Rheinische Post Hilden

Keine Zeit verlieren

-

Meine jüngeren Kommiliton­en haben es nicht leicht. Ständig sind sie den missbillig­enden Blicken der fortgeschr­ittenen Studenten ausgesetzt. Die spötteln darüber, dass die jüngste Generation es mit Ehrgeiz und Fleiß angeblich übertreibt. Das Ironische daran: Auch über meinen Jahrgang haben die Älteren damals schon gesagt, dass wir alle viel zu verbissen sind. Offenbar werden die Erstis also immer als besonders strebsam wahrgenomm­en. Dafür gibt es zwei mögliche Erklärunge­n. Die erste Erklärung ist Neid. Möglicherw­eise sind die Examenskan­didaten neidisch auf die Erstsemest­er, die von Anfang an Vollgas zu geben scheinen. Denn sie wissen: Auch ihnen hätte es wahrschein­lich nicht geschadet, von Beginn an wirklich mitzuarbei­ten. Jetzt ist es zu spät und sie müssen zusehen, dass sie ihre Lücken noch irgendwie gefüllt kriegen. Die andere Erklärung ist, dass die Studenten einfach wirklich von Jahr zu Jahr fokussiert­er werden. Das ist die Erklärung, die ich bevorzuge. Die sinkende Zahl der Studenten, die ins Ausland will, ist dafür ein Indiz. Als ich im vierten Semester war, wollten nahezu alle für zwei Semester weg. Das gehörte irgendwie zum guten Ton. Jetzt bewerben sich viel weniger Viertsemes­ter für die Plätze. Es gibt natürlich auch viele legitime Gründe, nicht ins Ausland zu gehen. Aber die Viertsemes­ter erklären mir, dass sie einfach nicht ein ganzes Jahr verlieren wollen. Einige von ihnen haben mit 17 Jahren angefangen zu studieren. Das ist der Moment, ab dem auch ich dann anfange,

missbillig­end zu gucken.

 ?? FOTO: LAMMERTZ ?? Eva Böning studiert in Freiburg.
FOTO: LAMMERTZ Eva Böning studiert in Freiburg.

Newspapers in German

Newspapers from Germany