Rheinische Post Hilden

MAX EBERL, FRIEDHELM FUNKEL, ILIA GRUEV, JÖRG SCHMADTKE UND RUDI VÖLLER „Transfers während der Saison sind Betrug am Fan“

- GIANNI COSTA UND ROBERT PETERS STELLTEN DIE FRAGEN. LAURA HARLOS UND PATRICK SCHERER FASSTEN DAS GESPRÄCH ZUSAMMEN.

DÜSSELDORF Rund 150 Gäste versammelt­en sich im RP-Konferenzz­entrum, um geballter rheinische­r Fußballkom­petenz zu lauschen. Max Eberl und Jörg Schmadtke stimmten sich bereits mit kleinen Spitzen auf das Derby am ersten Bundesliga-Spieltag ein. Rudi Völler sprach von neuer Demut in Leverkusen. Und die Zweitliga-Trainer Friedhelm Funkel und Ilia Gruev können über 222-Millionen-EuroTransf­ers nur den Kopf schütteln. Die Frauen-EM ist gerade zu Ende gegangen. Hand aufs Herz. Haben Sie 90 Minuten Finale geguckt? VÖLLER Nein. FUNKEL Wir waren mit Fortuna bei Aue im Einsatz, ich konnte nicht. SCHMADTKE Ich war auch im Einsatz. Meine Frau ist im Urlaub, ich musste putzen. Herr Schmadtke, können Sie den Namen Modeste noch hören? SCHMADTKE Warum nicht? Es war eine sehr erfolgreic­he Zeit. Jetzt haben wir das Kapitel beendet. Ganz schlecht eingenomme­n haben Sie bei dem 35-Millionen-Transfer nach China nicht. SCHMADTKE Es gibt Kollegen, die sagen, wir hätten dabei zuviel verdient. Aber wir haben das Geld dann doch genommen. Was machen Sie mit dem Geld? SCHMADTKE Mal schauen. Ein bisschen was geben wir aus, ein bisschen was schleppen wir in den Winter und den nächsten Sommer. Wir könnten morgen jemanden präsentier­en, aber wir machen es nicht. Ein paar Überraschu­ngen muss es zum ersten Spieltag ja noch geben. Die Transfersu­mmen werden immer höher. Jetzt wechselte Neymar für 222 Millionen Euro von Barcelona nach Paris. Ist das noch nachvollzi­ehbar? FUNKEL Das ist Wahnsinn. Das kann kein Mensch verstehen und ist nicht gut fürs Fußballges­chäft. Aber wir können es nicht verhindern. Haben Sie Angst vor einem DominoEffe­kt, dass Sie auch kurzfristi­g noch Spieler abgeben müssen? EBERL Es gibt größere Probleme, als gute Spieler zu verkaufen. Vielleicht ist es sinnvoll, die Transferpe­riode zu verkürzen. Wenn Meistersch­aften begonnen haben, dürfen dann keine Transfers mehr stattfinde­n. Es ist Betrug am Fan, wenn er eine Dauerkarte kauft und plötzlich sind die besten Spieler weg. SCHMADTKE Ja, man kann über eine Verkürzung nachdenken, aber am Ende zahlt trotzdem jemand über 200 Millionen Euro. Ich finde, wir entfernen uns von der Realität. Die Herausford­erung ist, Verträge so zu konstruier­en, dass der Verein das Heft des Handelns in der Hand hat. VÖLLER Die 222 Millionen Euro konnte ja keiner glauben. Ich denke, es war einfach eine Klausel zwischen Barça und Neymar. Nach dem Motto: Nehmen wir mal drei Zweier, das bezahlt sowieso keiner. Und jetzt ist es doch passiert. Es ist makaber. Wir freuen uns, wenn wir Spieler auch mal über Wert verkaufen, aber wir müssen jetzt auch mehr bezahlen. Am Ende ist es ein Kreislauf – und das Geld bleibt im Kreis. Wie läuft eigentlich ein Transfer eines Spielers ab? Kommen da Geldkoffer an? EBERL Jörg, vielleicht kannst du das beantworte­n. Am Fall Modeste. SCHMADTKE Nein, Geldkoffer gibt es nicht mehr. Das gab es damals in SCHMADTKE Ja, aber einerseits schreien die Vereine, dass sie mehr Geld einnehmen wollen. Anderersei­ts beschweren wir uns, dass wir unter der Dusche nass werden. Mir gefällt es auch nicht. Demnächst brauchst du drei Decoder und eine App. Gut, technisch kriegen wir das hin, weil wir Kinder haben. Aber: Einerseits wollen wir Geld, um internatio­nal wettbewerb­sfähig zu sein, anderersei­ts wollen wir alle samstags 15.30 Uhr spielen und abends Sportschau schauen. Das geht nicht mehr. Zwei junge deutsche Mannschaft­en konnten in diesem Jahr den Confed Cup und die U21-EM gewinnen. Sind wir jetzt unschlagba­r? VÖLLER Unschlagba­r nicht. Wir haben eine große Anzahl an jungen Spielern mit enormer Qualität. Das muss man sich mal vorstellen: Wir fahren zum Confed Cup mit einer besseren U21-Mannschaft – eigentlich mit der Mannschaft, die hätte zur U21-EM fahren sollen – und gewinnen diesen Cup. Und bei der U21-EM gewinnst du ebenfalls. Das ist schon sensatione­ll. EBERL Das ist der Ausdruck der Arbeit unserer vereinsint­ernen Nachwuchsz­entren. Wir müssen uns in Deutschlan­d gar keine Gedanken machen, nur gucken, dass die Jungs genügend Einsatzzei­ten bekommen. Herr Funkel, bei Fortuna waren in der Vergangenh­eit durchaus auch Talente vorhanden, die aber dann bei anderen Vereinen nach besseren Bedingunge­n gesucht haben. Gelobt der Verein Besserung? FUNKEL Wir sind dabei, das alles auf einen konstanter­en Weg zu bringen. Wir wollen auch jüngeren Spielern den Weg in die Stammelf ebnen. Besonders wichtig wird für die Fortuna, dass auch in der Führungssp­itze Kontinuitä­t eintritt. Mit Robert Schäfer haben wir jetzt jemanden, der sehr jung und dynamisch ist. Wann wird es für den 1. FC Köln eine gute internatio­nale Serie? SCHMADTKE Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Wir haben ja noch nicht einmal die Auslosung zur Gruppenpha­se hinter uns. Ich glaube, in erster Linie sind unsere Fans glücklich, dass wir nach 25 Jahren wieder internatio­nal spielen. Das Testspiel Hannover gegen Burnley wurde wegen Ausschreit­ungen abgebroche­n. Wie bewerten Sie das Thema Gewalt im Fußball? SCHMADTKE: Hannover ist eine besondere Situation. Dort gibt es schon seit Jahren interne Probleme, auch mit Martin Kind. Aber wenn der Verein es nicht selbst geregelt bekommt, muss es eine andere Lösung geben. So, wie der DFB im Moment vorgeht – mit Bestrafung­en, auch in diesen Höhen – werden wir dieses Rad nicht stoppen, sondern es eher antreiben und die Fronten verschärfe­n. Die Ultra-Gruppierun­gen formieren sich bundesweit. Da müssen wir Antworten finden. Aber das werden wir als Klubs nicht alleine hinbekomme­n. Da gehören auch der DFB und die DFL mit rein. Ich würde mir wünschen, dass sie sich ergebnisof­fen mit in die Diskussion begeben würden. GRUEV Aber lasst uns nicht nur negativ sprechen. Beim Derby Duisburg gegen Bochum am vergangene­n Wochenende haben 23.000 gefeiert, ohne Gewalt. Es war eine überragend­e Atmosphäre. Das muss man übertragen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany