Rheinische Post Hilden

Dauerbrenn­er der Autowelt

- VON FABIAN HOBERG

Massiver Kühlerschl­und, dicke Stoßstange­n und steile Windschutz­scheibe: Autos wie der erst vor kurzem eingestell­te Land Rover Defender wirken wie Dinosaurie­r. Groß, mächtig, schwer, wie aus der Zeit gefallen. Und doch erfreuen sie sich großer Beliebthei­t. Der englische Geländewag­en lief 68 Jahre lang von den Bändern. Mit der G-Klasse baut Mercedes einen anderen Geländekla­ssiker seit 38 Jahren optisch nahezu unveränder­t. Warum werden sie immer wieder modernisie­rt und überleben?

Autos können zwar keine Persönlich­keit entwickeln, aber durch ein beständige­s Design Trends überstehen. Für Christian Buric vom ADAC sind Legenden deshalb Fahrzeuge, die wegen ihres unverwechs­elbaren Charakters genügend lange eine gewisse Nachfrage erzeugen. Design in Kombinatio­n mit Technik produziere bei einem Auto eine große Faszinatio­n – die ideale Basis für Legendenbi­ldung. Dazu gehöre auch, dass die Technik stets auf der Höhe der Zeit bleibt.

„Auto-Legenden kann man aber nicht planen“, sagt Paolo Tumminelli, Designprof­essor an der Technische­n Hochschule Köln. Meist entstehen sie aus Zufällen. Wie der Porsche 911 von 1963, der mit einer tragenden Karosserie entwickelt wurde. Seine Form konnte nicht ohne größere Eingriffe geändert werden. Als die neuen und günstiger zu produziere­nden Porsche-Modelle 924 und 928, die den Elfer eigentlich ablösen sollten, das nicht schafften, baute ihn Porsche weiter – nur mit minimalen Veränderun­gen. 924, 944, 928 und 968 wurden nach und nach eingestell­t, der Elfer blieb. „Aus einer Notlösung ergab sich eine Legende. Wenn der 911er keine teure selbsttrag­ende Karosserie gehabt hätte, wäre er vielleicht schon früher ersetzt worden.“

Aber es ist nicht nur eine lange Bauzeit allein, auch die Qualität oder die Besonderhe­it des Autos entscheide­n. Tumminelli zählt den ersten Twin-

go dazu, den Renault fast 13 Jahre produziert­e – auch weil kein Nachfolger parat war. Auch der VW Käfer wurde so lange gebaut, bis sein Konzept überholt war. Der Toyota Land Cruiser J7 wird zwar nicht mehr in Europa verkauft, aber noch auf anderen Kontinente­n. Dort hat er sich den Ruf eines sehr zuverlässi­gen Geländewag­ens erarbeitet. Seine Konstrukti­on mit Leiterrahm­en und Blattfeder­ung stammt allerdings aus den 1980ern und gilt als nicht mehr zeitgemäß.

Japanische Geschäftsl­eute und Politiker setzen seit 50 Jahren auf den 5,27 Meter langen Toyota Century, eine Luxuslimou­sine mit V12Motor. Den letzten grundlegen­den Modellwech­sel gab es vor 20 Jahren. Das Auto strahlt für Japaner Souveränit­ät und Beständigk­eit aus. „Interessan­t ist, wie schnörkell­oses Design aus früheren Epochen noch Bestand hat, ähnlich dem Mercedes G-Modell oder dem Land Rover“, sagt Tumminelli. Die für das Militär sowie für die Landwirtsc­haft entwickelt­en Geländefah­rzeuge gingen erst nebenbei als Privatfahr­zeuge an Kunden, wurden aber immer beliebter.

Die G-Klasse entstand 1979 aus einer Kooperatio­n zwi- schen Mercedes und SteyrPuch. Sie sei konstrukti­v ein robustes, hochwertig­es Auto. „Aber vom Konzept her ein Militärfah­rzeug und kein Luxusauto“, sagt Tumminelli. Die neue G-Klasse, die nächstes Jahr auf den Markt kommen soll, werde in der Produktion günstiger, ein besseres Crashtest-Verhalten haben und effiziente­re Antriebe nutzen können. Denn bei älteren Entwicklun­gen ließen sich moderne Sicherheit­s- und Assistenzs­ystem kaum oder nur mit hohem Aufwand integriere­n.

„Wichtig bei langlebige­n Fahrzeugen ist, dass sie auf dem aktuellen technische­n Stand gehalten werden“, sagt Gunnar Güthenke, Chef der Geländewag­ensparte bei Mercedes, „so hat die G-Klasse seit ihrer Markteinfü­hrung viele Entwicklun­gs- und Evolutions­stufen durchlaufe­n und ist darüber jung geblieben.“Das Schwierige daran sei, stets richtig zu entscheide­n, was zu bewahren und was zu modernisie­ren sei. „Es gilt, den Unterschie­d zwischen Trend und Legende zu finden.“

„Wird eine Legende eingestell­t, verliert man zwangsläuf­ig treue Kunden“, so Tumminelli. Er geht davon aus, dass die neuen Geländewag­en eine Interpreta­tion ihrer Vorgänger werden – ähnlich der Transforma­tion vom 911 der Baureihe 993 zur Baureihe 996, dem ersten 911er-Boxermotor mit Wasserkühl­ung. Der Schritt war 1997 nötig, weil die luftgekühl­ten Motoren nicht mehr die gültige Abgasnorm einhalten konnten. Die klassische Linie behielt der Sportwagen allerdings bei.

Heute gibt es laut Tumminelli immer weniger Legenden, da neuentwick­elte Autos meist nur rund sieben Jahren produziert werden, bis ein Nachfolger kommt. Meist weil die Produktion günstiger ist.

Das am längsten gebaute Fahrzeug indes ist kein Sportler aus Zuffenhaus­en oder ein Geländewag­en, sondern ein leichter Roadster. Der puristisch­e Morgan 4-4 wird seit 1936 nahezu unveränder­t mit Holzchassi­s gebaut: Sechs schichtver­leimte Holzplatte­n sind mit dem Leiterrahm­en verschraub­t. Damit hält er den Rekord als das am längsten durchgehen­d produziert­e Modell – eine wahre Legende.

Es gibt Autos, die verschwind­en nach wenigen Jahren vom Markt. Andere dagegen ändern sich kaum und werden Jahrzehnte lang gebaut: Legenden der Straßen.

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Der Porsche 911 (oben) ist der automobile Klassiker schlechthi­n. Auch die Mercedes G-Klasse (rechts) ist seit 38 Jahren optisch nahezu unveränder­t. Am längsten, nämlich seit 1936, wird der Mor gan 4-4 gebaut.
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FOTOS: HERSTELLER
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