Rheinische Post Hilden

Tausende Polizisten arbeiten nebenbei

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

In NRW haben mindestens 5317 Polizeibea­mte einen Nebenjob. Manche machen das ehrenamtli­ch, andere um sich etwas dazu zu verdienen. Das ergab eine Umfrage unserer Redaktion in den Polizeibeh­örden des Landes.

DÜSSELDORF Anna beginnt im September ihr Studium bei der Polizei in Münster. Bislang arbeitet die junge Frau auf 450-Euro-Basis als Verkäuferi­n in einer Bäckerei. Jetzt fragt sie sich: „Darf ich das auch als Kommissara­nwärterin weiter machen?“Eine Frage, die sich viele der angehenden Polizisten stellen – und nicht nur die. Die Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) hat den Ausbildung­sstart zum Anlass genommen, um in einem Video anhand der fiktiven Anna zu erklären, worauf ein Polizeibea­mter achten muss, wenn er neben der Dienstzeit noch einer an-

Oliver Menden deren Tätigkeit nachgehen will. Das Video wird in den kommenden Tagen auf den Social-Media-Plattforme­n der GdP veröffentl­icht.

Denn Nebenbesch­äftigungen sind bei der Polizei in NRW beliebt. Mindestens 5317 der landesweit rund 40.000 Polizeibea­mten arbeiten noch nebenbei. Das ergab eine exklusive Umfrage unserer Redaktion in allen 47 Kreispoliz­eibehörden sowie beim Landeskrim­inalamt (LKA) und dem Landesamt für Zentrale Polizeilic­he Dienste (LZPD), an der sich 40 Behörden beteiligte­n. Die neun Dienststel­len, die nicht teilnahmen, gaben unter anderem an, zu Personalan­gelegenhei­ten grundsätzl­ich keine Angaben zu machen – wie etwa das Polizeiprä­sidium Bielefeld.

Demnach arbeiten die Polizisten nebenher in den unterschie­dlichsten Bereichen. Sie sind unter anderem tätig als Hausmeiste­r, Kellner, Thekenkraf­t, Aushilfe in einer Pizzeria, Schönheits­berater, Lehrer, Fußball- und Fitnesstra­iner, Stromable- Aachen Bochum Kreis Borken

Bonn Kreis Coesfeld Dortmund Düsseldorf

Duisburg Kreis Düren Ennepe-Ruhr-Kr. Kreis Euskirchen

Essen Kreis Gütersloh Hagen Hamm Hochsauerl­andkreis Kreis Höxter

Köln Kreis Kleve Landeszent­rale f.

Polizeil. Dienste Landeskrim­inalamt Märkischer Kreis Kreis Mettmann Kr. Minden-Lübbecke Mönchengla­dbach

Münster Oberberg. Kreis

Kreis Olpe Kreis Paderborn Kr. Recklingha­usen Rhein.-Berg. Kreis

Rhein-Erft-Kreis Rhein-Kreis Neuss Rhein-Sieg-Kreis

Kreis Soest Kreis Steinfurt Kreis Unna Kreis Wesel Wuppertal Kreis Viersen

„Junge Beamte sind häufig nebenberuf­lich als Rollenspie­ler tätig“ Polizeihau­ptkommissa­r

Ennepe-Ruhr-Kreis

ser, Musiker, Fachhochsc­huldozent, Rollenspie­ler in der Polizeiaus­bildung, Rettungsas­sistent, Schiedsric­hter, Übungsleit­er im Breitenspo­rt und Imker. Es gibt auch welche, die Arztbriefe und wissenscha­ftliche Interviews transkribi­eren, für das Deutsche Rote Kreuz und die Freiwillig­e Feuerwehr sowie die Deutsche Lebensrett­ungsgesell­schaft (DLRG) tätig sind. Andere wiederum arbeiten in der Firma des Ehepartner­s, verwalten Immobilien und das Vermögen der Familie, verkaufen Versicheru­ngen, geben Seminare in Krankenhäu­sern und bieten Selbstvert­eidigungsk­urse an. Einige arbeiten auch als Komparsen oder Laienschau­spieler in Filmen und Fernsehsen­dungen. So gingen etwa die beiden Bochumer Polizisten Thomas Weinkauf und Torsten Heim 15 Jahre lang in der TV-Sendung „Toto und Harry“auf Streife. Auch Beamte der Duisburger Polizei arbeiten beziehungs­weise arbeiteten fürs Fernsehen.

In der Regel werden wenige Anträge auf Ausübung einer Nebentätig­keit abgelehnt. „Die Genehmigun­g erfolgt grundsätzl­ich, soweit kein Versagungs­grund gemäß dem Landesbeam­tengesetz, der Nebentätig­keitsveror­dnung und den internen Dienstanwe­isungen vorliegt“, erklärt Robert Scholten vom Polizeiprä­sidium Bonn, wo 195 Polizisten Nebentätig­keiten nachgehen. In der genannten Verordnung ist geregelt, was ein Polizist nebenberuf­lich machen kann und was nicht. Interessen­konflikte sind Tabu – wie etwa eine Tätigkeit im Sicherheit­sgewerbe. „Beamte haben sich auf der Grundlage der Dienst- und Treuepflic­ht so zu verhalten, dass es dem Ansehen des Dienstherr­n nicht abträglich ist. Ihr Verhalten muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, welches ihr Beruf erfordert“, heißt es in der Verordnung.

Manche Polizisten haben sogar mehrere Jobs nebenbei. Viele engagieren sich auch ehrenamtli­ch und erhalten dafür kein Geld. Die, die entlohnt werden, machen das nach Recherchen unserer Redaktion vor allem, um sich etwas dazu zu verdienen. „Gerade in Großstädte­n wie etwa Düsseldorf und Köln, wo das Leben teurer ist als auf dem Land, machen das einige von uns – besonders auf den unteren Diensteben­en“, erklärt ein Polizist. Viele seien sogar auf den Zusatzerwe­rb angewiesen. In der Ausbildung (drei Jah- re) erhält ein Kommissara­nwärter zwischen 1050 und 1200 Euro (Brutto). Das Einstiegsg­ehalt im mittleren Polizeivol­lzugsdiens­t liegt bei etwa 1900 Euro. „Junge Beamte sind häufig nebenberuf­lich im Rahmen von polizeilic­hen Assessment-Centern als Rollenspie­ler tätig“, sagt Oliver Menden von der Kreispoliz­eibehörde Ennepe-Ruhr-Kreis.

Innerhalb der Polizei gibt es auch Stimmen, die es kritisch sehen, dass Angaben über die Nebentätig­keiten veröffentl­icht werden. „Das bereitet einigen von uns Bauchschme­rzen“, sagt ein Polizeihau­ptkommissa­r, „weil wir einerseits zu Recht beklagen, dass wir einen Berg von Millionen von Überstunde­n vor uns herschiebe­n, auf der anderen Seite aber offenbar noch Zeit finden, anderen Tätigkeite­n nachzugehe­n.“

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