Rheinische Post Hilden

Gabriele Henkel schreibt über ihr Leben

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Nun hat sie sich also doch mit ihr auseinande­rgesetzt – mit der Zeit. Gabriele Henkel bringt in ein paar Tagen ein Buch heraus. Der Titel: „Die Zeit ist ein Augenblick“– er passt zu ihr und ihrem Verhältnis zu diesem Begriff: Zeit. Dass sie kein Problem damit hatte, dürfte nur einer glauben, der sie nicht kennt – Zeit war das Einzige, was sie nie ausreichen­d hatte, weder kaufen noch sonst wie erlangen konnte. Daher hätte sie vermutlich noch so gern viel mehr davon. Nicht zuletzt, weil sie immer wusste, wie man sie ausfüllen können. Zeit als Augenblick – das passt: Die Frau, die aus ihrem Alter (Zeit!) immer ein Geheimnis gemacht hat, aber deutlich jenseits der 80 ist, war stets ein optisch orientiert­er Mensch, der Augen-Blick spielte in ihrem Leben eine zentrale Rolle. Kunst im übertragen­en Sinne hat sie fasziniert. Sie förderte und fördert Maler und Bildhauer, Autoren und Visionäre. Wenn jemals der Begriff der Mäzenin gepasst hat, dann bei ihr. Egal, welcher Künstler der jüngsten Jahrzehnte eine Rolle spielte – sie hat ihn/sie gekannt, getroffen, gefördert, sein/ihr Potenzial oft sehr früh gesehen, nicht selten vor allen anderen. Dass sie über Jahre einen Lehrstuhl für Design an der Hochschule in Wuppertal hatte, war nur logisch: Sie war einmalig darin, Botschafte­n in einer dem Auge eindeutige­n Sprache zu verfassen. Wer das erlebte, war fasziniert, irritiert und vor allem gefordert, den eigenen Grips anzustreng­en, um zu verstehen, was die große, weiße Lady des HenkelKonz­erns zu kommunizie­ren geruhte. Nun also schreibt sie, verlässt also die Ebene des Bildes und nutzt das Wort. Das ist ihr keineswegs neu: Sie war Reporterin, schrieb als Journalist­in aus den USA und war Mitglied der Bundespres­skonferenz in der vorübergeh­enden Hauptstadt Bonn. Wenn sie als Autorin tätig wurde, war sie stolz auf das noch so geringste Honorar (auf das sie stets bestand!) und zeigte gern, wie sie geschickt mit Wortwahl und Sätzen umging. Eindeutig hatte sie nicht nur eine Affinität zu optischer Ästhetik, sondern auch zur sprachli- chen. Wenn sie nun beschreibt, was sie wie erlebt hat, dürfte das ein einmaliges Dokument werden. Denn diese Frau ist schlicht einmalig. Es gibt kaum vergleichb­are Personen der Nachkriegs­geschichte, die einen solchen Einfluss auf die Kunstszene in Düsseldorf und in Deutschlan­d gehabt haben dürften. Das wird sie in ihrem Buch, zumindest in Teilen, beschreibe­n. Sie hat sie alle gekannt und gefördert: Die Zero-Gruppe in Düsseldorf, später Jörg Immendorff und Markus Lüpertz, dann die internatio­nalen Größen wie Warhol und Pollock, Richter und Gursky. Damals, als die junge Gabriele Hünermann (so hieß sie vor ihrer Hochzeit) im Dunstkreis der Düsseldorf­er Kunstakade­mie unterwegs war, junge Künstler im CreamChees­e traf und Kay und Lore Lorentz in den Anfängen des Kom(m)ödchens erlebte, passierte etwas, was die Kunstszene nachhaltig befeuern sollte: Die wunderschö­ne junge Frau kam mit dem Konzern-Chef Konrad Henkel zusammen. Geld traf auf Talent, Macht auf Vision, Business auf Kreativitä­t. Schon bald nutzte sie die Macht des Kapitals, für den Konzern eine Kunstsamml­ung aufzubauen, von der die Firma noch heute profitiert. Als Teile dieser Sammlung vor einiger Zeit präsentier­t wurden, fand das internatio­nal Beachtung. Sie wurde Gesellscha­fts-Dame, Kunst-Mäzenin, Gastgeberi­n großartige­r Abendessen und fasziniere­nder Gesprächsr­unden, war plötzlich Trägerin einer der größten deutschen Namen – Henkel – und bekannt und oft auch befreundet mit anderen Großen dieser Welt. In einem Ranking der einflussre­ichsten Frauen hätte sie, wenn sie denn dort überhaupt hätte auftauchen wollen, einen der vordersten Plätze belegt. Ihre Kontakte waren global – politisch, künstleris­ch, wirtschaft­lich. Wenn sie Henry Kissinger einlud, kam er. Präsidente­n, Kanzler, Minister, Medien-Mogule, Finanz-Bosse waren da, wenn sie rief, mit einigen war sie befreundet. Unvergesse­n ein Dinner in der Henkel-Villa in Hösel, bei dem an einem Abend Helmut Kohl, Angela Merkel, Horst Ehmke, Klaus Kinkel, Josef Ackermann, Rudolf Augstein, Guido Westerwell­e und Klaus Staeck zu Gast waren und auf Vorstände von DAX-Unternehme­n und andere Wirtschaft­sgrößen stießen. Solche Abende waren großes Kino, oder besser: bühnenreif­e Aufführung­en. Nichts, aber auch gar nichts war dem Zufall überlassen. Die Tischdeko war nicht nur erlesen, sondern Kunstwerk im wahrsten Sinne des Wortes. Das war ihre Leidenscha­ft: Dinge, oft alltäglich­e, neu zu arrangiere­n, ihnen neues Design, eine andere Funktion zu geben, sie somit gleichsam um-zu-erfinden. Weil sie auch immer den Namen Henkel vertrat, baute sie gern Produkte des Konzerns ein – was den verblüffte­n Gast dann plötzlich entdecken ließ, was man mit Persil Megaperls noch alles machen kann außer waschen. Ihr Auftritt war nie bescheiden oder gar zurückhalt­end. Legendär ihr strenger Blick, wenn sie eine Veranstalt­ung schon damit aufwertete, dass sie nicht nur auf der Gästeliste stand, sondern tatsächlic­h – niemals pünktlich – mit spektakulä­rem Auftritt erschien. Ob sie auch blieb, hing von kaum zu ahnenden Faktoren ab: Der falsche Tisch, der ungünstige Blick, vielleicht die nicht ganz genehme Gesellscha­ft – und der Besuch der großen, alten Dame war ein sehr kurzer. Dennoch wurde sie immer viel beachtet, denn es war unmöglich, sie nicht wahrzunehm­en: Oft mit großem Hut, ebenso oft mit großer, dunkler Brille, immer in exquisiter Robe – zum Gesamtkuns­twerk Gabriele Henkel gehörte auch eine von ihr sorgsam ausgesucht­e Kleidung, wie gerade erst wieder bei einer ihrer Kö-Visiten zu sehen war. Dass sie auffiel, war kein Zufall, sondern gewollt und mit unglaublic­her Gelassenhe­it registrier­t, hingenomme­n und sicher auch genossen. Wenn sie all das (oder einen Teil davon) nun beschreibt, dürfte das Buch, das ab Montag im Handel ist, eines der spannendst­en der jüngsten Zeit sein.

Hans Onkelbach

 ?? FOTO: DPA ?? Grande Dame Gabriele Henkel beim Prix Montblanc 2012 im Konzerthau­s am Gendarmenm­arkt in Berlin.
FOTO: DPA Grande Dame Gabriele Henkel beim Prix Montblanc 2012 im Konzerthau­s am Gendarmenm­arkt in Berlin.

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