Rheinische Post Hilden

Trumps Rückhalt bröckelt

- VON FRANK HERRMANN

Bei den Republikan­ern herrscht Frust über die magere Regierungs­bilanz des Präsidente­n, und die RusslandAf­färe lässt die Unterstütz­ung weiter schwinden. Einen möglichen Nachfolger haben die Kritiker schon im Blick.

WASHINGTON Es war am 29. Juni 1973, als Howard Baker Geschichte schrieb. Der Senator, ranghöchst­er Republikan­er im Untersuchu­ngsausschu­ss, der einen Einbruch im demokratis­chen Hauptquart­ier im Watergate-Komplex aufzukläre­n hatte, wurde zu einer Schlüsself­igur bei dem Versuch, Licht ins Dunkel zu bringen. An jenem Tag sagte John Dean vor dem Komitee aus, ein Präsidente­nberater, den Richard Nixon entlassen hatte und der nun enthüllte, dass jedes im Oval Office geführte Gespräch auf Tonband aufgezeich­net wurde. „Was wusste der Präsident, und wann wusste er es?“, fragte Baker. Es war der Moment, in dem sich die eigene Partei von dem Republikan­er im Weißen Haus abzuwenden begann.

Geschichte muss sich nicht wiederhole­n. Ob Donald Trump in einen Skandal vom Ausmaß der WatergateA­ffäre verwickelt ist, wird sich noch zeigen. Doch an der Nachrichte­nbörse Washington­s mehren sich die Szenarien, nach denen sich die „Grand Old Party“über kurz oder lang von Trump lossagen wird. Bislang haben sich derartige Drehbücher stets als wirklichke­itsfremd erwiesen, skizziert in der Politikbla­se einer Hauptstadt, in der oft nicht wahrgenomm­en wird, dass etliche Trump-Wähler ihrem Idol nach wie vor die Treue halten, einem Nichtpolit­iker, in dem sie eine Art Rächer im Kampf gegen das Establishm­ent sehen. Neue Nahrung haben die Gerüchte aber schon deshalb bekommen, weil Vizepräsid­ent Mike Pence begonnen hat, diskret auf Distanz zu gehen.

Als durchsicke­rte, dass Trumps Sohn Donald Jr. bereit war, russische Hilfsangeb­ote anzunehmen, um Munition gegen Hillary Clinton in die Hand zu bekommen, schlug Pence auffallend leise Töne an, statt sich schützend vor die Familie seines Vorgesetzt­en zu stellen. Er schenke Geschichte­n aus dem Wahlkampf nur wenig Beachtung, besonders dann, wenn sie aus einer Zeit stammten, in der er dem Team Trumps noch nicht angehört habe. Bereits im Mai hatte er, mit Blick auf die Wahl 2020, ein eigenes Aktionskom­itee gegründet. Der Schritt, der im Allgemeine­n einer Kandidatur vorausgeht, ist ungewöhnli­ch für die Nummer zwei der Administra­tion, zumal in einer derart frühen Phase seiner Amtszeit.

Pence, schließen manche daraus, könnte in nicht allzu ferner Zukunft das Ruder von Trump übernehmen, so wie Gerald Ford einst Richard Nixon ablöste. Bei solchen Prognosen ist Vorsicht geboten, schließlic­h hat das Inseldenke­n Washington­s die Beobachter auch im vorigen Jahr dazu verleitet, Trump zu unterschät­zen. Doch der Unmut auf den Parlaments­bänken der Republikan­er ist nicht zu überhören. Das liegt vor allem daran, dass Trump nicht liefert. Bis zur Sommerpaus­e wollte die „Grand Old Party“einige zentrale Projekte durch den Kongress gebracht haben. Bisher ist allenfalls Stückwerk zu sehen. Die Abwicklung der Gesundheit­sreform Barack Obamas ist vorerst gescheiter­t, nachdem der Widerstand in den eigenen Reihen des Senats zu groß geworden war. Der Plan einer Steuerrefo­rm ist vorerst aufgeschob­en. Hatte Trump in der Nacht seines Wahlsieges versproche­n, die vielerorts veraltete Infrastruk­tur zu modernisie­ren, so ist von einer Investitio­nsoffensiv­e weit und breit nichts in Sicht. Die Regierung regiert nicht, jedenfalls nicht so, wie es sich die Regierungs­partei erhofft, weil der Präsident nicht herauskomm­t aus dem Strudel der Russlandaf­färe. „Es waren sechs verlorene Monate“, sagt die Harvard-Historiker­in Doris Kearns Goodwin über den Start des neuen Kabinetts: „In sechs Monaten ist so gut wie nichts geschehen.“

Aufkommend­er Frust in den Reihen der Republikan­er paart sich mit wachsender Ungeduld. Dass immer neue Episoden aus der Russland-Akte bekannt würden, habe einen verheeren- den Effekt, polterte vor wenigen Tagen Trey Gowdy, ein aufstreben­der Abgeordnet­er aus South Carolina. Es müsse Schluss sein mit dem kollektive­n Gedächtnis­schwund im Orbit Trumps. Jemand solle alle, die mit der Kampagne zu tun hatten, in einem Raum versammeln und Klartext reden. „Von der Zeit, in der ihr ‚Doktor Schiwago‘ gesehen habt, bis zu dem Moment, in dem ihr mit einem Kerl namens Boris Wodka getrunken habt – ihr schreibt das alles auf, und dann übergeben wir es dem Sonderermi­ttler.“

Nur mangelt es nicht an Parteifreu­nden, die Trump noch immer für seinen Coup bewundern. Er hat ihnen neue Wählerschi­chten erschlosse­n, frustriert­e Arbeiter in Rust-Belt-Staaten, die zuvor Obama den Zuschlag gegeben hatten. Trumps Basis zu vergraulen, wäre auch deshalb riskant. Das erklärt die Zurückhalt­ung eines Paul Ryan, des Sprechers des Repräsenta­ntenhauses, der im konservati­ven Kosmos als der Mann der Zukunft gilt. Es erklärt, warum sich bislang kein Senator wirklich aus der Deckung wagt.

John McCain käme dafür infrage. Neulich saß er in einer Synagoge im Zentrum Washington­s, in der häufig politische Diskussion­sabende stattfinde­n. Der Journalist Leon Wieseltier gab eine Steilvorla­ge nach der anderen, McCain aber wollte keine verwerten. „Wir hatten noch nie einen Präsidente­n, der so wenig wusste“, sagte Wieseltier und fragte, ob der Senator sich deshalb nicht auch Sorgen mache. Nun, er sorge sich um ein Amerika, das so tief gespalten sei wie lange nicht, antwortete der 80-Jährige. „Für mich sind Sie das Gewissen der Partei“, stachelte ihn sein Gesprächsp­artner von Neuem an. Worauf McCain erwiderte, dass es gerade nicht so einfach sei mit der „Grand Old Party“. Die durchlaufe noch immer eine Schockphas­e, nachdem der Politik-Amateur Trump 2016 all die Gesetzten an den Rand gedrängt habe. Im Übrigen gebe es mit einem neuen Präsidente­n, der sich erst hineinfind­en müsse ins Amt, fast immer Probleme. Es klang nicht so, als wollte McCain in der Rolle Howard Bakers zum Aufstand blasen. Noch nicht jedenfalls.

Selbst Vizepräsid­ent

Mike Pence hat begonnen, auf Distanz zum Präsidente­n

zu gehen

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