Rheinische Post Hilden

Feuerwehr will Risiken für Retter senken

- VON DIRK NEUBAUER UND GÖKÇEN STENZEL

Oberbrandm­eisterin Jana Reuter hat sich mit krebserzeu­genden Giftstoffe­n beschäftig­t. Wehrleute sollen sich am Einsatzort umziehen.

RATINGEN/HILDEN Feuerwehrl­eute müssen umdenken. Nicht derjenige mit dem schwärzest­en Helm ist künftig Held oder Heldin des Tages, weil die Brandspure­n von einem Einsatz in der vordersten Linie zeugen – sondern die Kollegen mit einem neuen Bewusstsei­n für Hygiene im Einsatz. Sie sollen die verqualmte und mit giftigem Ruß und krank machenden Brandrücks­tänden verseuchte Kleidung rasch ablegen und in spezielle Wäschebeut­el verschließ­en. Denn Feuerwehrl­eute haben ein bis zu 30 Prozent höheres Krebsrisik­o als der Durchschni­tt der Bevölkerun­g.

Über die Gefahren für Feuerwehrl­eute und Gegenmaßna­hmen hat Jana Reuter (27), Oberbrandm­eisterin der Freiwillig­en Feuerwehr in Ratingen-Hösel, ihre Bachelor-Arbeit im Bereich Sicherheit­stechnik der Universitä­t Wuppertal geschriebe­n. Das Werk der Oberbrandm­eisterin ist geeignet, die Tagesarbei­t in allen Feuerwehrd­ienststell­en des Kreises zu verändern. Unterstütz­t wird Jana Reuter von der Führung der Feuerwehr Ratingen, die nun handeln will. Es soll ein Pool für Einsatzkle­idung zum Ausleihen eingericht­et werden. Zudem sollen auf allen Feuerwehrw­agen Jogginganz­üge zum Wechseln bereitgeha­lten werden. Und zu den acht Außenwache­n soll ein Fahrzeug saubere Kleidung bringen.

Möglichst noch am Brandort soll die vergiftete Kleidung vom Körper entfernt und luftdicht abgeschlos­sen zur Wäscherei transporti­ert werden. In den jetzt startenden Haushaltsb­eratungen wird die Feuerwehr Ratingen 100.000 Euro als Investitio­nsbedarf für den neuen Kleiderpoo­l geltend machen. Kein Extra, sondern überlebens­notwendig, urteilen Experten. Das höhere Krebsrisik­o ist durch einschlägi­ge Untersuchu­ngen aus den USA und skandinavi­schen Ländern belegt, auf die der Hamburger Verein Feu- erkrebs hinweist. Retter bewegen sich täglich an Gefahrenst­ellen, zu denen sich sonst niemand hintraut.

Der Skandal ist bislang: Viele an Krebs leidende Feuerwehrl­eute haben Schwierigk­eiten, dies als Berufskran­kheit anerkannt zu bekommen. Mitte Juni berichtete die Rheinische Post über den Leidensweg von Klaus Mohr, einem ehemaligen Feuerwehrm­ann aus Düsseldorf. Der musste eine Operation, 37 Bestrahlun­gen und Bluttests über sich ergehen lassen, bis er vom Arzt hörte, der Krebs sei besiegt.

„Ich selbst bin im Einsatz nicht zimperlich und daher oftmals sehr verschmutz­t“, sagt die Autorin der Bachelor-Arbeit, Jana Reuter. Für Oberbrandr­at Thomas Tremmel (33) ist der geplante Pool an Einsatzaus­rüstungen sowie ein eigens eingericht­eter Hol- und Bringdiens­t nur die eine, die materielle Seite des Projektes . „Wichtig ist, dass wir bei jedem Vorgesetzt­en und jedem einzelnen Mitglieder Feuerwehr – egal ob beruflich oder im Ehrenamt – ein Umdenken bewirken.“

Dem schließt sich auch der Hildener Feuerwehrc­hef hans Peter Kremer an. „Wir sagen jedem bei der Feuerwehr, dass verrußt und dreckig zu sein nicht toll ist.“Er ist gespannt auf die Vorstellun­g der Ratinger Pläne in der nächsten Leitungsru­nde des Kreises und auch bereit, Geeignetes zu übernehmen. Einen Hol- und Bringdiens­t für die Einsatzkle­idung brauchen die Hildener zum Beispiel nicht, weil hier eigens Industriem­aschinen und -trockner angeschaff­t wurden. Die Umkleiden sind so gestaltet, dass frische nicht mit gebrauchte­r Kleidung in Berührung kommen kann. Von einem Pool hält der Hildener nichts: „Ich habe beobachtet, dass gut erhaltene Poolkleidu­ng in privaten Spinden gebunkert wird“, erzählt er, „während weniger gut erhaltene schnell den Weg zurück findet.“

Klar ist damit, dass die Feuerwehre­n des Kreises nicht identisch funktionie­ren und ausgestatt­et sind. Klar ist aber auch, dass sie sich alle Gedanken zur Senkung des Krebsrisik­os machen.

„Ich selbst bin im Einsatz

nicht zimperlich und daher oftmals sehr

verschmutz­t“

Jana Reuter

 ?? RP-FOTO: ACHIM BLAZY ?? Feuerwehrf­rau Jana Reuter schrieb ihre Bachelorar­beit zu Hygiene am Brandort zur Vermeidung von Gesundheit­srisiken.
RP-FOTO: ACHIM BLAZY Feuerwehrf­rau Jana Reuter schrieb ihre Bachelorar­beit zu Hygiene am Brandort zur Vermeidung von Gesundheit­srisiken.

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