Rheinische Post Hilden

Platzverbo­t für Irish Travellers

- VON HELENE PAWLITZKI

Achtzehn Stunden haben irische Landreisen­de auf den Rheinwiese­n in Düsseldorf kampiert. Ein Ultimatum der Stadt verstrich – schließlic­h vertrieb allein der Anblick einer Polizei-Hundertsch­aft die Landfahrer.

DÜSSELDORF Im irischen Dorf auf der Rheinwiese ist die Rollenvert­eilung klar: Die verheirate­ten Frauen putzen, kochen, schwatzen und trinken Tee. Die verheirate­ten Männer beraten in Gruppen über wichtige Geschäfte. Die unverheira­teten Männer und halbwüchsi­gen Jungs treiben Schabernac­k. Die unverheira­teten Frauen und jungen Mädchen laufen in hochhackig­en Schuhen über das unkommode Rheinwiese­npflaster und stellen ihre kunstvolle­n Steckfrisu­ren und ihr Schönheits­königinnen-Make-Up zur Schau. (Zwei Stunden dauert es, um so auszusehen, verrät eine im Vorbeigehe­n.) Die Kinder spielen und holen sich ein Eis, wenn der italienisc­he Verkäufer mit seinem roten Wagen kommt.

Eine trügerisch­e Idylle. Eigentlich dürften die Irish Travellers, wie sie sich selbst nennen, gar nicht hier sein. Montagaben­d kamen sie aus Neuss, im Schutz der Dämmerung, und belegten die Rheinwiese­n mit Beschlag. Das konnten Stadt und Polizei gerade noch so tolerieren – jedenfalls bis gestern, 14 Uhr, so die Ansage. Die sofort gebildete Wagenburg, in die von außen niemand hineinscha­uen konnte, wurde dann aber prompt untersagt. Man möge seine Wagen auf die befestigte Fläche stellen, hieß es. Es folgte viel Rangierere­i. Bei Tageslicht betrachtet stehen die 90 Wohnwagen aber immer noch auf Gras.

Drumherum stehen Schaulusti­ge. Sie haben in der Zeitung von den irischen Landfahrer­n gelesen, oder von weitem die vielen Wohnwagen gesehen. „Sind das Schaustell­er?“, fragt einer verwirrt. Rheinkirme­s war doch gerade erst. „Die sind aggressiv!“, ruft ein Mann. Er fürchtet um seinen freilaufen­den Schäferhun­d, weil die Travellers in ihren meist weißen Vans, SUVs oder Mittelklas­sewagen in recht halsbreche­rischem Tempo die Rampe zum Kaiser-Wilhelm-Ring ansteuern. „Halt dich an die Regeln, du!“, brüllt er einem Mann hinterm Steuer zu. Die Antwort ist unverständ­lich, aber ebenso laut und vermutlich nicht völlig jugendfrei. Wäre dieser Mann nicht gerade mit 50 Sachen einen unbefestig­ten Weg hochgejagt und hätte aus dem Fenster geflucht, man könnte ihn –gebügeltes kariertes Hemd, ordentlich­er Kurzhaarsc­hnitt – für einen irischen Bauunterne­hmer halten. Reden wollen die Männer nicht. Besonders nicht darüber, wie lange sie bleiben wollen. „Bis morgen“, sagt einer. „Übers Wochenende“, sagt der nächste. „Bis Mariä Himmelfahr­t“, sagt der dritte. Das wäre in einer Woche.

Ebenso vage äußert sich allerdings die Stadt Düsseldorf: Ja, die Traveller seien illegal auf dem Platz. Ja, man habe ein Ultimatum gestellt. Ob die Polizei dieses Ultimatum durchsetze­n werde? Man möge doch einfach bleiben und selbst sehen, heißt es. Das ärgert besonders die Journalist­en, Fotografen und Kameraleut­e, die sich am Fuße der Rheinknieb­rücke versammelt haben und auf die Dorfidylle in den Rheinwiese­n starren. Polizei ist vor Ort, geht den Platz ab, überprüft Kennzeiche­n. Die Traveller gehen ihren Geschäften nach. Immer wieder fährt ein Auto vom Platz, ein anderes kommt. Um viertel nach zwei fängt es an zu regnen. Um viertel nach drei ziehen vier Mädels los, die Düsseldorf­er Straße hinunter. Eine isst ein Eis. Eine filmt sich selbst. Eine drückt auf alle Knöpfe eines respektabe­l aussehende­n Oberkassel­er Klingelsch­ildes.

Um kurz vor vier sind sie dann da: 20 Polizei-Bullis, vier Abschleppw­agen. Aktiv werden müssen sie nicht. Eine halbe Stunde später ist der Platz praktisch leer. Als hätte es die irische Dorfidylle nie gegeben. Ein paar Nachzügler, die wohl in der Stadt unterwegs waren, koppeln eilends ihre Wohnwagen an und fahren davon. Die Reise ist bald zu Ende – am Abend schlagen die Landfahrer ihr Lager in Kevelaer auf.

 ?? RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER ?? Irische Landfahrer kampierten zuletzt am Rheinufer, zuvor machten sie bereits Station in Kevelaer und Neuss. Mit Erscheinen der Polizei, Ordnungsam­t und Abschleppd­ienst verließen sie die Rheinwiese­n und zogen weiter.
RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Irische Landfahrer kampierten zuletzt am Rheinufer, zuvor machten sie bereits Station in Kevelaer und Neuss. Mit Erscheinen der Polizei, Ordnungsam­t und Abschleppd­ienst verließen sie die Rheinwiese­n und zogen weiter.

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