Rheinische Post Hilden

HUBERTUS HEIL „Das Wahlziel heißt 30 Prozent plus x und ist realistisc­h“

- MICHAEL BRÖCKER UND MARTIN KESSLER FÜHRTEN DAS GESPRÄCH

Der SPD-Generalsek­retär setzt auf die vielen unentschlo­ssenen Wähler. Über Koalitione­n würde er die Parteimitg­lieder entscheide­n lassen.

Die SPD liegt im Wahlkampf abgeschlag­en zurück. Glauben Sie an Wunder, um das noch aufzuholen? HEIL Ich habe zwar eine christlich­e Überzeugun­g, aber in der Politik glaube ich nicht an Wunder. Das muss ich aber auch nicht, denn wir wissen, dass ein großer Teil der Bürgerinne­n und Bürger noch nicht festgelegt ist. Wir haben das Ziel, stärkste Partei zu werden. Das heißt 30 Prozent plus x. Das ist realistisc­h. Welches Thema wollen Sie denn für eine Wende aus dem Hut zaubern? HEIL Deutschlan­d ist ein starkes Land, aber es wird zu wenig in Zukunft investiert.

Das ist doch ein Allgemeinp­latz. HEIL Ich mache es Ihnen gern konkret. Die Bildungsin­vestitione­n sind zu niedrig in diesem Land. Aber Bildung ist doch immer noch Ländersach­e. HEIL Es geht ja nicht um ein Bundesschu­lministeri­um. Aber dass der Bund überhaupt nicht mehr mitwirken soll, wie das die Union praktizier­t und mit dem Kooperatio­nsverbot im Grundgeset­z ideologisc­h durchgeset­zt hat, ist absurd. Der hohe Modernisie­rungsbedar­f in Schulen kann nicht allein von Ländern und Kommunen bewältigt werden. Der Bund

muss mithelfen. Sie haben das der Union bei der Grundgeset­zänderung durchgehen lassen. Was wollen Sie jetzt tun? HEIL Wir haben – anders als es die Bildungsbü­rokratien in den Ländern prognostiz­iert haben – eine Million Schülerinn­en und Schüler mehr. Wir wollen, dass der Bund bis 2025 zwölf Milliarden Euro zusätzlich in die Schulen investiert. Das Geld soll in den Ausbau der Ganztagssc­hulen, die Sanierung maroder Gebäude und den digitalen Unterricht fließen. Nur so können wir eines unserer Hauptziele, die Bildungsge­rechtigkei­t erreichen. Wollen Sie es noch konkreter? Nein danke. Uns würde mehr interessie­ren, wo Sie das Geld hernehmen. HEIL 30 Milliarden sind die Haushaltsü­berschüsse des Bundes, die bis 2021 erwartet werden. Dieses Geld wollen wir vor allem in Bildung, Verkehrswe­ge und in die digitale Infrastruk­tur investiere­n. Ließen sich die SPD-Pläne mit der FDP umsetzen? HEIL Wir wollen möglichst stark werden. Was dann passiert, sehen wir. Wir haben ein veränderte­s Parteiensy­stem. Wir kämpfen für uns. Wir wollen von Ihnen wissen, ob Ihnen die FDP oder die Linke lieber ist? HEIL Wir führen keinen Koalitions­wahlkampf, sondern kämpfen für unsere sozialdemo­kratischen Überzeugun­gen. Ist die Lindner-FDP jetzt anders? HEIL Sie macht schickere Plakate. Aber ich habe neulich eine schöne Satire im Netz gesehen. Da stand neben einem Lindner-Plakat: Alle elf Sekunden verliebt sich ein FDP-Vorsitzend­er in sich selbst. Im Ernst: Mir ist nicht klar, ob sich die inhaltlich­e Substanz der FDP wirklich verändert hat. Wie demokratis­ch ist denn die Linksparte­i? HEIL Große Teile der Linken sind überzeugte Demokraten, mit denen man reden kann. Was Sahra Wagenknech­t von sich gibt, ist teilweise radikales Zeug und inakzeptab­el. Sie vertritt gelegentli­ch sogar Positionen am rechten Rand. Wird die SPD in jedem Fall eine mögliche Koalition ihrer Mitgliedsc­haft vorlegen? HEIL Dafür spricht vieles. Wir haben gute Erfahrunge­n damit gemacht, die Basis bei derart wichtigen Fragen zu beteiligen.

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FOTO: REUTERS Hubertus Heil (44)

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