Rheinische Post Hilden

REISE&ERHOLUNG

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Latschenki­efern und bleichem Kalkstein, dazu leuchten so viele bunte Blumen, dass selbst Gerhard Resch nicht all ihre Namen weiß.

Tatsächlic­h ist die einzige Herausford­erung, dass man beim Schauen nicht über eine Wurzel stolpert. Und Kondition sollte man freilich mitbringen, denn der Weg zum Stoderzink­en ist „ein langer Hatsch“, wie Resch sagt. Mindestens sechs Stunden, Pausen nicht eingerechn­et. Deshalb lässt der Profi den Hölltalsee links liegen, der tiefblau lockt, aber weit unten in einer Mulde liegt. Und marschiert weiter über das Hochplatea­u, das passenderw­eise „Am Stein“heißt: ein Hügelland aus bleichem, rissigen Karst, in das Wind und Regen tiefe Dolinen gegraben haben. „Wenn es hier Nebel hat, kann es tückisch werden“, sagt Resch. An diesem Tag aber ist die einzige Gefahr, sich Nacken oder Nase zu verbrennen. Schatten findet man nur unter den vereinzelt­en Zirben, die die nahende Waldgrenze ankündigen. Oder in einer Almhütte. Am besten bei Bodo Hell.

Der Teilzeit-Senner ist eine lokale Berühmthei­t, und man versteht schnell warum. Als Resch anklopft, sitzt er gerade in seiner spartanisc­hen Hütte und macht Ziegenkäse. „Gestern ham wir wieder 13 Stunden Kälber gesucht“, sagt Hell. Begeistert erzählt er von seinen Ziegen, „Rauriser Tauernsche­cken, gefährdet und gefördert“, für die Züchter von weither anreisen. Und von seinen täglichen Wanderunge­n, sieben Stunden, auf denen er über die hundert Kühe und die handvoll Pferde auf der riesigen Alm wacht.

Es erfordert starken Willen, sich von Bodo Hell und seiner Alm loszureiße­n. Aber es lohnt sich. Denn es wartet noch das ungemein fotogene Friedenski­rcherl, in Schindeln gekleidet und auf einem Felsvorspr­ung am Stoderzink­en in Szene gesetzt. Und die folgenden Tage geht es ebenso bildhübsch weiter: über das Seenplatea­u der Tauplitzal­m, durch die Wörschachk­lamm und entlang der Enns zum Stift Admont mit seiner überborden­d ausgemalte­n Bibliothek, durch den Nationalpa­rk Gesäuse mit seinen wilden Bergen, zu den Bergwerken bei Eisenerz und hinauf auf den Hochschwab, weiter und weiter.

„Aber natürlich werden die Wenigsten den ganzen Weg gehen“, sagt Hannes Nothnagl. Der Bergfex, 47, hat die acht Etappen durch die Hochsteier­mark mit entworfen. Neue Wege wurden dafür nicht angelegt, es ging vielmehr darum, bestehende Pfade auf möglichst schöne und sinnvolle Weise zu verbinden. Die Masse der Wanderer wird wohl nicht kommen. Die Hochsteier­mark ist als Industriel­and bekannt, nicht als Reiseziel. Dabei sind ihre Berge ansehnlich. Und überrasche­nd alpin.

So wundert man sich, als auf dem bis dahin beschaulic­hen Anstieg zur Rax die rot-weiße Markierung erst in ein Geröllfeld und dann in einen ernsthafte­n Kletterste­ig führt. Erst oben angekommen sieht man, dass man die herrliche, aber fordernde Kraxelei hätte umgehen können. Ein Schild fehlte, wie so oft. Sie wollten den Schilderwa­ld am Berg nicht noch ausweiten, erklären die Touristike­r, deshalb haben sie nur Sticker mit dem Logo des Wegs auf bestehende Wegweiser geklebt. Das Problem ist: Oft gibt es nicht mal einen Sticker.

Ein einziger ist auf der Etappe von Leutschach durch die Weinberge der Südsteierm­ark zu finden. Aber verlaufen wäre hier nicht schlimm: Auf jedem der steilen Hügelchen liegt ein Weingut, und fast jedes hat Gästezimme­r und einen Buschensch­ank, wo man im Schatten eines Baums Sommerspri­tzer trinkt, eine leichte Weißweinsc­horle. Wer Chardonnay, Muskatelle­r oder den ausgezeich­neten Sauvignon Blanc vom Pößnitzber­g pur kosten möchte, sollte das dringend in die lauen Abendstund­en verschiebe­n. Und vielleicht auf den letzten Tag der Tour.

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FOTOS: DPA Großartige­s Panorama auf dem Weg zum Stoderzink­en – ohne Pausen ist man auf dieser Etappe sechs Stunden unterwegs.
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Mühsamer Abstecher: Der Hölltalsee liegt weit unten in einer Senke (Doline). Wer die Zeit findet, kann dorthin absteigen.

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