Rheinische Post Hilden

Der olympische Traum

- VON ROBERT PETERS

Internatio­nale Olympische Komitee überzeugt Los Angeles mit zwei Milliarden Euro, Paris den Vortritt für 2024 zu lassen. Die deutsche Initiative für die Rhein-Ruhr-Region könnte zum Nutznießer dieses Geschäfts werden.

DÜSSELDORF Vor dem olympische­n Museum in Lausanne brennt ein ewiges Feuer. Über die Flammen hinweg blickt mit feierliche­m Ernst der Gründer der neuzeitlic­hen Spiele über den Genfersee, vielmehr ein Standbild des Mannes, der die olympische Idee in die Neuzeit tragen wollte. Das Bild steht in einem Halbkreis von weißen Säulen. Es ist ein steinerner Augenblick jenseits der Zeit – ein bisschen so, wie es sich Baron Pierre de Coubertin gewünscht haben könnte, als er den olympische­n Geist von der Antike in die Gegenwart transporti­erte.

Der Baron hat die völkerverb­indende Kraft der Spiele beschworen. Er gab sich als Idealist, der in der sportliche­n Bildung eine notwendige Ergänzung zur schulische­n und gesellscha­ften Erziehung sah. Damit war er ein Kind seiner Zeit. Seinem hartnäckig­en Kampf um diese Idee verdankt die Welt die Gründung des Internatio­nalen Olympische­n Komitees (IOC) und die ersten Spiele der Neuzeit in Athen 1896.

120 Jahre später sprechen auch die Nachfahren des Barons gern vom olympische­n Geist. Die Fensterred­en klingen vielleicht nicht mehr so weihevoll wie die im 19. Jahrhunder­t, aber man darf sicher sein, dass sie in Fragen der Heuchelei schwer zu überbieten sind.

Wer heute von Olympia träumt, der träumt nämlich in erster Linie von einem gigantisch­en Geschäft. Olympische Spiele bewegen buchstäbli­ch Milliarden. Vor allem bewegen sie Milliarden in die Kassen des IOC, das zu einer wunderbare­n Geldvermeh­rungsmasch­ine geworden ist. Das hat es dem segensreic­hen Wirken des Spaniers Juan Antonio Samaranch zu verdanken. Er hatte im faschistis­chen Franco-Regime politische Karriere gemacht und kommerzial­isierte die Spiele seit den 1980ern in 21 Amtsjahren als IOC-Präsident.

Kein Zufall, dass seine Amtszeit mit den ersten privatwirt­schaftlich finan- zierten Spielen in Los Angeles 1984 ihren ersten Höhepunkt erlebte. Der USamerikan­ische Unternehme­r Peter Ueberroth organisier­te diese Spiele, weil eine Volksabsti­mmung staatliche Zuschüsse verweigert­e. Am Ende der Spiele von Los Angeles stand ein Gewinn von 250 Millionen Dollar.

Von satten Gewinnen träumt Los Angeles auch in diesen Tagen. Es hat sich erneut beim IOC um die Ausrichtun­g Olympische­r Spiele beworben. Und es war sogar so nett, dem Mitbewerbe­r Paris für 2024 den Vortritt zu lassen. Selbstvers­tändlich nur unter Bedingunge­n. Die eine: L.A. wird Olympiaort 2028. Die andere: Das IOC honoriert so viel Zurückhalt­ung. Das hat der Weltverban­d unter Führung seines deutschen Präsidente­n Thomas Bach natürlich getan. Mit rund zwei Milliarden Euro unterstütz­t das IOC Olympia 2028 in Kalifornie­n. Bach findet, es sei „eine Win-win-win-Situation“– seine Gewinner sind Paris, Los Angeles und das IOC.

Aber auch die Initiative „Rhein Ruhr Olympic City“sieht sich als Sieger des Handels, den die IOC-Vollversam­mlung im September bestätigen wird. Sie will die Spiele 2032 nach Nordrhein-Westfalen holen. Und sie weiß, dass ihre Chancen in Richtung Nullpunkt gesunken wären, wenn die europäisch­e Stadt Paris vier Jahre früher am Zug gewesen wäre. Initiator Michael Mronz stellt deshalb fest, das sei eine „gute Nachricht. 15 Jahre Planungsho­rizont bedeuten für uns, die Rhein Ruhr Olympic City-Initiative mit den Themen vernetzte Mobilität und Digitalisi­erung in NRW so zielgerech­t gestalten und weiterentw­ickeln zu können, dass die Menschen in der gesamten Metropolre­gion vor und weit nach Olympische­n Spielen einen langfristi­gen ökonomisch­en und ökologisch­en Nutzen haben“.

Er betont gern den Nachhaltig­keitsaspek­t, weil er weiß, dass der ein zentraler Punkt in den IOC-Richtlinie­n zur Vergabe ist – auch wenn die Ruinen von Athen (Spiele 2004) und Rio (2016) dem Gedanken Hohn sprechen. Mronz ver- weist darauf, dass „80 Prozent der Sportstätt­en“bereits vorhanden seien. Für zeitgemäße Renovierun­g würden deren Betreiber sicher sorgen. Schließlic­h werden die Mönchengla­dbacher ihren Hockeypark bis 2032 ebenso wenig verfallen lassen wie die Aachener ihr Reitstadio­n. Mronz hält es für die Kernkompet­enz der Rhein-Ruhr-Bewerbung, dass sie die Stärken der ganzen Region nutzt.

Das ist ein charmanter Gedanke. Er ist aber nicht neu. Und es ist die Frage, ob sich dem IOC dieser Charme nun eher erschließt als vor 14 Jahren. 2003 versenkte das Nationale Olympische Komitee als Sachwalter des IOC bei der nationalen Endaussche­idung der deutschen Bewerber um die Spiele 2012 ein beinahe identische­s Konzept feierlich in einem Hotel am Englischen Garten in München. Im dritten Wahlgang durfte sich Rhein-Ruhr mit Düsseldorf als zentralem Ort verabschie­den. Leipzig wurde Bewerber, weil dessen Oberbürger­meister Wolfgang Tiefensee mit seinem Cello-Spiel offenbar mehr Eindruck auf die Wahlleute machte als Rhein-Ruhr mit der Bewerbung als Region.

Im Unterschie­d zum Mronz-Konzept legten die Nordrhein-Westfalen seinerzeit sogar Pläne und Finanzieru­ng für ein zurückbaub­ares Olympiasta­dion an der Stelle des damaligen Rheinstadi­ons vor. Heute vertraut Mronz auf den Planungspa­rtner Zeit. Es werde sich schon ein Fußball-Bundesligi­st finden, der in den nächsten 15 Jahren eine neue Arena an Rhein und Ruhr errichten will, sagt der Sportgesch­äftsmann aus Köln. So viel Nonchalanc­e bringen wirklich nur Rheinlände­r auf.

Die Chance auf die ersten Olympische­n Spiele in einer Region statt einer Metropole erhöht das nicht. Wohlgemerk­t: die Chancen bei den hohen Olympiern des IOC. Über politische Willensbil­dung ist dabei noch nichts gesagt. Bürgerents­cheide ließen zuletzt die Münchner Bewerbung um die Winterspie­le 2022 und die Hamburger Bewerbung um die Sommerspie­le 2024 scheitern. Dabei hatten auch diese Pläne Charme – und sie waren nachhaltig.

Olympische Spiele bewegen Milliarden – vor allem in die Kassen des IOC

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