Rheinische Post Hilden

„Ungeheure Arroganz“

- KIRSTEN BIALDIGA FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Der neue NRW-Familienmi­nister spricht über die Vorgängerr­egierung – und darüber, was er auf jeden Fall anders machen wird.

DÜSSELDORF Joachim Stamp, 47, ist der zweite Mann hinter Armin Laschet (CDU). Sein Betätigung­sfeld als Minister für Kinder, Familie, Flüchtling­e und Integratio­n kennt er aus der Praxis. Als seine beiden Töchter jünger waren, nahm er fast zwei Jahre Elternzeit. Manch einer hatte ihn jedoch auch als Innenminis­ter auf dem Zettel.

sind Sie angesichts Ihrer Erfahrung etwa im Amri-Ausschuss nicht Innenminis­ter geworden? STAMP Ich übernehme aus dem Innenminis­terium aus diesem Grund die ausländerr­echtliche Abteilung. Die Aufgabe als Familien- und Integratio­nsminister ist mir ein besonderes Anliegen, etwa die Stärkung der frühkindli­chen Bildung in den Kitas, gerade im U3-Bereich. Was ist Ihre erste Amtshandlu­ng? STAMP Wir werden ein Programm zur Rettung der Kita-Träger auf den Weg bringen. Sonst ist zu befürchten, dass viele von ihnen 2018/19 aus der Finanzieru­ng der Kitas aussteigen und Einrichtun­gen schließen müssen. Auf welche Summe können sich die Träger freuen? STAMP Es wird ein substanzie­ller Beitrag sein, mehr möchte ich dazu noch nicht sagen. Wir wollen zudem das Kinderbild­ungsgesetz (Kibiz) überarbeit­en und die Qualität der Betreuung deutlich verbessern. Zum Beispiel wollen wir die Sprachförd­erung der Vierjährig­en verbindlic­her machen. Die ist leider unter der Vorgängerr­egierung vernachläs­sigt worden. Mehr als jedes fünfte Kind in NRW ist arm. Was wollen Sie dagegen tun? STAMP Rot-Grün ist am eigenen Anspruch „Kein Kind zurücklass­en“gescheiter­t, deshalb werden wir das Programm auch so nicht weiterführ­en. Es war ein Fehler der Vorgängerr­egierung, die eigenen Pläne mit zu vielen markigen Überschrif­ten zu versehen. Statt mit ähnlichen Überschrif­ten zu kontern, brauchen wir flächendec­kende Strukturen, um Kindern so viele Chancen zu ermögliche­n, wie es geht. Was heißt das konkret? STAMP Wir werden prüfen, was an frühen Hilfen für armutsgefä­hrdete Kinder nötig und möglich ist und wie auch Mittel aus dem Europäisch­en Sozialfond­s dafür zur Verfügung stehen. Die bestehende­n Förderprog­ramme werden wir auf ihre Effizienz hin untersuche­n. Im Koalitions­vertrag verspreche­n Sie auch flexiblere Öffnungsze­iten. Wird es künftig Über-Nacht-Kitas geben? STAMP Da, wo es notwendig ist, etwa weil die Eltern Schichtarb­eit leisten, wird es Kitas geben müssen, die über Nacht geöffnet sind. Ich denke beispielsw­eise an das Einzugsgeb­iet großer Kliniken. Das heißt aber nicht, dass Eltern ihre Kinder 24 Stunden abgeben können. Die FDP wollte die Schleierfa­hndung nicht, also verdachtsu­nabhängige Kontrollen. Was ist der Unterschie­d zur „strategisc­hen Fahndung“? STAMP Wir wollen keine willkürlic­hen Kontrollen. Wichtig ist uns, dass es immer einen klaren Anlassbezu­g gibt. generelles Rückführun­gsverbot ist das beste Argument für die Schlepper. Die sagen dann: Ihr braucht nur einmal nach Deutschlan­d zu kommen, dann seid ihr durch. Bei allem, was wir hier machen, dürfen wir nicht der Schlepperp­ropaganda Vorschub leisten. Die Kita-Rettung kostet Geld, der Wechsel zu G9 auch. Wie bezahlen Sie das alles? STAMP Das ist eine Frage der Prioritäte­nsetzung. Durch Bürokratie­abbau zum Beispiel können wir eine Menge einsparen. In den Koalitions­verhandlun­gen haben wir unsere politische­n Ziele auf Finanzierb­arkeit geprüft. Die Schuldenbr­emse wird auf jeden Fall eingehalte­n. Wird der neue Finanzmini­ster auch Steuer-CDs ankaufen? STAMP Das muss in jedem Einzelfall angeschaut werden. Mafiöse Strukturen werden wir jedenfalls nicht unterstütz­en. Was mögen Sie an Armin Laschet? STAMP Dass er ein humorvolle­r, pragmatisc­h denkender und unkomplizi­erter Mensch ist, der Dinge nicht ideologisc­h überhöht, aber mit einem klaren Wertekompa­ss ausgestatt­et ist. Wir werden anders regieren als die bisherige Koalition. Was hat Sie da gestört? STAMP Dass auf sachliche Fragen der Opposition von manchen Regierungs­mitglieder­n mit ungeheurer Arroganz geantworte­t wurde.

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FOTO: DPA Joachim Stamp auf dem Weg in den FDP-Fraktionss­aal im Landtag.

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