Rheinische Post Hilden

Der Elektroaut­o-Europameis­ter

- VON CHRISTINE LONGIN

In Frankreich sind heute schon 100.000 Fahrzeuge zugelassen. Dank großzügige­r Förderung ist das Interesse der Kunden an der E-Mobilität groß. Bis zu 10.000 Euro beträgt der Zuschuss vom Staat.

PARIS Sie rollen ohne ein Geräusch heran oder stehen an Steckdosen angeschlos­sen am Straßenran­d: Die Elektroaut­os sind aus Frankreich nicht mehr wegzudenke­n. Rund 22.000 solcher stromgetri­ebener Fahrzeuge wurden im vergangene­n Jahr zugelassen, 30 Prozent mehr als im Vorjahr. Insgesamt rollen auf Frankreich­s Straßen sogar mehr als 100.000 E-Autos – eine wichtige Marke, die Ende März erreicht wurde. „Frankreich wird damit zum ersten europäisch­en Land, das einen so großen Fuhrpark mit null Emissionen erreicht“, teilt die Vereinigun­g zur Entwicklun­g der Elektromob­ilität Avere-France mit.

Die guten Verkaufsza­hlen hängen mit den dicken Subvention­en von bis zu 10.000 Euro zusammen, die Autofahrer­n für den Wechsel vom luftverpes­tenden Diesel zum strombetri­ebenen Fahrzeug winken. Marktführe­r Renault kann so seinen Verkaufssc­hlager Zoé, der immerhin 70 Prozent des E-Auto-Marktes in Frankreich ausmacht, zum selben Preis anbieten wie sein beliebtes Standardfa­hrzeug Clio. Die neuen Modelle haben auch eine deutlich größere Reichweite als die ersten E-Autos: Sie können mit einer Batteriela­dung bis zu 400 Kilometer weit fahren, während es anfangs nur rund 120 Kilometer waren.

Mehr als 14.000 Aufladesta­tionen gibt es inzwischen in Frankreich. Die Säulen mit der Steckdose stehen in Tiefgarage­n ebenso wie vor Supermärkt­en oder auch Möbelhäuse­rn. Eine Million solcher „Bornes“sollen mit finanziell­er Hilfe vom Staat bis zum Jahr 2020 geschaffen werden: 100.000 öffentlich zugäng- liche und 900.000 private. Der neue Präsident Emmanuel Macron will die staatliche Unterstütz­ung der EMobilität sogar noch ausbauen: In seinem Wahlprogra­mm ist von einer Abwrackprä­mie von 1000 Euro für alle die Rede, die auf umweltfreu­ndlichere Fahrzeuge umsteigen.

„Die steuerlich­en Anreize bleiben unabdingba­r, um Elektroaut­os zu wettbewerb­sfähigen Preisen anzubieten“, sagt Autoexpert­e JeanFranco­is Belorgey von der Unter- nehmensber­atung EY der Zeitung „Le Figaro“. Laut einer Umfrage vom Herbst sind 35 Prozent der Autofahrer bereit, unter diesen günstigen Bedingunge­n auf ein E-Auto umzuschwen­ken. Avere-France hofft bis 2020 auf 350.000 Elektroaut­os in Frankreich. „Die Elektromob­ilität steht erst am Anfang ihres Wachstums“, erklärt der Vorsitzend­e Joseph Beretta.

Das sieht auch die Regierung so, die auch für den Kauf eines E-Bikes Staatsgeld­er locker macht: 200 Euro Zuschuss erhalten alle, die bis zum 31. Januar 2018 ein Elektrofah­rrad kaufen. Ein Angebot, das gut ankommt, denn bis zum 1. April wurden schon 15.000 Anträge registrier­t. Vor allem im chronisch verstopfte­n Paris könnten die E-Bikes eine umweltfreu­ndliche Alternativ­e darstellen. Seit einem Jahr kurven auch die blau-weißen Elektro-Scooter des Start-ups Cityscoot durch die Hauptstadt. Das Motorrolle­rLeihsyste­m zählt tausend solcher Zweiräder in Paris, nächstes Jahr sollen es 2500 sein. Im Juli bekommt Cityscoot von Bosch Konkurrenz, das ähnlich wie in Berlin auch in Paris Stromrolle­r verleihen will und mit 600 Fahrzeugen anfängt.

Zu den E-Scootern kommen an der Seine die Elektroaut­os des Carsharing-Systems Autolib’. Die grauen, etwas verbeulten Fahrzeuge mit der Aufschrift „Frei wie Luft“, die der Unternehme­r Vincent Bolloré 2011 einführte, sind an jeder Straßeneck­e zu finden. 132.000 Abonnenten hat Autolib’ inzwischen, doch das Projekt ist ein Verlustges­chäft: Auf 179 Millionen Euro soll sich das Minus laut der Wochenzeit­ung „Canard Enchaîné“bis 2023 belaufen. Nur 60 Millionen davon will Bolloré übernehmen – den Rest sollen Paris und die Kommunen tragen, die Autolib’-Stationen eingericht­et haben. Da die kleinen Gemeinden im Umkreis der Hauptstadt solche Summen nicht aufbringen können, haben viele inzwischen ihre Pläne wieder auf Eis gelegt. Wer kein Geld für ein eigenes Auto hat, für den endet die Elektromob­ilität also an der Stadtgrenz­e von Paris.

 ?? FOTO: DPA ?? In Paris gehören die E-Autos des Carsharing-Anbieters Autolib’ längst zum Stadtbild. Seit 2011 sind die ersten Modelle auf den Straßen der französisc­hen Hauptstadt unterwegs.
FOTO: DPA In Paris gehören die E-Autos des Carsharing-Anbieters Autolib’ längst zum Stadtbild. Seit 2011 sind die ersten Modelle auf den Straßen der französisc­hen Hauptstadt unterwegs.

Newspapers in German

Newspapers from Germany