Rheinische Post Hilden

Emotionale­s Comeback nach Flugzeugab­sturz

- VON JÜRGEN ZELUSTEK

Alan Ruschel steht 251 Tage nach dem Unglück mit dem AF Chapecoens­e wieder auf dem Platz – gegen den FC Barcelona.

BARCELONA (sid) Nach 35 Minuten spielt der Körper nicht mehr mit. Alan Ruschel sinkt auf den Rasen des altehrwürd­igen Camp Nou und kniet nieder. Tränen laufen über sein Gesicht, als er seine Zeigefinge­r gen Himmel streckt und in sich versunken dem lieben Gott dankt. Die Ovationen der aufgestand­enen Zuschauer und die Reaktionen der Spieler auf dem Feld, die ihm zu Ehren minutenlan­g applaudier­en, erlebt der 28-Jährige wie in Trance.

„Für mich ist ein Traum in Erfüllung gegangen“, sagt der Mittelfeld­spieler des brasiliani­schen FußballErs­tligisten AF Chapecoens­e nach dem 0:5 im symbolträc­htigen Freundscha­ftsspiel beim FC Barcelona und muss immer noch mit den Tränen kämpfen. Dabei umklammert er stolz das Trikot von Barcas Superstar Lionel Messi. Der Argentinie­r hatte Ruschel nach Spielschlu­ss lange umarmt und ihm anerkennen­d sein Dress mit der Rückennumm­er 10 in die Hand gedrückt. Ruschel konnte sein Glück kaum fassen, er kannte den fünfmalige­n Weltfußbal­ler bislang nur aus dem Fernsehen.

Noch wichtiger als die persönlich­e Begegnung mit „La Pulga“war Ruschel aber das Comeback auf dem Platz, nachdem er 251 Tage zuvor wie durch ein Wunder die Flugzeugka­tastrophe überlebt hatte, bei der am 28. November vergangene­n Jahres fast das gesamte Chapecoens­e-Team inklusive Trainersta­b ums Leben gekommen war. Er wurde wie wenig andere lebend aus dem Wrack der Maschine LaMia 2933 am Berg El Gordo in Kolumbien geborgen, weswegen die brasiliani­sche Zeitung „O Globo“gestern titelte: „Sieg des Lebens!“

Dass er nicht zu den 71 Todesopfer­n gehörte, die der durch Treibstoff­mangel verursacht­e Absturz der Maschine beim Landeanflu­g auf den Flughafen von Medellin forderte, ist und bleibt für Ruschel das „größte Glück, das es gibt“. Der Linksverte­idiger, der bei seinem Comeback in Barcelona sein Team als Kapitän auf Feld führte, sagte aber auch: „Ich möchte nicht als Märtyrer behandelt werden, sondern wie jeder andere Profi hier auch.“

In Camp Nou, wo die Brasiliane­r in einem Spezialtri­kot mit 71 Sternen

in Gedenken an die 71 Toten antraten, war von Normalität aber nur wenig zu spüren. Schon als die beiden anderen überlebend­en Chape-Spieler Jackson Follmann und Neto symbolisch den Anstoß ausführten, brandete Applaus auf. Torwart Follmann, dem der rechte Unterschen­kel amputiert werden musste, betrat mit einer Prothese den Rasen.

„Da bekommt man Gänsehaut“, sagte der deutsche Nationalto­rwart Marc-André ter Stegen, der zudem noch ganz emotional twitterte: „Das sind die Momente, für die man Fußball spielt. Wir sind alle Chape.“

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FOTO: DPA Alan Ruschel

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