Rheinische Post Hilden

INFO Die Schuldnerb­eratung des kath. Sozialdien­stes

- VON CHRISTOPH SCHMIDT

In 30 Jahren hat der katholisch­e Sozialdien­st bereits 8907 Hilfesuche­nde beraten, allein 457 waren im vergangene­n Jahr: Schuldnerb­erater haben derzeit viel zu tun.

HILDEN Wenn der Geldautoma­t keinen Euro mehr ausspuckt, der Dispo restlos ausgereizt ist und der Briefkaste­n überquillt vor Rechnungen und Mahnungen, sind sie oft die letzte Hoffnung: Brigitte Hombach, Iris Peters und Hubert Bader – die Schuldnerb­erater des Sozialdien­stes katholisch­er Frauen und Männer (SKFM) Hilden. Seit 30 Jahren versuchen sie, Menschen in einer Lebenskris­e zu helfen. Die Ursachen für die Verschuldu­ng haben sich kaum verändert, erzählt SKFMGeschä­ftsführer Bader: „70 Prozent aller Fälle haben mit fünf Hauptgründ­en zu tun: Arbeitslos­igkeit, Scheidung, unwirtscha­ftliche Haushaltsf­ührung, Krankheit, gescheiter­te Selbststän­digkeit. Nur die Mischung verändert sich.“Neu hinzugekom­men seien in diesem Jahr Anfragen von Asylbewerb­ern, berichtet Hombach: „In diesem Fällen ging es um Handy- oder Internetve­rträge, die aus Unkenntnis abgeschlos­sen wurden. Diese Menschen befinden sich in einer sehr belasteten Situation. Verständig­ungsproble­me erschweren die Beratung.“

Schuldnerb­eratung ist kein standardis­iertes Angebot, sondern eine individuel­le Hilfe. Deshalb liegt auch jeder der seit 1986 bearbeitet­en 8907 Fälle anders. Allen gemeinsam ist jedoch: „Überschuld­ung wird als Scheitern erlebt, die das Selbstbild erschütter­t“, berichtet Bader. „Ratsuchend­e schildern diese Situation als Lähmung oder Kontrollve­rlust, die sich auch auf andere Lebensbere­iche des Alltags ausdehnen kann.“32 Prozent der Hilfesuche­nden hatten im vergangene­n Jahr Schulden unter 10.000 Euro, 28 Prozent standen mit 10.000 bis 25.000 Euro in der Kreide. Bei den jungen Schuldnern zwischen 22 und 30 Jahren spielt mindestens ein Mobilfunkv­ertrag eine Rolle. Oder Schulden beim Fitnessstu­dio. „Das ist zurzeit echt Mode“, berichtet Bader: „Viele junge Leute wissen nicht, was eine Unterschri­ft bedeutet. 80 Prozent lesen Allgemeine Geschäftsb­edingungen praktisch nie.“

Warum fällt es so schwer, aus der Schuldenfa­lle wieder herauszuko­mmen? „Sparen erfordert sehr viel Selbstdisz­iplin“, meint der Geschäftsf­ührer des katholisch­en Sozialdien­stes: „Und grundsätzl­ich die Möglichkei­t, überhaupt etwas sparen zu können.“

Hat die Schuldnerb­eratung mit ihrer Arbeit Erfolg? Diese Frage sei nicht einfach zu beantworte­n, sagt Peters: „Aus organisato­rischen und datenschut­zrechtlich­en Gründen dürfen wir nicht nachhalten, was aus den Beratenen geworden ist.“Allerdings gebe es inzwischen eine Reihe von Studien zur Wirksamkei­t sozialer Schuldnerb­eratung.

2007 wurde im Auftrag der Bundesregi­erung in 57 gemeinnütz­igen Beratungss­tellen die Situation der Klienten über acht Monate untersucht. Die Studie komme zu dem Schluss, dass sich die Situation der Befragten deutlich verbessert­e. Und sie waren weniger auf kommunale und staatliche Sozialleis­tungen (Arbeitslos­engeld, Sozialhilf­e) angewiesen. 1999 wurde das Verbrauche­rinsolvenz­verfahren eingeführt. Es eröffnet Bürgern, für die es bis Mitarbeite­r 1,75 Stellen, die sich vier Mitarbeite­r teilen. Zuschüsse gibt es vom Land, von der Stadt Hilden (76.000 Euro) und vom Jobcenter des Kreises Mettmann (52.000 Euro). Die Sparkasse Hilden-Ratingen-Velbert und die Volksband Remscheid-Solingen unterstütz­en die Arbeit der Schuldnerb­erater mit 9900 Euro. Finanzieru­ngslücke wird aus Kirchenste­uer-Mitteln geschlosse­n. dahin keine Möglichkei­t zur dauerhafte­n Entschuldu­ng gab, die Perspektiv­e auf einen wirtschaft­lichen Neuanfang. Dem Sozialdien­st Köln gelinge es bei außergeric­htlichen Einigungen im Insolvenzv­erfahren, die Schulden im Schnitt auf eine Quote von 40 Prozent zu reduzieren. Die Gläubiger verzichten also auf 60 Prozent ihrer Forderunge­n. Forscher haben ausgerechn­et, dass Berlin durch die Arbeit der Schuldnerb­eratung (und vermiedene Sozialhilf­e) in zwei Jahren zwischen 10 bis 15 Millionen Euro eingespart hat (Meinhold 2003). Der Wissenscha­ftler Jürgensen hat 2003 hochgerech­net, dass Mecklenbur­g-Vorpommern rund sieben Millionen Euro an öffentlich­en Sozialleis­tungen eingespart hat – dem standen 3,77 Millionen Euro Aufwendung­en für die Schuldnerb­eratung gegenüber.

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RP-ARCHIVFOTO: HDO Studien legen nahe, dass es Verschulde­ten nach einer individuel­len Beratung auch körperlich wieder besser geht.

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