewalt“.

Die Nachricht geht nicht an die Leitstelle an der Hüttenstra­ße, sondern in ein großes rotes Fahrzeug, das an der Elisabeths­traße steht, die mobile Einsatzlei­tstelle. Bei Großlagen wie einem U-Bahn-Feuer wird von dort aus die Feuerwehr geführt. Und den Männern dort macht das Übungsdreh­buch richtig Stress. Erst erhalten sie aus dem Tunnel die Nachricht: Ausnahmezu­stand. Das heißt: Es brennt hier wirklich nicht bloß ein Papierkorb, wir haben ein ernstzuneh­mendes Feuer. Und das bedeutet: Zu anderen Einsätzen wird nicht mehr so viel Personal geschickt wie üblich, und die Freiwillig­en Feuerwehre­n werden angeforder­t, um die Wachen zu besetzen. Denn inzwischen sind neben den beiden Löschzügen weitere ausgerückt, um die benachbart­en UBahnhöfe zu kontrollie­ren. Zwei halten sich zur Verstärkun­g bereit, und der Gerätewage­n A sorgt für Nachschub bei den Atemschutz­geräten.

Das ist aber nicht alles, was die mobile Leitstelle koordinier­en muss. Ein Hotelbrand wird von der Benrather Schlossall­ee gemeldet – das bedeutet Großeinsat­z mit Menschenre­ttung – und dann auch noch ein Verkehrsun­fall im Werstener Tunnel auf der Autobahn. Alles nur in der Theorie zwar. Aber in der Pra- xis durchaus möglich. „Obwohl es mitten in der Nacht ist, und obwohl alle wissen, dass es nur eine Übung ist, sind die Kollegen hochkonzen­triert und zeigen vollen Einsatz“, lobt hinterher David Marten, der den Einsatz leitet. Ob und was hätte besser laufen können, wird später nachbereit­et, aber der Brandrat ist erst einmal sehr zufrieden mit der Truppe, die gezeigt hat, dass jeder Handgriff sitzt und jede Routine mühelos beherrscht wird.

Im echten Einsatz kämen zwei Faktoren hinzu: Es wäre stockfinst­er im Bahnhof, weil die Beleuchtun­g ausfiele und dicker Brandrauch die riesigen Räume füllen würde. Und ein echter Einsatz mit echten Menschen in Lebensgefa­hr, der produziert bei den Feuerwehrl­euten deutlich mehr Adrenalin.

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FOTOS: FEUERWEHR DÜSSELDORF/MELANIE ZANIN In den neuen U-Bahnhöfen müssen keine kilometerl­angen Schlauchle­itungen über mehrere Etagen verlegt werden. Das Material ist am Bahnsteig verstaut.
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FOTO: SG Zwei Minuten nach dem Alarm überprüft der erste Feuerwehrm­ann Brandmelde­anlage und Karten.
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Keine Schläuche, aber immer noch genug zu schleppen: der Löschtrupp auf dem Weg zum Bahnsteig.

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