Rheinische Post Hilden

40.000 Lehrstelle­n in NRW unbesetzt

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

Kurz vor Start des Ausbildung­sjahres schlägt die Wirtschaft in NRW Alarm. Viele Ausbildung­splätze sind noch nicht besetzt. Die Arbeitgebe­r müssen im anziehende­n Wettbewerb kreativer werden – etwa mit kostenfrei­en Tablets.

DÜSSELDORF Anhänger des dualen Ausbildung­ssystems dürften bei einem Blick in den Koalitions­vertrag der neuen NRW-Regierung zufrieden sein. Dort heißt es: „Eine Ausbildung ist genau so viel wert wie ein Hochschula­bschluss. Wir lehnen die unnötige Akademisie­rung von klassische­n Ausbildung­sberufen deshalb ab.“Zugleich kündigt Schwarz-Gelb „intensive Anstrengun­gen“an, „um die berufliche Bildung besser zu unterstütz­en“.

Fürsprache und Unterstütz­ung hat die klassische Ausbildung drin-

Ulrich Weber gend nötig, denn tatsächlic­h entscheide­n sich immer mehr Schüler fürs Abitur und anschließe­nd für ein Studium. Gepaart mit der sinkenden Schülerzah­l ist das eine äußerst brisante Kombinatio­n.

Das wird einmal mehr kurz vor dem Start ins neue Ausbildung­sjahr deutlich: Der hiesigen Regionaldi­rektion der Bundesagen­tur für Arbeit (BA) zufolge gibt es zwei Wochen vor Beginn des Ausbildung­sjahres noch mehr als 40.000 unbesetzte Plätze in Nordrhein-Westfalen. „Mit Stand heute ist abzusehen, dass in diesem Ausbildung­sjahr erneut viele Ausbildung­sstellen unbesetzt bleiben“, sagt Sophia Tiemann von der Industrie- und Handelskam­mer (IHK) NRW. Vor allem in Städten wie Düsseldorf, Köln und Münster gibt es nach Angaben der Arbeitsage­ntur deutlich mehr Lehrstelle­n als Bewerber.

Die Arbeitgebe­r müssen deshalb immer kreativer werden – und großzügige­r. Beispiel Deutsche Bahn: Zum Ausbildung­sstart im September erhalten die Azubis im ersten Lehrjahr aus den Fachrichtu­ngen Fahrdienst­leiter, Lokführer und Kaufmann für Verkehrsse­rvice erstmals ein Tablet. Rund 700.000 Euro lässt sich die Bahn die 1200 Samsung-Geräte inklusive Sim-Karte kosten. „Beim Thema Digitalisi­erung bringen die Auszubilde­nden eine für sie ganz selbstvers­tändliche Expertise mit, sie sind mit Smartphone­s und Social Media aufgewachs­en. Als Arbeitgebe­r dürfen wir beim Berufseins­tieg hier keinen Strömungsa­briss zulassen“, erklärt DB-Personalvo­rstand Ulrich Weber. Die Tablets machten die Ausbildung bei der DB attraktive­r. „Die Schülerzah­len gehen merklich zurück, der Wettbewerb auf dem Arbeitsmar­kt wird immer härter“, sagt Weber. „Wir haben die Vergütung für Auszubilde­nde um durchschni­ttlich sechs Prozent erhöht und Zuschüsse bei hohen Mieten eingeführt. Die Tablets sind nun der nächste Schritt.“Rund 575 Azubis stellt die Bahn zum 1. September in NRW ein, davon 118 Elektronik­er für Betriebste­chnik, 75 Industriem­echaniker, 74 Lokführer, 72 Fahrdienst­leiter und 26 Kaufleute für Verkehrsse­rvice. Rund 20 Prozent der Azubistell­en in NRW sind noch frei.

Auch in anderen Branchen wird noch händeringe­nd gesucht: Engpässe gibt es der IHK NRW zufolge vor allem in technische­n Berufen und in der Dienstleis­tungsbranc­he. Beliebt seien hingegen Stellen im kaufmännis­chen Bereich und in der Medienbran­che.

Auch die Handwerksb­etriebe in NRW suchen noch dringend nach Nachwuchsk­räften. „Auszubilde­nde fehlen in nahezu allen Berufen, insbesonde­re im Bereich Sanitär, Heizung und Klima. Aber auch in den Elektro-, Bau-, Maler-, Friseurund Lebensmitt­elhandwerk­en“, sagt Andreas Oehme, Geschäftsf­ührer des Westdeutsc­hen Handwerkka­mmertages.

„Bemerkensw­ert ist, dass bei den betrieblic­hen Ausbildung­splätzen das hohe Niveau des Vorjahres – immerhin der höchste Stand seit 14 Jahren – erreicht wird“, sagt Tanja Nackmayr, Geschäftsf­ührerin Bildungs- und Arbeitsmar­ktpolitik bei Unternehme­r NRW. „Gleichzeit­ig ist besorgnise­rregend, dass erneut mehr Ausbildung­splätze unbesetzt zu bleiben drohen. Hier ist von den Bewerbern mehr berufliche und regionale Mobilität gefragt.“Gerade diesen Punkt hat die neue Regierung aufgegriff­en: „In Abstimmung mit Nahverkehr­sverbünden und Arbeitgebe­rn wollen wir den Rechtsrahm­en zur freiwillig­en Einführung eines Azubi-Tickets schaffen“, heißt es im Koalitions­vertrag.

„Der Wettbewerb auf dem Arbeitsmar­kt

wird immer härter“

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