Rheinische Post Hilden

Schläger vom Gressard-Platz wieder frei

- VON CHRISTOPH SCHMIDT UND GÖKÇEN STENZEL

Die Staatsanwa­ltschaft Düsseldorf will versuchen, „zeitnah Anklage zu erheben“. Dem Opfer geht es besser.

HILDEN Die Untersuchu­ngshaft gegen einen mutmaßlich­en Schläger wurde ausgesetzt, es gibt noch keinen Verhandlun­gstermin: Das ist der neueste Stand in der Sache Körperverl­etzung am Fritz-GressardPl­atz in Hilden. Rückblende.

In der Nacht auf den 31. Oktober 2016 wurde ein 24-Jähriger gegen 2.30 Uhr von zwei Männern angegriffe­n und mit Tritten gegen den Kopf lebensgefä­hrlich verletzt. Das Verbrechen erschütter­te wegen seiner Brutalität die ganze Region. Das Opfer wurde mit Schädelbru­ch und eigentlich tödlichen Kopfverlet­zungen in die Neurochiru­rgie des Städtische­n Klinikums Solingen gebracht.

Die Ärzte legten ihn in ein künstliche­s Koma und öffneten seine Schädeldec­ke. Wochenlang schwebte „Karel“(den Namen bekam er in der Klinik) zwischen Leben und Tod. Den Ärzten gelang es schließlic­h, ihm in mehreren Operatione­n das Leben zu retten. „Diese Brutalität erschütter­t mich sehr“, sagte der Leitende Arzt Professor Thomas Standl damals im Gespräch mit der RP: „Noch vor zehn Jahren hätte es für den jungen Mann keine Rettung gegeben.“Karels jugendlich­es Alter sei mit dafür ausschlage­nd gewesen, dass er den Angriff überleben konnte.

Gut vier Monate nach der Tat gelang der Polizei ein Fahndungse­rfolg. Sie nahm einen „22-jährigen Hildener mit Migrations­geschichte“– so die Formulieru­ng – als Täter fest. Er kam in Untersuchu­ngshaft. Inzwischen ist bekannt, dass er erst 19 Jahre alt ist. Und seit einiger Zeit auch wieder auf freiem Fuß. Die Staatsanwa­ltschaft Düsseldorf will ihn als Haupttäter anklagen, bestätigt Sebastian Steinforth von der ermittelnd­en Behörde: „Wir versuchen, zeitnah Anklage zu erheben. Es gibt noch keinen Verhandlun­gstermin.“Der Hauptbesch­uldigte war wohl nicht allein am Tatort. Die Polizei hat die Daten der Mobiltelef­one von zwei weiteren Männern ausgewerte­t, konnte ihnen aber keine Tatbeteili­gung nachweisen. „Wir haben keine weiteren Beschuldig­ten ausfindig machen können“, sagt Sebastian Steinforth: „Das ist der bisher letzte Stand.“

Aktuell wird der Fall unter „gefährlich­er Körperverl­etzung“geführt. Ob auch die Anklage so lauten wird, sei offen, so Steinforth. Der Vorwurf „Mord“sei geprüft und verneint worden: „Weil sich nicht mit Sicherheit sagen lässt, ob die Verletzung­en tatsächlic­h durch Tritte entstanden sind oder durch den Sturz auf den Boden.“

Und so kam die Polizei dem Täter auf die Spur: Der 19-jährige Schläger ließ seine Baseballmü­tze, seine Brille und seine Jacke am Tatort zurück. Die Ermittler konnten DNASpuren sichern. Das steht für Desoxyribo­nukleinsäu­re, dem Träger der menschlich­en Erbinforma­tionen, die sich in jeder Körperzell­e befinden. Die DNA ist der geneti- sche Fingerabdr­uck, so einzigarti­g wie jeder Mensch. Beim Abgleich der DNA-Spuren mit der PolizeiDat­ei erzielten die Fahnder einen Treffer, die Leitende Kommissari­n zeigte sich erleichter­t. Der 19-Jährige war bereits polizeibek­annt.

Sein Opfer „Karel“konnte die Klinik inzwischen verlassen und hat eine Reha abgeschlos­sen. Die Staatsanwa­ltschaft lässt ein ärztliches Gutachten anfertigen, ob der 24-Jährige bleibende Schäden davontrage­n wird. Das wird im Prozess eine wichtige Rolle spielen.

„Karel geht es so weit gut“, bestätigt sein Betreuer auf Nachfrage unserer Redaktion. Aber: „Seine linke Körperhälf­te funktionie­rt noch nicht so wie die rechte. Er hat Schwierigk­eiten mit der Koordinati­on.“Das hat mit den schweren Kopfverlet­zungen zu tun. Mit der Zeit können aber die unverletzt­en Gehirnregi­onen „lernen“, die Aufgaben der verletzten Abschnitte zu übernehmen, haben die Ärzte Karel Hoffnung gemacht.

Seine Ausbildung bei einer Hildener Firma musste der junge Mann aufgegeben. „Karel kann nicht arbeiten. Das belastet ihn psychisch stark“, berichtet sein Betreuer: „Er ist noch gehandicap­t. Er will schnell wieder arbeiten und niemandem auf der Tasche liegen.“

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FOTO: VERANSTALT­ER

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