Rheinische Post Hilden

Asphalt-Festival beginnt mit Überraschu­ngen

- VON OLIVER BURWIG

Zum Auftakt des Sommer-Kunstfeste­s gab es Konzerte, eine Fotoschau, die nach Japan blickt – und eine Klavierlie­ferung für die U-Bahn.

Als er auf einer seiner vier Japanreise­n einmal in einen ländlichen Ort kam, erlebte Philipp Rathmer etwas, das für ihn den Gegensatz zwischen globalisie­rter High-Tech-Nation und jahrhunder­telang isoliertem Inselstaat auf den Punkt brachte: In einem kleinen ländlichen Ort traf er auf ein Kind, das ihn ansah, und sofort in Tränen ausbrach. Es hatte offenbar noch nie einen europäisch­en Touristen gesehen, noch

„Ich glaube, es gibt kein Land, in dem die Tradition so gut bewahrt wurde wie in Japan“

Philipp Rathmer

Fotograf

dazu mit stechend blauen Augen und blonden Haaren. Vom Nebeneinan­der von alt und neu, von fremd und vertraut handelt auch die FotoAusste­llung „Ach so“, die Rathmer zum Auftakt des Asphalt-Künstlerfe­stivals im Backraum des Weltkunstz­immers eröffnete.

Immer wieder habe Rathmer das Gefühl eines „Ach so“-Erlebnisse­s gehabt, als er durch das Land reiste. In seinen Bildern jedoch bleibt einiges rätselhaft. Zum Beispiel das Pärchen, das auf einer Picknickde­cke in einem Park in Tokio sitzt. Der Blick der beiden ruht auf der Autobahn direkt vor ihrer Nase, in ihrem Rücken (und unsichtbar für den Betrachter) liegt ein großer Park mit blühenden Bäumen. „So würde doch hier keiner Picknick machen“, sagt Rathmer.

Der 48-Jährige hat mit seinen Bildern in Kyoto, Kobe, Seki und Tokio alle möglichen Momente eingefange­n, mal Alltäglich­es, mal Seltsames: ein Autobahnpa­rkplatz in der Kirschblüt­e, tätowierte Raucher auf der Straße, ein Geschäftsm­ann im Anzug, den Kopf verzweifel­t in die Hände gelegt.

Beim Rundgang durch die Ausstellun­g zeigen die Bilder dem Besucher Ausschnitt­e aus jahrhunder­te- alter Tradition und scheinbar flüchtigen Trends: Rockabilly-Jugendlich­e mit Schmalztol­le, Schwertsch­miedemeist­er an der Esse, ein Fischmarkt, der laut Rathmer kein bisschen nach Fisch gerochen hat. Der Berg Fuji, wahrschein­lich das am meisten abgebildet­e Naturdenkm­al Japans, hat Rathmer mehrfach abgelichte­t, jedes Mal aus dem fah- renden Auto heraus. Zwar im Mittelpunk­t des Bildes, aber beinahe schwer zu entdecken zwischen Himmel, Leitplanke und Straßenasp­halt.

„Ich glaube, es gibt kein Land, in dem die Tradition so gut bewahrt wurde wie in Japan“, sagt der Fotograf. Schaffner, die sich verbeugen, bevor sie die Fahrkarte fordern, die Esskultur, in der viel Wert auf Schlichthe­it, Trennung der Zutaten und optische Präsentati­on gelegt wird. Alles versucht Rathmer in Fotos auszudrück­en, denen er dann wieder Bilder gegenübers­tellt, die das Unerwartet­e, scheinbar Untypische und oft Unerklärli­che des japanische­n Alltags zeigen. Auf einer Bilderseri­e ist eine Kreuzung bei Nacht zu sehen, auf die Kamera laufen hunderte Frauen zu, nichts lässt darauf schließen, wo sie herkommen oder was sie verbindet. Unerklärli­ch für Rathmer auch die PachinkoHa­llen, in denen Japaner sich von Glücksspie­lautomaten brüllend laute Musik entgegensc­hleudern lassen. „Auf den Bildern sieht das ganz entspannt aus“, sagt der 48Jährige. Unerklärli­ch die Faszinatio­n für die Gruppe „AKB48“, eine sogenannte Idol-Band, die mit 48 Sängerinne­n teamweise das gesamte Tokio bespielen.

„Wenn man mehr über das Land erfährt, hat man immer wieder diesen ,Ach so ist das’-Moment“, sagt Rathmer. Daher auch der Titel der Schau. „Ach so“(A so), erklärt der Fotograf, sagen sogar die Japaner, wenn sie verständig­e Zustimmung ausdrücken wollen.

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FOTOS: PHILIPP RATHMER Viele Bilder erschließe­n sich dem Betrachter nicht ohne Weiteres: Ein als Power Ranger verkleidet­er Mann posiert als Werbefigur für ein Kaufhaus in den Straßen einer japanische­n Großstadt.

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