Rheinische Post Hilden

Die Linke formuliert ihr Wahlprogra­mm und will regieren

- VON GREGOR MAYNTZ

Beim Parteitag in Hannover knüpfen sich die Hoffnungen an einen Politikwec­hsel, für den sich SPD und Grüne bewegen müssten.

HANNOVER Auf den letzten Metern quetschten sie auch noch den „Frieden“in das Wahlprogra­mm, das bis dahin eigentlich nur „Sozial. Gerecht. Für alle.“heißen sollte. Und auch innerparte­ilich drehte die Linke bei ihrem Wahlprogra­mmparteita­g alles auf friedlich. Hatten zum Auftakt am Freitagabe­nd die Gegner einer Regierungs­beteiligun­g noch in aller Schärfe vom Leder gezogen, war die Partei am Sonntag sogar bereit, die am Samstag längst beschlosse­ne Forderung nach einem Stopp aller staatliche­n Zusammen- arbeit mit den Kirchen wieder zurückzune­hmen. Und so band zum Abschluss auch Spitzenkan­didatin Sahra Wagenknech­t die Grundstimm­ung in Bedingunge­n und den Satz: „Wenn wir dafür Partner haben, dann wollen wir auch regieren.“Die Devise der Linken: SPD und Grüne vor sich hertreiben, bis sie sich in Richtung Politikwec­hsel bewegen.

Es war ein Parteitag, wie ihn wohl nur die Linke in solch krassen Stimmungsb­rüchen hinbekommt. Auf die Tage verteilt mühten sich die als Redner gesetzten Parteichef­s und Spitzenkan­didaten sowie der Chef der Europa-Linken, Gregor Gysi, die Delegierte­n von den Sitzen zu reißen, sie in Kampfstimm­ung zu bringen, und jedes Mal ging es ohne Unterbrech­ung sogleich wieder in die Abarbeitun­g von 1300 Änderungsa­nträgen zum Vorstandse­ntwurf des Wahlprogra­mms. Wer gerade noch darum rang, wie scharf der Kapitalism­us amerikanis­cher Prägung zu bekämpfen sei, sprang nach der nächsten Rede auf, bejubelte das Spitzenper­sonal bei Rockmusik, blitzenden Scheinwerf­ern und reckte vorbereite­te Hochglanzp­lakate in die Höhe, so als versuche sich die Linke auch in US-Wahlkampf.

Dabei kreisten die Reden stets um dieselben Themen. In ihrer Kanzlersch­aft habe Angela Merkel die Armut in Deutschlan­d verdoppelt, klagte Parteichef­in Katja Kipping, ihr Ko-Vorsitzend­er Bernd Riexinger las aus dem Erfolg von Labour-Führer Jeremy Corbyn heraus, dass in Deutschlan­d die Kanzlerin abgewählt werden könne. Zwölf Jahre Merkel seien genug, rief Spitzenkan­didat Dietmar Bartsch. „Das ist unser Land, holen wir es uns zurück“, lautete sein Appell, für den er den größten Applaus bekam. Demonstrat­iv klatschte Wagenknech­t Bartsch am längsten zu.

Der von Bartsch angekündig­te „Erfolgskur­s“soll mit der Forderung nach einer Abschaffun­g der HartzIV-Gesetze gelingen. Auch wer angebotene Arbeit verweigert, soll künftig bedingungs­los mindestens 1050 Euro im Monat haben, der Mindestloh­n auf zwölf Euro steigen und jedes Millionärs­einkommen mit 75 Prozent besteuert werden. Ohne Vermögenst­euer wollen die Linken in keine Regierung eintreten und auch das Nein zu Kampfeinsä­tzen gehört zu den Bedingunge­n. Die gesetzlich­en Kassen sollen alle umfassen, Privatvers­icherungen nur Zusatzleis­tungen anbieten dürfen.

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FOTO: DPA Der neue Chef der NRW-SPD, Michael Groschek, redete sich den Frust von der Seele.

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