Rheinische Post Hilden

ARNDT KIRCHHOFF Moderne Arbeitszei­t nicht mit Brechstang­e

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Der Präsident des Arbeitgebe­rverbands Metall NRW warnt die IG Metall davor, in der kommenden Tarifrunde für die Metallund Elektroind­ustrie die „Arbeitszei­trosinen“aus dem Kuchen picken zu wollen.

Die Tarifrunde 2018 liegt scheinbar noch in weiter Ferne. Tatsächlic­h aber hat der Erste Vorsitzend­e der IG Metall, Jörg Hofmann, schon auf dem Arbeitszei­tkongress der Gewerkscha­ft im Juni 2017 die Ouvertüre dirigiert. Er hat die Arbeitszei­t zum Thema der kommenden Auseinande­rsetzung ausgerufen.

Darüber, wie ein modernes, an den Lebensphas­en und Bedürfniss­en der Beschäftig­ten orientiert­es Arbeitszei­tregime aussehen kann, haben wir Metallarbe­itgeber mit der

„Die IG Metall verlangt Bezahlung für nicht geleistete Arbeit. Da hört mein Verständni­s auf“

Arndt Kirchhoff Gewerkscha­ft in den vergangene­n beiden Jahren intensive Gespräche geführt. Beiden Seiten war klar, dass ein neues Modell bei aller Rücksicht auf die Mitarbeite­rinteresse­n auch dem Bedarf der Betriebe in einer zunehmend digitalisi­erten Arbeitswel­t genügen muss – eine zugegebene­rmaßen nicht einfache, aber in sozialpart­nerschaftl­ichen Verhandlun­gen lösbare Aufgabe. Die IG Metall hat das Thema im Rahmen ihres Arbeitszei­tkongresse­s dann auch aufgegriff­en. Sie diskutiert­e die Arbeitszei­t auf Basis einer sehr umfassende­n Mitglieder­befragung.

Die Schlussfol­gerungen, die die Gewerkscha­ftsspitze zum Ende des Kongresses gezogen hat, muten allerdings wenig zukunftswe­isend an. Denn bei Lichte betrachtet reduziert der Gewerkscha­ftsvorsitz­ende die umfassende Gestaltung der Arbeitszei­t auf einen Anspruch für bestimmte Arbeitnehm­ergruppen auf Verkürzung der wöchentlic­hen Arbeitszei­t mit dem Recht auf Rückkehr in Vollzeit. Praktiker in mittelstän­dischen Betrieben und vielen Großuntern­ehmen wird diese Forderung nicht irritieren. Einem Beschäftig­ten, der Angehörige pflegen muss oder sich für eine gewisse Zeit intensiver der Kindererzi­ehung widmen will, wird dies – wo eben vertretbar – schon heute ermöglicht. Wenn die private Aufgabe erledigt ist, folgt auch regelmäßig die Rückkehr in Vollzeit. Neu ist allerdings, dass sich die IG Metall einen Lohnzuschu­ss für die unteren Entgeltgru­ppen während der Zeit der reduzierte­n Arbeitszei­t vorstellt. Sie verlangt Bezahlung für nicht geleistete Arbeit. Da hört dann allerdings mein Verständni­s auf. Ich bin mir auch sicher, dass sich die Zustimmung bei den Arbeitnehm­ergruppen in Grenzen halten wird, die nicht in den Genuss dieses Privilegs kommen sollen. Wie man, ohne das Prinzip von Leistung und Gegenleist­ung zu verletzen, durch den Einsatz von Arbeitszei­tkonten zu einem verstetigt­en Einkommen während der reduzierte­n Arbeitszei­t kommen kann, ist übrigens im bestehende­n Tarifvertr­ag Bildungste­ilzeit nachzulese­n. Nicht zuletzt deshalb frage ich mich, ob die IG Metall das Selbstvert­rauen verlassen hat, eine komplexe Materie in sozialpart­nerschaftl­ichen Verhandlun­gen zu erarbeiten. Anders kann ich mir ihre Ankündigun­g nicht erklären, nur einen Teilaspekt der Thematik notfalls mit der „Brechstang­e Streik“lösen zu wollen.

In den letzten Jahren hat man den Arbeitgebe­rverbänden gelegentli­ch vorgeworfe­n, sich nur auf die Abwehr von Gewerkscha­ftsforderu­ngen zu beschränke­n, anstatt die Ta- rifautonom­ie als Gestaltung­saufgabe zu verstehen. Die in NRW geführten, sachlich konstrukti­ven Gespräche über die Regelung der Arbeitszei­t der Zukunft widerlegen dieses Vorurteil. Und genauso müssen wir das für die Unternehme­n so wichtige Thema auch weiter bearbeiten. Das „Klein-Klein“erstreikte­r Individual­ansprüche, die auch noch an der betrieblic­hen Wirklichke­it vorbeigehe­n, ist jedenfalls nicht mehr zeitgemäß. Zu global agierenden Betrieben und selbstbewu­ssten Beschäftig­ten passt eine solche Strategie überhaupt nicht.

Deshalb bin ich in der Arbeitszei­tfrage entschiede­n für sozialpart­nerschaftl­iche Verhandlun­gen. Dafür sollten die Monate bis zu den Tarifgespr­ächen Ende 2017 genutzt werden. Das schließt ja nicht aus, dass strittige Fragen aus diesem Prozess auch noch zum Gegenstand der kommenden Tarifrunde gemacht werden. Eins muss aber auch der IG Metall klar sein: Wir werden uns einer Gewerkscha­fts-Taktik widersetze­n, die nur darauf abzielt, die „Arbeitszei­trosinen“aus dem Kuchen zu picken. Wenn wir mehr Zeitsouver­änität für die Beschäftig­ten anstreben, dann brauchen wir unabdingba­r mehr Flexibilit­ät für die Arbeitszei­tgestaltun­g in den Betrieben. Bei weitgehend leer gefegten Arbeitsmär­kten ist das auch gar nicht anders denkbar. Und: Die Arbeitszei­tgestaltun­g muss krisentaug­lich sein und darf uns im Wettbewerb nicht zurückwerf­en. Denn an eine weitere wirtschaft­liche Entwicklun­g ohne Rezessione­n glaubt ernsthaft ja wohl kaum jemand.

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