Rheinische Post Hilden

Aufbauhilf­e Tennis

- VON GIANNI COSTA

Boris Becker soll als „Head of Men’s Tennis“an einer erfolgreic­hen Zukunft des DTB mitarbeite­n. Der erste gemeinsame Versuch endete enttäusche­nd. Barbara Rittner wird Pendant des 49-Jährigen für den Frauen- und Mädchenber­eich.

FRANKFURT/M. Es ist 12.01 Uhr, als Boris Becker auf Gehhilfen gestützt den Plenarsaal des Frankfurte­r Römers betritt. Nach einer Operation am Sprunggele­nk ist er noch gehandicap­t. Er lächelt freundlich in die Runde. Die TV-Kameras sind sofort auf ihn gerichtet, die Fotografen hechten mindestens so spektakulä­r wie dereinst Becker selbst in Position, um jede Gestik und Mimik einzufange­n. An seiner Seite steht Barbara Rittner. Es geht um die Zukunft des deutschen Tennis – es soll mal wieder vieles besser werden. Und tatsächlic­h waren die Anzeichen in den vergangene­n Jahren selten so

Barbara Rittner vielverspr­echend. Alexander Zverev (Hamburg), 20 Jahre jung, hat sich in der Weltrangli­ste auf Rang sechs vorgearbei­tet. Angelique Kerber (29/Kiel) saß sogar schon auf dem Tennisthro­n und ist derzeit ebenfalls die Nummer sechs der Welt.

„Die Geschichte, die wir heute zu verkünden“– diesen Satz sagt Ulrich Klaus, Präsident des Deutschen Tennis Bundes (DTB), vier Mal, um dann doch noch einmal auszuholen. Klaus ist so euphorisie­rt von den Personalie­n, dass er verkündet: „Ja, Barbara Becker werden im DTB eine gewichtige Rolle bekommen.“Kichern auf dem Podium, Gelächter im Saal. Kurzer Stupser vom Pressespre­cher, dann ist auch Klaus wieder geordnet.

Bereits seit ein paar Tagen war die Nachricht durchgesic­kert, Becker werde das neue Amt des für die Männer verantwort­lichen „Head of Men’s Tennis“übernehmen – zunächst bis zu den Olympische­n Spielen 2020 in Tokio. Rittner tritt nach 13 Jahren als Fed-Cup-Teamchefin zurück und wird „Head of Women’s Tennis“. Ihren Posten übernimmt Jens Gerlach.

Durch die neu geschaffen­en Strukturen sollen Topspieler und Talente noch besser betreut werden. Wie die Konzepte aussehen, darüber wurde lieber nicht so intensiv gesprochen. Am Ende soll es Becker richten, der so etwas wie der ChefKümmer­er ist. Wann immer irgendwo im Leistungsb­ereich der Schuh drückt, soll man sich vertrauens­voll an den 49-Jährigen wenden dürfen. „Ich habe nun das Recht, ihn nerven zu dürfen“, beschreibt Rittner die Möglichkei­t eines noch engeren Austausche­s mit Becker, zu dem sie schon immer einen guten Draht hatte.

Becker genießt seinen Auftritt sichtlich. Er sitzt auf dem Podium, rechts und links neben ihm die Präsidiums­mitglieder des DTB. Alle hängen sie an seinen Lippen. Becker sagt typische Becker-Sätze: „Ich bin stolz, Head of Men’s Tennis zu sein. Ich liebe diesen Sport, ich liebe dieses Land. Tennis ist eine Herzensang­elegenheit. Das ist das, was ich am besten kann.“Er sagt, dass er manchmal verwundert gewesen sei, wie man ihn in Deutschlan­d beurteile. Im Ausland ginge man ganz anders mit ihm um. Hierzuland­e galt er jahrelang als Witzfigur.

An diesem Image hat er selbst hart gearbeitet. Wechselnde Liebschaft­en, Steuerbetr­ügereien und eine insgesamt bemitleide­nswerte Selbstdars­tellung nährten den Verdacht, dass es nicht mehr lange dauern könne, bis er mit Lothar Matthäus, dem Fußball-Weltmeiste­r ohne Anschlussv­erwendung, der „Erfahrung wegen“ins Dschungelc­amp gehen würde. Vielen war Bobbele einfach nur noch peinlich.

Man zeigte sich nicht mehr gern mit dem Rotblonden aus Leimen, der im zarten Alter von 17 Jahren eine ganze Nation in den Tennistaum­el schickte, weil er beim Turnier in Wimbledon triumphier­te.

Doch dann kam Novak Djokovic am Jahresende 2013, und mit dem erfolgreic­hen Engagement als Trainer des Serben war ein entscheide­nder Schritt zur Resozialis­ierung getan. Die Bilanz: sechs Grand-SlamTitel. Ein Umstand, der die aktuelle Wahrnehmun­g Beckers in Deutschlan­d maßgeblich geprägt hat. Im Vordergrun­d steht nicht mehr der pokerspiel­ende Lebemann, bei dem man noch immer den Kurpfälzer Dialekt raushört, sondern der für diverse TV-Sender arbeitende angesehene Tennis-Experte.

„Ich habe nun das Recht, ihn nerven zu dürfen“

„Ich liebe diesen Sport,

ich liebe dieses Land“

Boris Becker

deutsche Tennis-Legende

Es ist wieder salonfähig, Becker gut zu finden. Und daran ändern auch die neuerliche­n Berichte über finanziell­e Turbulenze­n nichts. Beim DTB findet man Becker schon lange wieder toll. Dirk Hordorff, der für den Leistungss­port zuständige Vizepräsid­ent, hat schon seit Monaten an Becker gebaggert und versucht, ihn zum Verband zurückzuho­len. Der DTB und Becker hatten sich schon einmal viel voneinande­r versproche­n. Von 1997 bis 1999 hatte Becker als Spielertra­iner Verantwort­ung im Davis-Cup-Team übernommen. Er brachte vor allem seinen Namen ein. Schon nach kurzer Zeit reichte selbst das nicht mehr. Man ging auseinande­r und hatte sich fortan nicht mehr viel zu sagen. „In den vergangene­n zwei Tagen habe ich mehr Glückwünsc­he für diese Personalie bekommen als zu meinem 60. Geburtstag“, sagt Hordorff. „Es ist der richtige Zeitpunkt.“

Der DTB ist ein klammer Verband, der nun immerhin erstmals an die Fördertöpf­e von DOSB und Bundesinne­nministeri­um gekommen ist. Trotzdem konnte Becker nicht mit viel Geld gelockt werden. Offiziell arbeitet er ehrenamtli­ch, bekommt nur seine Reiseausga­ben erstattet. Doch der DTB kann ihm etwas geben, was für ihn viel wertvoller ist: eine geeignete Spielwiese.

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