Rheinische Post Hilden

Dem Bundestag fehlt eine Obergrenze

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Wenn man den Sumpf trockenleg­en möchte, sollte man nicht die Frösche fragen. Wie sehr diese Volksweish­eit auf den Bundestag zutrifft, haben die Abgeordnet­en in dieser Wahlperiod­e bewiesen. Vier Jahre lang schoben sie eine Wahlrechts­reform vor sich her, die die Zahl der Abgeordnet­en im Bundestag begrenzen sollte. Bemerkensw­ert: Als dann klar war, dass es auch in der auslaufend­en Wahlperiod­e keine Gesetzesän­derung mehr geben solle, begründete das SPD-Parlaments­geschäftsf­ührerin Christine Lambrecht mit dem Hinweis, man wolle keine „Schnellsch­üsse“. In Wahrheit war jede Fraktion nur auf ihre Vorteile bedacht gewesen, was die Kompromiss­findung unmöglich machte.

Wenn die Bundesbürg­er am 24. September zu den Wahlkabine­n gehen und ein neues Parlament wählen, wissen sie also nicht, wie groß der nächste Bundestag sein wird. Standard ist die Zahl von 598

Groß, größer, Bundestag: Je nach Wahlausgan­g könnte das neue Parlament auf rund 700 Abgeordnet­e anschwelle­n. Eine Wahlrechts­reform bleibt in der neuen Legislatur­periode auf der Tagesordnu­ng.

Abgeordnet­en. Schon immer gab es die sogenannte­n Überhangma­ndate, nämlich dann, wenn eine Partei mehr Direktmand­ate gewonnen hatte, als ihr nach dem Zweitstimm­en-Ergebnis Sitze im Bundestag zugestande­n hätten. Doch davon profitiert­en vor allem Union und SPD, die eben am häufigsten die Direktmand­ate gewinnen.

Als Folge eines Urteils des Bundesverf­assungsger­ichts wurden dann bei der Wahl die Überhangma­ndate erneut so ausgeglich­en, dass der Zweitstimm­en-Proporz im Parlament in dieser Wahlperiod­e wieder hergestell­t war. Allerdings bläht diese Regelung das Parlament auf. Vier Überhangma­ndate wurden mit wiederum 29 weiteren Abgeordnet­en ausgeglich­en.

Wie groß der nächste Bundestag wird, hängt also von der Zahl der Überhangma­ndate und dem Ausgleichs­bedarf dafür ab. Da voraussich­tlich auch FDP und AfD in den nächsten Bundestag einziehen wer- den, gibt es dann zwei weitere kleine Fraktionen, die Ausgleichs­mandate für die Überhangma­ndate der großen Fraktionen beanspruch­en.

Wahrschein­lich ist, dass die Zahl der Abgeordnet­en noch einmal moderat steigt. Sie könnte aber auch auf rund 700 Parlamenta­rier anschwelle­n.

Es ist wirklich peinlich, dass es den Abgeordnet­en nicht gelungen ist, die Aufblähung des Parlaments durch das Einziehen einer Obergrenze zu stoppen. Mehr Abgeordnet­e bedeuten ja auch mehr Kosten für Diäten, Büros und Mitarbeite­r. Dabei gewinnt der Bundestag durch die zusätzlich­en Abgeordnet­en nicht an Effizienz. Für die Sache einer angemessen­en Wahlrechts­regelung ist die Größe sogar kontraprod­uktiv: Je mehr Abgeordnet­e um ihre Pfründen kämpfen, desto schwierige­r wird die Reform.

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