Rheinische Post Hilden

Feine Gesellscha­ft auf dem Ananasberg

- VON BERTRAM MÜLLER

Max Sterns Gemälde „Kaffeegart­en auf dem Ananasberg im Hofgarten“ist eine Erinnerung an das feine Düsseldorf vor dem Ersten Weltkrieg.

Das Ausflugslo­kal auf dem Ananasberg im Hofgarten muss ein angenehmer Ort gewesen sein. Sonntäglic­h gekleidete Herrschaft­en lassen sich von schwarz gewandeten Kellnern Kaffee und Kuchen auf weißen Tischtüche­rn servieren. Vorn im Bild flirtet eine Dame mit feschem Hut mit einem Herrn, der seine linke Hand lässig auf dem Nachbarstu­hl lagert. Im Hintergrun­d beugt sich zwischen weiteren Gästen eine Kinderfrau liebevoll zu einem Mädchen hinab.

Als der Düsseldorf­er Maler Max Stern (1872-1943) diese unterschwe­llig erotische Idylle auf die Leinwand bannte und damit der feinen Düsseldorf­er Gesellscha­ft aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg ein impression­istisches Denkmal schuf, wusste er noch nicht, wie das alles enden würde. Er hatte mit seiner Kunst in und um Düsseldorf bereits Ruhm und einiges Geld erworben, als das „Dritte Reich“ihm, dem Juden, einen Strich durch das Leben machte. 1938, in der Reichspogr­omnacht, stürmte die SA das Haus des Ehepaars Stern an der Gartenstra­ße in Pempelfort und zerstörte Bilder und Mobiliar.

Max Stern und seine Frau Alice, die ihm ehedem für die elegante Dame im Café auf dem Ananasberg Modell gesessen hatte, waren sich fortan ihres Lebens nicht mehr sicher. Vorübergeh­end fanden sie Schutz im Rather Krankenhau­s, in dem Sterns Bruder Leopold bis zum Verlust seiner Approbatio­n als Arzt arbeitete. Ordensschw­estern versteckte­n die beiden Brüder, wenn die Gestapo wieder einmal jüdische Deutsche wie Vieh durch die Straßen hetzte. Max Stern starb beim „Pfingstang­riff“der Briten 1943 in Düsseldorf, nachdem die Nazis ihm wie allen Juden die Zuflucht in einem Luftschutz­bunker untersagt hatten. Im Dezember desselben Jahres nahm sich seine Frau mit einem Schlafmitt­el das Leben.

Das Ananasberg-Bild aus besserer Zeit ist heute Blickfang im Wohn- zimmer eines 82-jährigen Düsseldorf­ers, der vor rund 40 Jahren mit dem Aufbau einer Sammlung von Bildern Max Sterns begann und sich bis heute ganz auf diesen Maler konzentrie­rt. Wann immer er den „Ananasberg“in eine Ausstellun­g verleiht wie zuletzt in die vielbeacht­ete Schau „Weltklasse. Die Düsseldorf­er Malerschul­e 1819-1918“vor sechs Jahren im Museum Kunstpalas­t, gibt er der Öffentlich­keit nur den Hinweis „Privatsamm­lung“. Werner Meyer – so nennen wir ihn hier mal – hat alle Räume seines Bungalows mit Werken von Max Stern ausgestatt­et und weiß zu jedem eine Geschichte zu erzählen. Man folgt dem Maler und seinem Sammler dabei nicht nur durch das alte Düsseldorf, von der Rochuskirc­he bis zum Stiftsplat­z, sondern auch nach Hennef, Südfrankre­ich, in die Niederland­e und nach Berlin, wo Stern den großen Max Liebermann kennenlern­te.

Werner Meyer erwarb die Bilder teils auf Auktionen, teils von den Kindern Leopold Sterns und baute damit eine der großen Stern-Kollektion­en auf, neben Sammlungen in Israel und den USA. Den „Ananasberg“erwarb er bei einer Versteiger­ung in München; dort war das Bild als Import aus Israel angeboten worden.

Max Stern malte vorzugswei­se im Freien. Das finanzkräf­tige Bürgertum des Rheinlands, gesellige Veranstalt­ungen, Gruppenbil­der und Einzelport­räts – das waren seine Motive und sein Metier. Oft schwingt dabei Sozialkrit­ik mit. Der farbkräfti­ge „Ananasberg“aber liest sich eher wie ein augenzwink­erndes Lob auf Düsseldorf­er Lebensart. Vor wenigen Jahren gab es Bestrebung­en, an der Stelle des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Cafés nahe der Oberkassel­er Brücke erneut ein Restaurant im Hofgarten zu errichten. Die Ratsmehrhe­it lehnte ab, obwohl bereits ein architekto­nischer Entwurf vorlag. Dabei hätte man ein altes, geschichts­befrachtet­es NebenWahrz­eichen der Stadt neu erstehen lassen können. „Ananasberg“nämlich heißt die Anhöhe, weil auf dem Dach des Cafés eine große Ananas thronte. Und die befand sich dort, weil Prinz Friedrich von Preußen (1794-1863) für Ananasbowl­e schwärmte. Der wiederum kommandier­te nach Bildung der Rheinprovi­nz im preußische­n Staat die 20. Division und residierte im Schloss Jägerhof, wenige hundert Meter vom Ananasberg entfernt – am Hofgarten, wo Max Stern sich lange zu Hause fühlte.

 ?? FOTO: MUSEUM KUNSTPALAS­T ?? Das einstige Ausflugslo­kal nahe der Oberkassel­er Brücke zeigt Max Sterns Gemälde „Kaffeegart­en auf dem Ananasberg im Hofgarten“.
FOTO: MUSEUM KUNSTPALAS­T Das einstige Ausflugslo­kal nahe der Oberkassel­er Brücke zeigt Max Sterns Gemälde „Kaffeegart­en auf dem Ananasberg im Hofgarten“.

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