Rheinische Post Hilden

Tage der Schweitzer-Schule sind gezählt

- VON CHRISTOPH SCHMIDT

Im Frühjahr 2018 wird das städtische Areal erschlosse­n. Dann beginnt die Vermarktun­g von 125 Wohnungen.

HILDEN Beim größten kommunalen Bauprojekt der Stadt tut sich was. Die Verwaltung hat den Abriss der ehemaligen Albert-Schweitzer­Schule ausgeschri­eben. Bis Ende Juli können Firmen ein Angebot abgeben. „Ende Oktober sollen die Bagger anrollen“, sagt Erster Beigeordne­ter Norbert Danscheidt.

Hintergrun­d: Ende September 2016 gab das Land die ehemalige Hauptschul­e nach gut einem Jahr als Flüchtling­sasyl wieder auf. Bürgermeis­terin Birgit Alkenings hatte den Abriss damals vertagt: „Wenn die Zuweisunge­n wieder steigen, ist die Schweitzer-Schule unser Notfall-Plan. Niemand kann absehen, wie sich die Flüchtling­szahlen entwickeln. Keiner würde verstehen, dass wir abreißen und dann Turnhallen mit Flüchtling­en belegen müssen.“Woher rührt der Sinneswand­el? „Wir haben in diesem Jahr kaum Zuweisunge­n bekommen“, sagt ihr Stellvertr­eter. „Wir gehen davon aus, dass die Tore auch nicht mehr aufgehen werden. Das Schulgebäu­de dauerhaft stehen zu lassen, wäre reiner Luxus.“So lange die alte Schule noch steht, ist die geplante Bebauung des gesamten Areals blockiert. Bis zu 125 Wohnungen sollen auf dem Schul-Gelände entstehen. Mehr als sieben Jahre hatte die Politik über das größte kommunale Bauprojekt gestritten. Immer wieder gab es Probleme und Verzögerun­gen.

Nach dem Abriss der Gebäude wird das Areal mit Straßen, Kanälen und Versorgung­sleitungen erschlosse­n – voraussich­tlich ab zweitem Quartal 2018. Dann beginnt die Vermarktun­g. In welcher Reihenfolg­e sei noch nicht festgelegt, so Danscheidt. Sieben Reihenhäus­er an der Lindenstra­ße sollen bereits im Herbst auf den Markt kommen. Auch hier musste die Politik nachbesser­n. Weil sich nicht genug Erwerber für eine preisgünst­ige Bauherreng­emeinschaf­t fanden, hat die Stadt die Grundstück­e der WGH übertragen. Sie soll die sieben Reihenhäus­er errichten und verkaufen.

Das wird aber nur funktionie­ren, wenn die Fraktionen die Auflage streichen, dass mindestens Häuser mit Passivhaus-Standard errichtet werden müssen, beantragte WGHGeschäf­tsführer Andre von Kielpinski-Manteuffel jetzt im Stadtrat. Er legte dar, dass sich ein Passivhaus gegenüber einem KfW-Effizenzkl­asse 55-Haus (Mindeststa­ndard, gefördert von der Kreditanst­alt für Wiederaufb­au) wirtschaft­lich nicht rechnet: „Bei einer Nutzungsda­uer der Gebäudetec­hnik von 20 Jahren würden zum Beispiel 6000 Euro Heizkosten gespart (bei 30 Jahren rund 8000 Euro), die Mehrkosten für ein Passivhaus betrügen aber rund 18.600 Euro.“Die Energiekos­ten werden künftig deutlich steigen, meinte Klaus Dieter Bartel (Grüne): Die Stadt könnte den Grundstück­spreis (400 Euro/m2) um zehn Prozent senken und damit die Mehrkosten für den Passivhaus-Standard kompensier­en. „Entweder bezahlbare­r Wohnraum oder Öko-Standard: Wir müssen uns entscheide­n“, sagte Rudolf Joseph (FDP). Die Erwerber sollten selbst entscheide­n, ob und wie sie Energie sparen wollten. Die Siedlung sollte ein Vorzeige-Projekt für den Klimaschut­z werden, lehnte Ludger Reffgen (BA) die Senkung des Standards ab. „Wir können keine Klimaziele ohne die Verbrauche­r aufstellen“, meinte Marion Buschmann (CDU): „Das Passivhaus-Projekt wird nicht angenommen. Wir wollen bezahlbare­n Wohnraum.“Die SPD sei im Laufe der Jahre schlauer geworden, räumte Jürgen Scholz ein: „Das Passivhaus funktionie­rt – theoretisc­h. Das Verhalten der Käufer ist aber anders.“„Nachhaltig­es Schaffen geht nur, wenn man über die Mindeststa­ndards hinausgeht“, lehnte Ralf Bommermann für die AfD den Antrag ab.

Ein Passivhaus sei brutto 45.000 Euro bei den Baukosten teurer, betont der WGH-Geschäftsf­ührer. Zuschüsse seien dabei schon berücksich­tigt. Diese Mehrkosten seien den Erwerbern kaum zu vermitteln. Mit anderen Worten: Die WGH würde auf Passiv-Häusern sitzenblei­ben. Deshalb strich der Rat mit 35:9 Stimmen den Passivhaus-Standard.

„Entweder bezahlbar oder

Öko“

Rudolf Joseph

FDP

 ?? RP-FOTO: CHRISTOPH SCHMIDT ?? Ende Oktober/Anfang November sollen die Bagger anrollen und die Schulgebäu­de abreißen.
RP-FOTO: CHRISTOPH SCHMIDT Ende Oktober/Anfang November sollen die Bagger anrollen und die Schulgebäu­de abreißen.

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