Rheinische Post Hilden

Das Büro der Zukunft

- VON THORSTEN BREITKOPF UND HANS-JÜRGEN BAUER (FOTOS)

Die Firma ISS testet in der eigenen Zentrale aus, wie der Arbeitspla­tz in fünf oder zehn Jahren aussehen könnte. Von der Gesichtser­kennung bei Kunden samt Stimmungsc­heck bis zur Einweisung von Technikern per 3-D-Brille.

Wer vor der neuen Firmenzent­rale des Dienstleis­ters ISS an der Theodorstr­aße in Rath vorfährt, wähnt sich vor einem beliebigen neuen Bürogebäud­e. Erst vor gut sechs Wochen hat das dänische Unternehme­n dort mit viel Pomp die Eröffnung gefeiert. Das Haus wirkt neu, mehr fällt nicht auf. Doch schon bei der Anmeldung an der Pforte gibt es einen Ausblick darauf, wie ein Firmenempf­ang der Zukunft aussehen könnte. Auf einem großen Bildschirm sieht man – sich selbst. Eine Kamera zeichnet den Eingangsbe­reich auf. Soweit nichts Neues. Doch eine Software erkennt die Gesichter, setzt einen weißen Kasten um den Kopf des Besuchers und schreibt: 34 Jahre, männlich. Das Alter ist leicht schmeichel­haft, aber nicht wirklich weit von der Realität entfernt. „Wenn Sie jetzt Kunde bei uns wären, dessen Daten wir mit mehreren Bildern in einer Datenbank hinterlegt hätten, dann würde Sie unser System als Person erkennen und namentlich begrüßen“, sagt Frank Born, Pressespre­cher des Deutschlan­d-Ablegers der ISS.

Und das ist noch lange nicht alles. Denn das Computersy­stem erkennt auch die Stimmung der Gäste, entspreche­nd ist neben dem kleinen Bilderrahm­en auf dem Bildschirm auch ein Smiley zu sehen, der ziemlich treffgenau anzeigt, ob man gerade fröhlich, neutral, zornig oder ängstlich ist. Das ist jedoch zugegebene­rmaßen ein wenig beängstige­nd. Denn dort wird auch in einem Chart angezeigt, wie viele Gäste wann mit welchem Stimmungsz­ustand die Firmenpfor­te passiert haben. Wozu das gut sein soll? „Das ist hier eine Art Labor der Zukunft, lauter Prototypen. Wir probieren einfach aus, was wir unseren Kunden davon bald mal anbieten können beim Gebäudeman­agement oder eben auch nicht. Es ist ein Testlabor“, sagt Born.

Schon viel näher an der Umsetzung ist eine Verbindung von diversen Sensoren, die überall im Gebäude verteilt sind. Sie senden Daten wie Temperatur, Luftfeucht­igkeit, Kohlendiox­idgehalt der Büroluft oder die Belegung eines Arbeitspla­tzes an ein zentrales System. Und so kann man an zentraler Stelle auf einem großen berührungs­empfindlic­hen Bildschirm sehen, welcher Besprechun­gsraum gerade frei ist, welchen Arbeitspla­tz man benutzen kann, wie die Temperatur grade ist und auch, wo gerade aus Versehen ein Fenster aufgelasse­n wurde. Denn in der ISS-Zentrale hat kein Mitarbeite­r einen eigenen Arbeitspla­tz. Es gibt auch gar nicht genug für jeden, falls denn wirklich einmal alle mehrere Hundert Leute an Bord sein sollten. Aber das, sagt Born, sei eigentlich nie der Fall. So lasse sich Büroraum besser nutzen, für Kreativflä­chen, Rückzugsrä­ume und anderes.

Sitzen sei das neue Rauchen, lautet einer der Ansätze von ISS. Denn Rückenerkr­ankungen seien die Hauptursac­he für unzufriede­ne oder kranke Mitarbeite­r. Entspreche­nd kann man an fast allen Arbeitsplä­tzen im Sitzen oder Stehen arbeiten, ganz nach Belieben. Und damit die Beschäftig­ten auch genug Bewegung haben, gibt es je Etage nur einen Drucker und einen Mülleimer, damit sich die Büroarbeit­er ab und zu bewegen. Wobei Papier für den Drucker oder den Mülleimer nur noch selten anfällt. Alles ist nah dran am papierlose­n Büro. Selbst das Whiteboard zum Visualisie­ren von Besprechun­gen ist elektronis­ch. Als Solches dient ein riesiges Touchpad. Die Ergebnisse können den Teilnehmer­n, egal wo auf der Erde sie sitzen, später elektronis­ch zur Verfügung gestellt werden. So könnte die Videokonfe­renz der Zukunft aussehen.

Noch viel mehr Zukunftsmu­sik ist der Versuch, Technikern vor Ort die Arbeit zu erleichter­n. In einem abgeschlos­senen Raum wird getestet, was vielleicht irgendwann mal geht. Ein Mitarbeite­r der IT-Abteilung trägt eine elektronis­che 3-D-Brille. Darin wird dem Kollegen die Explosions­zeichnung einer komplizier­ten Maschine gezeigt. An einem großen Bildschirm können alle Menschen im Raum sehen, was der Techniker sieht, samt der virtuellen Maschine. So könnten irgendwann einmal Techniker vor Ort bei der Wartung einer Maschine von Fachleuten unterstütz­t werden, die ganz woanders auf der Erde arbeiten. Aber das, sagen die ISS-Leute, ist auch für sie noch ganz weit entfernte Zukunftsmu­sik.

 ??  ?? Auf einem Plan können die Mitarbeite­r von ISS in Echtzeit sehen, welche Räume und Arbeitsplä­tze belegt sind.
Auf einem Plan können die Mitarbeite­r von ISS in Echtzeit sehen, welche Räume und Arbeitsplä­tze belegt sind.
 ??  ?? Besucher werden am Eingang erfasst. Der Computer schätzt sogar ihr Alter – und ihre Stimmungsl­age.
Besucher werden am Eingang erfasst. Der Computer schätzt sogar ihr Alter – und ihre Stimmungsl­age.

Newspapers in German

Newspapers from Germany