Konzerne sind nahezu kontrollfreie Zonen
Die Diesel-Betrugsaffäre nimmt gerade eine ungeahnte Wendung. Nicht mehr die mutmaßlichen Betrüger, die Automanager, stehen im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses, sondern ein Politiker. Ministerpräsident Stephan Weil, der niedersächsische SPD-Amtskollege von Armin Laschet (CDU), muss wegen seiner Verstrickungen mit VW um seine politische Zukunft bangen.
Das ist zwar berechtigt, verstellt aber den Blick auf die eigentlichen Verursacher. Und auf die Fehler im System, die zur Folge hatten, dass Hunderte Manager vermutlich jahrzehntelang geheime Absprachen treffen konnten, ohne dass jemand einschritt.
Anders als in der Politik gibt es in Konzernen kein Kontrollsystem, das der Gewaltenteilung in Legislative, Exekutive und Judikative vergleichbar wäre. Dabei ist die Machtfülle, die einzelne Manager innehaben,
Nach der Finanzkrise setzte eine Debatte über schärfere Kontrollen der Banken ein. In der DieselAffäre ist das bisher nicht zu hören. Eine Chance für Armin Laschet, bundespolitisch an Format zu gewinnen.
nicht selten mindestens ebenso groß wie die eines Politikers. In der Theorie soll erstens der Aufsichtsrat das Management kontrollieren. Doch tiefen Einblick gewähren die wenigsten Konzernchefs ihren Kontrolleuren. Zudem treffen in den Schlüsselpositionen dieser Gremien häufig immer wieder dieselben Wirtschaftsführer aufeinander, die Teil eines gemeinsamen Netzwerks sind.
Zweitens könnte die betriebliche Mitbestimmung selbstherrlichen Managern Einhalt gebieten. Allerdings sind mitunter auch Betriebsräte schon zu lange in engem Kontakt mit der Führungsetage und werden durch Aussicht auf lukrative Posten oder mehr als auskömmliche Saläre ruhiggestellt.
Drittens die Investoren. Sie sind zwar mittlerweile aktiver als noch vor der Jahrtausendwende. Jenseits der Hauptversammlungen bleiben ihnen aber wenige Möglichkeiten, auf das Management Druck auszuüben. Wenn der Vorstand wie im Fall von VW dann auch noch einen Großaktionär auf seiner Seite weiß, können einzelne Investoren noch weniger ausrichten. Bleiben also nur Aufsichtsbehörden und Justiz als wirksame Kontrollinstanzen. Sie deckten den Skandal ja tatsächlich am Ende auch auf. Nach der Finanzkrise immerhin kam es zu strengeren Vorschriften für die Banken. Eine ähnliche Debatte ist jetzt überfällig. Schließlich setzten die Auto-Manager mit ihrem Handeln nicht weniger als den Industriestandort Deutschland aufs Spiel. Ministerpräsident Laschet, erpicht darauf, bundespolitisch an Format zu gewinnen, könnte sich hier – nicht zuletzt im Interesse der mittelständischen NRW-Zulieferindustrie – verdient machen.