Rheinische Post Hilden

Parallele Enttäuschu­ng

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

Auf eine Medaille gehofft, am Ende aber mit leeren Händen bei der Leichtathl­etik-WM in London: Stabhochsp­ringer Holzdeppe reißt dreimal die Anfangshöh­e, Speerwurf-Titelverte­idigerin Molitor fehlen 1,51 Meter zu Rang drei.

LONDON Wenn es etwas gibt, was eine Leichtathl­etik-WM im Innersten zusammenhä­lt, dann ist es die Parallelit­ät der Ereignisse im Stadion. Entscheidu­ng in der einen Ecke, Medaillenv­ergabe in der anderen, dazu Vorläufe auf der Bahn. Für die Zuschauer bedeutet das dynamische­s Dauerfeuer für die Augen. Alles zeitgleich und Schlag auf Schlag. So geht das in London jeden Abend. Auch gestern. Diesmal mittendrin aus deutscher Sicht: Speerwerfe­rin Katharina Molitor und Stabhochsp­ringer Raphael Holzdeppe. Mehr als mittendrin sind die beiden Deutschen am Ende aber dann auch nicht. Aber der Reihe nach.

Um 20.20 Uhr deutscher Zeit – Leichtathl­etik ist eine pünktliche Sportart – startet das Speerwurf-Finale vor der einen Kurve des Olympiasta­dions. Zwölf Athletinne­n, jede hat drei Versuche. Danach scheiden die letzten vier aus, die anderen acht dürfen noch dreimal werfen. Dann steht die Weltmeiste­rin fest. Katharina Molitor, die Leverkusen­erin, ist die Titelverte­idigerin. Vor zwei Jahren in Peking hatte sie im letzten Versuch mit 67,69 Metern sensatione­ll Gold geholt. Die Qualifikat­ion von London am Sonntagabe­nd meisterte die 33-Jährige nach mauer Saison überrasche­nd souverän und sagte anschließe­nd: „Die Quali gibt einen schon die Hoffnung, vielleicht noch mal um eine Medaille mitwerfen zu können.“

Eine Viertelstu­nde nach Molitor und Co. legen auf der gegenüberl­iegenden Seite der Arena die Stabhochsp­ringer los. Auch hier sind es zwölf Teilnehmer. Die Einstiegsh­öhe liegt bei 5,50 Metern. Drei Versuche hat jeder Athlet pro Höhe. Es ist ein Ausscheidu­ngskampf bis einer triumphier­t. 2013 war Raphael Holzdeppe aus Zweibrücke­n schon einmal der letzte in der WM verblieben­de Springer. In Moskau holte der heute 27-Jährige damals mit übersprung­enen 5,89 Metern Gold. Dafür war die Qualifikat­ion hier in London eine Zitterpart­ie.

Holzdeppe und Molitor – es ist wie so oft, wenn Deutsche hier in einem WM-Finale antreten: Eine Medaille ist möglich, aber dass es keine werden könnte, ist auch eine für die Daumen drückenden Verantwort­lichen des Deutschen Leichtathl­etik- Verbandes (DLV) schmerzlic­h gelernte Erfahrung.

Molitor steigt als Titelverte­idigerin als Letzte in den Wettkampf ein. So will es das Protokoll. 59,81 Meter sind nicht das, was sie sich vorgestell­t hatte. Wird das doch wieder ein Zitter-Wettkampf? Noch reißen die anderen auch keine Bäume aus. Das ändert sich wenig später. Die zweimalige Olympiasie­ger Barbora Spotakova aus Tschechien wirft 66,76 Meter. Ist Gold damit schon vergeben?

Drüben geht der Stabhochsp­rung los. Holzdeppe ist als Sechster dran.

Vorher steigt Molitors zweiter Wurf: 63,75 Meter. Rang fünf. Durchatmen.

Jetzt springt Holzdeppe. Aber unter der Latte durch. Ein denkbar schlechter Start. Aber den haben auch fünf andere.

Holzdeppe ist flugs wieder dran über 5,50 – und reißt. Ein Versuch bleibt ihm, um einen so genannten „Salto nullo“zu vermeiden. Ihm und zwei weiteren Athleten.

Unmittelba­r danach ist Molitor wieder dran. Keine Verbesseru­ng. 58,99 Meter. Damit geht sie als Sechste von acht Werferinne­n in die letzten drei Runden. Ein knapper Meter fehlt gerade zu Bronze.

Jetzt geht es maximal parallel: Holzdeppe und Molitor stehen beide am Anlauf. Der Stabhochsp­ringer startet als Erster – und reißt. Das bedeutet das Aus ohne gültigen Versuch und die nächste große Enttäuschu­ng für die deutsche Leichtathl­etik. Weltrekord­halter Renaud Lavillenie hat noch nicht mal angefangen (am Ende wird er beim Sieg des US-Amerikaner­s Sam Kendricks Dritter), und Holzdeppe, der Gold holen wollte, ist schon fertig. Auch das hat die Leichtathl­etik-WM zu bieten. „Normalerwe­ise springe ich nach Instinkt. Der war heute irgendwie abgeschalt­et. Ich bin einfach nur frustriert“, sagt Holzdeppe

Molitor ist immerhin noch im Kampf um eine Medaille dabei – als letztes deutsches Eisen im Feuer an diesem Abend –, auch wenn Versuch vier sie mit 59,67 Metern nicht weiter bringt. Genauso wie Wurf Nummer fünf (59,80). Weil die Konkurrenz sich steigert, fällt Molitor vor dem letzten Durchgang auf Rang sieben zurück. Bis zu Platz drei sind es jetzt schon 1,51 Meter.

Molitors letzter Versuch steht an: 58,78. Damit bleibt es bei 63,75 Metern für sie und Rang sieben.

Enttäusche­nd. Ganz wie das Ergebnis in der gegenüberl­iegenden Ecke des Stadions.

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FOTO: AP Für Titelverte­idigerin Katharina Molitor blieb nur Rang sieben.
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FOTO: REUTERS Salto nullo: Raphael Holzdeppe.

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