Rheinische Post Hilden

Clement soll Arzneimitt­elbehörde nach Bonn holen

- VON KIRSTEN BIALDIGA

Die EU-Agentur muss London wegen des Brexit verlassen. Sie an den Rhein zu verpflanze­n, wird aber kein leichtes Unterfange­n.

DÜSSELDORF Für sein neues Ehrenamt muss Wolfgang Clement nicht lange üben. „Kaum ein anderer Bewerber ist so gut geeignet“– so legt sich der frühere NRW-Ministerpr­äsident und Ex-Bundesmini­ster für seine Wahlheimat Bonn ins Zeug. Als Sonderbots­chafter soll er im Auftrag des Bundesgesu­ndheitsmin­isters dafür werben, dass die Europäisch­e Arzneimitt­elagentur (EMA) ihren Sitz künftig in Bonn hat. Das fällt ihm an diesem Morgen an seiner früheren Wirkungsst­ätte, der Düsseldorf­er Staatskanz­lei, nicht schwer: „Die Kriterien der EUKommissi­on für den EMA-Standort kann kaum eine Stadt besser erfüllen“, schwärmt der 77-Jährige. Von der Agentur mit 900 Mitarbeite­rn, die ihren Sitz zurzeit noch in London hat, würden Bonn und wohl auch ganz NRW stark profitiere­n. 36.000 Experten würden die Behörde, die EU-weit für die Kontrolle von Arzneimitt­eln zuständig ist, jährlich aufsuchen, ergänzt Bundesgesu­ndheitsmin­ister Hermann Gröhe (CDU). Sollte die Wahl auf Bonn fallen, käme damit zugleich eine Vielzahl internatio­naler Konferenze­n nach Bonn. Dies verspreche Wachstumsi­mpulse auch für andere Branchen wie das Hotelgewer­be. Einziehen könnte die EMA in ein neues Gebäude am Bundeskanz­lerplatz nahe dem früheren Bundestag.

Doch dass Bonn den Zuschlag bekommt, ist längst nicht ausgemacht. Insgesamt 23 EU-Städte bewerben sich um den Sitz der EMA, darunter Wien, Amsterdam, Barcelona und Bukarest. Nach Informatio­nen unserer Redaktion hat auch Barcelona eine sehr überzeugen­de Bewerbung eingereich­t. Und für Bukarest spreche, dass bisher keine einzige EUAgentur ihren Sitz in Rumänien hat.

Noch etwas verringert die Wahrschein­lichkeit, dass die Wahl am Ende auf Bonn fällt: Das Bundesfina­nzminister­ium will die europäisch­e Bankenaufs­icht (EBA), die ebenfalls wegen des Brexit London verlassen wird, nach Deutschlan­d holen und in der Nachbarsch­aft der Europäisch­en Zentralban­k in Frankfurt ansiedeln. Dass aber Deutschlan­d beide EU-Institutio­nen bekommt, ist Insidern zufolge so gut wie ausgeschlo­ssen. Eine Entscheidu­ng werden die 27 im Europäisch­en Rat vertretene­n Minister der Mitgliedsl­änder im November in geheimer Abstimmung fällen. Die Zeit drängt, denn schon im März 2019 soll die EMA an neuer Stelle ihre Arbeit aufnehmen können.

Nicht viel Zeit also für Sonderbots­chafter Clement, politische Kontakte spielen zu lassen und in den einzelnen EU-Ländern für Bonn Werbung zu machen. Ein Argument wird er dabei ins Feld führen, das die ehemalige Bundeshaup­tstadt vielleicht tatsächlic­h von allen anderen abhebt: „Bonn ist wirklich routiniert in Umzügen. Ich kenne keine Umstruktur­ierung, die weltweit so perfekt gelungen ist wie der Regierungs­umzug von Bonn nach Berlin.“

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