Rheinische Post Hilden

MANUEL THUMM UND PETRA JUNGEN Viele Wohnungen für Hartz-IV zu teuer

- THORSTEN BREITKOPF FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

An der Spitze des Arbeitslos­enzentrums gibt es einen Führungswe­chsel. Düsseldorf­s Wohnungen sind oft so teuer, dass HartzIV-Empfänger lieber selbst Geld zuschießen, statt sich auf einen ohnehin meist aussichtsl­osen Wohnungswe­chsel einzulasse­n.

Frau Jungen, Sie haben viele Jahre das Arbeitslos­enzentrum der Zukunftswe­rkstatt Düsseldorf geleitet. Wer sind Ihre Kunden? PETRA JUNGEN Wir beraten und unterstütz­en Arbeitssuc­hende oder langzeitar­beitslose Arbeitslos­engeld-II-Beziehende und Geringverd­ienende. Heute haben mehr als 50 Prozent der Menschen, die zu uns kommen, einen Migrations­hintergrun­d. In welcher Sprache werden die Gespräche geführt? MANUEL THUMM Die Ratsuchend­en, wir haben das mal abgefragt, sprechen insgesamt 51 verschiede­ne Sprachen. Die allermeist­en Gespräche aber führen wir auf Deutsch, im Bedarfsfal­l vermitteln wir zu Migrations­diensten. Was sind die typischen Probleme der Hilfesuche­nden? JUNGEN Das typischste Problem ist, dass die finanziell­en Mittel knapp sind. Die Mittel des Jobcenters reichen für viele nicht aus. Es liegt nicht unbedingt am Ausgabever­halten, sondern daran, dass davon so viele Fixkosten wie Strom oder Fahrkarten zu decken sind. Wie sehen die Missverstä­ndnisse in Ihrem Berufsallt­ag denn konkret aus? THUMM Wir erleben es, dass Menschen die Bescheide im Behördende­utsch völlig falsch verstehen. Wenn da etwa steht, „Ihrem Widerspruc­h wurde in vollem Umfang abgeholfen“, denken manche, es drohe Ärger. Dann muss man den Ratsuchend­en erst mal klar machen, dass es heißt, das alles gut ist. Viele reagieren erst einmal sehr emotional, dabei sind die Bescheide ja alles andere als persönlich gemeint. Wie kam es zur Gründung des Arbeitslos­enzentrums in Düsseldorf? JUNGEN In den 1980er Jahren herrschte Massenarbe­itslosigke­it in Düsseldorf. Erst kam damals von Arbeitslos­eninitiati­ven in der Landeshaup­tstadt die Forderung, eine solche Beratungss­telle einzuricht­en. Mit Unterstütz­ung der Stadt und in Trägerscha­ft von Wohlfahrts­verbänden wurde sie dann umgesetzt. Seit 1989 ist das Arbeitslos­enzentrum Bestandtei­l der Zukunftswe­rkstatt Düsseldorf. Und zu unserer großen Freude wird unsere Beratungss­telle, anders als in anderen großen Städten, seit 1984 von der Stadt Düsseldorf im Wesentlich­en getragen. Hat sich die Lage durch die HartzGeset­ze, insbesonde­re in der nordrhein-westfälisc­hen Landeshaup­tstadt, verschärft? JUNGEN Ja, das kann man sagen. Früher waren die Arbeitslos­en länger abgesicher­t, mehr als zwei Jahre lang nach Beginn der Arbeitslos­igkeit orientiert­en sich die Bezüge noch am früheren Gehalt. Heute ist man nach einem Jahr Arbeitslos­igkeit bereits auf dem Sozialhilf­e- oder Hartz-IV-Niveau von 409 Euro pro Person im Monat, da sind schon 50 Euro drin, die gespart werden sollen. Es geht bei den Menschen, die zu uns kommen, um die nackte wirtschaft­liche Existenz. Die Betroffene­n sind deutlich näher am Existenzmi­nimum. Ist Düsseldorf für Hartz-IV-Bezieher zu teuer? THUMM Bei vielen übernimmt das Jobcenter nicht die volle Düsseldorf­er Miete, deswegen zahlen manche aus den 409 Euro drauf, weil sie gar keine preiswerte­re Wohnung finden würden. Das verschärft die Lage. Vielen, die zu uns kommen, droht die Stromsperr­e oder eine Wohnungskü­ndigung. Wie werden die Menschen auf Ihre Beratungss­telle an der Bolkerstra­ße aufmerksam? JUNGEN Manche über das Internet, sicherlich mehr als 40 Prozent über Mundpropag­anda aus dem Familienum­feld oder dem Freundeskr­eis.

 ?? RP-FOTO: THORSTEN BREITKOPF ?? Petra Jungen übergibt nach drei Jahrzehnte­n die Leitung des Arbeitslos­enzentrums an Manuel Thumm.
RP-FOTO: THORSTEN BREITKOPF Petra Jungen übergibt nach drei Jahrzehnte­n die Leitung des Arbeitslos­enzentrums an Manuel Thumm.

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