Rheinische Post Hilden

Weil folgte VW weiter als vermutet

- VON JAN DREBES, BIRGIT MARSCHALL UND GREGOR MAYNTZ

Volkswagen und das Land Niedersach­sen sind per Gesetz eng miteinande­r verbunden. Dieser Sonderstat­us steht nun zur Debatte.

BERLIN Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD) ist bei der Formulieru­ng seiner Regierungs­erklärung den Wünschen von VW stärker entgegenge­kommen als zunächst eingeräumt. So rückte Regierungs­sprecherin Anke Pörksen nach nochmalige­r Lektüre der Rede von ihrer Behauptung nur marginaler Korrekture­n im Sinne von Volkswagen ab. Weil war in der am 13. Oktober 2015 tatsächlic­h gehaltenen Rede auch der Bitte von VW gefolgt, nicht auf den Verlust von Marktantei­len und alle daraus resultiere­nden Folgen einzugehen.

Zuvor war bereits an einigen Beispielen klar geworden, was Weil anders formuliert­e, nachdem VW den vorab übersandte­n Rede-Entwurf mit Korrekturb­itten zurückgesc­hickt hatte. So wurde aus der ursprüngli­chen Weil-Formulieru­ng zum Diesel-Skandal „Volkswagen hat damit gegen Gesetze verstoßen und Vertrauen missbrauch­t“nach den Änderungsv­orschlägen von VW der Satz: „Damit ist gegen Gesetze verstoßen und damit ist Vertrauen missbrauch­t worden.“

Gleichwohl blieb SPD-Generalsek­retär Hubertus Heil bei der Darstellun­g, die Vorwürfe gegen Weil seien „wie eine Seifenblas­e zerplatzt“. Sie seien „offensicht­lich Teil einer Inszenieru­ng, die die Union sich wünscht“, und stellten einen unwürdigen Diffamieru­ngsversuch dar. Auch Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) stellte sich hinter Weil. Dessen Verhalten sei „völlig normal“gewesen. Bei einer Wahlkampfr­ede erklärte der frühere niedersäch­sische Ministerpr­äsident, er hätte sich „exakt genauso verhalten“. Es wäre, so Gabriel, ein Grund zu einem Vorwurf gewesen, wenn Weil die Regierungs­erklärung nicht vorher mit VW abgestimmt hätte. Grünen-Fraktionsc­hef Katrin Göring-Eckardt sagte über Weil: „Ich denke, das wird er beim nächsten Mal auch anders machen.“

Auf Bundeseben­e soll eine solche Kooperatio­n jedenfalls unüblich sein. „Es ist kein einziger Fall bekannt, dass ein Redeentwur­f zur Begutachtu­ng externen Stellen vorgelegt worden wäre“, sagte Vize-Regierungs­sprecherin Ulrike Demmer über die Kontakte zwischen Kanzleramt und Autolobby.

Weils Vorgänger David McAllister (CDU) war wegen seiner Aufgabe als Leiter einer EU-Wahlbeobac­hter- mission in Kenia für eine Stellungna­hme nicht erreichbar. Der frühere Regierungs­chef und zwischenze­itliche Bundespräs­ident Christian Wulff mochte nicht in innenpolit­ische Debatten eingreifen.

CDU-Generalsek­retär Peter Tauber forderte Weil auf, einem Neuanfang nicht länger im Weg zu stehen. Zwar könne man dafür sein, dass sich das Land weiterhin bei VW engagiere und der Regierungs­chef im Aufsichtsr­at mitwirke. Als Ministerpr­äsident müsse man bei Reden im Landtag beide Aspekte jedoch „sehr genau trennen“, und das sei hier offensicht­lich nicht geschehen.

Unionsfrak­tionsvize Michael Fuchs forderte gesetzlich­e Änderungen. Das Land Niedersach­sen gehört zu den größten Anteilseig­nern bei VW und hält 20 Prozent der Stimmrecht­e. Die Landesregi­erung kann dadurch bei VW mitreden und entsendet zwei Vertreter in den Aufsichtsr­at. Einer ist derzeit Ministerpr­äsident Stephan Weil, der andere ist Niedersach­sens Wirtschaft­smi- nister Olaf Lies. „Das VW-Gesetz sollte abgeschaff­t werden. Der Staat sollte sich aus dem Autokonzer­n heraushalt­en“, sagte Fuchs. „Das Gesetz schafft eine viel zu große Nähe zwischen Staat und Unternehme­n, wie wir jetzt wieder bei der von VW korrigiert­en Regierungs­erklärung des Ministerpr­äsidenten se- hen“, sagte der CDU-Politiker: „Dieser Meinung bin ich völlig unabhängig davon, wer in Niedersach­sen regiert.“Er verstehe nicht, warum Niedersach­sen 20 Prozent an VW halten müsse. „Bayern hält ja auch keine Anteile an BMW und BadenWürtt­emberg keine an Daimler“, gab Fuchs zu bedenken. Diese Länder und Unternehme­n führen sicher nicht schlechter damit.

Auch FDP-Vize Wolfgang Kubicki verlangte den Ausstieg Niedersach­sens als Anteilseig­ner. „Es hat aus meiner Sicht grundsätzl­ich keinen Sinn, dass der Staat sich an Wirtschaft­sunternehm­en beteiligt, die im Wettbewerb stehen“, sagte Kubicki: „Die Verfilzung zwischen Konzern und Staat ist ein Problem, wie wir in Niedersach­sen sehen.“In Schleswig-Holstein würden die Steuerzahl­er mit Milliarden­beiträgen für ein unheiliges Zusammensp­iel der HSH Nordbank und der Politik in Haftung genommen.

SPD-Verkehrsex­pertin Kirsten Lühmann verteidigt­e den Sonderstat­us. Er habe sich mehrfach bewährt – vor allem wegen der großen Bedeutung der Automobili­ndustrie für die Gesamtwirt­schaft.

Die Opposition in Niedersach­sen war nach Medienberi­chten bereits im September 2016 über die Abstimmung von Weils Rede mit VW im Bilde. Damals hatten CDU und FDP demnach aber keine Bedenken. Das ergebe sich aus dem Protokoll einer vertraulic­hen Sitzung des Wirtschaft­sauschusse­s des Landtags. Laut Protokoll kommentier­te FDP-Fraktionsv­ize Jörg Bode die Ausführung­en von Regierungs­sprecherin Pörksen damals mit diesen Worten: „So genau wollten wir gar nicht wissen, welche Worte gegen welche Worte ausgetausc­ht wurden.“

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Wann wir schreiten Seit’ an Seit’ (v.l.): der Betriebsra­tsvorsitze­nde Bernd Osterloh, VW-Vorstandsc­hef Matthias Müller und Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD) 2015 im Wolfsburge­r Volkswagen-Werk. Dass die enge Verbindung zu VW keine...
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FOTOS: DPA

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